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Natur« und »Kultur«: Von Inbegriffen zu Reflexionsbegriffen1

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ei Herstellungs- oder Schöpfungsprozessen gezeitigt wird, auf andere Seinsbereiche<br />

überträgt. Freilich ist diese Metapher keine bloß ursprüngliche Metapher mit heuristischer<br />

Leistung, die dann in Begriffe übersetzbar wäre, sondern eher im Sinne von Bruno Snell <strong>und</strong><br />

Josef König eine eigentliche Metapher als Ausdruck für eine Instanz erfahrener Wirkungen,<br />

eine absolute Metapher als Ausdruck für eine gr<strong>und</strong>legende Formierung unseres Denkens, der<br />

wir nicht entrinnen können. 23 In der Tradition wird diese Metapher eingesetzt <strong>zu</strong>r<br />

Charakterisierung ursprünglicher basaler Vermittlungselemente äußerer Art der Natur<br />

(Wasser, Luft), auch des Leibes (z.B. bei Paracelsus), ferner aber auch <strong>und</strong> gerade, worauf<br />

Hegel hinweist, für innere oder geistige Vermittlungsinstanzen, wie sie beispielsweise die<br />

Sprache ausmacht im Bereich der Kultur. 24 Diese Doppelung findet sich bereits in der<br />

Ursprungsszene der Medialität, Platons Timaios, in der diese einerseits als Chora, Raum<br />

umherschweifender Ursachen bindungsloser Kausalität charakterisiert wird, andererseits als<br />

Schüttelsieb, nach Maßgabe dessen diese Ursachen überhaupt unterscheidbar werden. 25<br />

Jedenfalls vermitteln diese Medien irgendwie zwischen Schöpfer <strong>und</strong> Schöpfung oder<br />

zwischen Schöpfung als Akt <strong>und</strong> Geschöpf als dessen Resultat, <strong>und</strong> sie aktualisieren sich als<br />

irgendwie geartete Botschaft ihrer Verfaßtheit in der Wirklichkeit des Resultats. Sie sind, wie<br />

es im Timaios heißt, nur über einen »Bastard-Schluß«, 26 modern: eine Abduktion<br />

erschließbar, auf die, wie Hegel formuliert, »reale Möglichkeit […], worin diese<br />

Bestimmungen alle sind« 27 oder noch prägnanter bei ihm auf ein »Auch von Eigenschaften«,<br />

welche sich als Überraschung oder Enttäuschung, jedenfalls als Widerfahrnis im intendierten<br />

Resultat offenbaren. 28<br />

Die bislang vage charakterisierte unmittelbare, natürliche Medialität ist sowohl als äußere als<br />

auch als innere von alters her Gegenstand von Versuchen einer technischen Überformung, die<br />

ihr den Widerfahrnischarakter nehmen soll. Es entstehen, wie u.a. Hans Freyer<br />

nachgezeichnet hat, »sek<strong>und</strong>äre Systeme«, die die Sicherheit der Zielrealisierung, die<br />

Sicherheit des Gelingens überhaupt, gewährleisten sollen. So führt Hans Freyer neben<br />

anderem die Artifizialisierung der Stoffe <strong>und</strong> Kräfte (qua Wandlung <strong>und</strong> Speicherung) an,<br />

einschließlich unseres Körpers, wodurch die Effektivität der Zielrealisierung erhöht wird.<br />

23 Josef König, „Bemerkungen <strong>zu</strong>r Metapher“, in: Kleine Schriften, hrsg. von Günter Dahms, Freiburg 1994,<br />

156-176; Bruno Snell, Die Entdeckung des Geistes. Studien <strong>zu</strong>r Entstehung des europäischen Denkens bei den<br />

Griechen, Göttingen 1946; Hans Blumenberg, Theorie des Unbegrifflichen, Frankfurt/M. 2007.<br />

24 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Wissenschaft der Logik, Frankfurt/M. 1969, 431.<br />

25 Platon, „Timaiois“, in: Platons Werke (griechisch/deutsch), hrsg. von Fr. W. Wagner, Leipzig 1845, 51c.<br />

26 Platon, Timaiois, 52b.<br />

27 Hegel, Wissenschaft der Logik, 431.<br />

28 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Phänomenologie des Geistes, hrsg. von Johannes Hoffmeister, Hamburg<br />

1957, 91.<br />

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