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Natur« und »Kultur«: Von Inbegriffen zu Reflexionsbegriffen1

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verdanken, ihrerseits als Ausweis der Natürlichkeit dieses Welt<strong>zu</strong>griffs herausgestellt <strong>und</strong><br />

damit der Realismus der Naturwissenschaften gerechtfertigt, finden wir uns in der ersten<br />

Dimension der Aporie wieder. Denn was soll heißen, daß die Natur erfolgreich sei?<br />

Wie auch immer – der Rest eines »W<strong>und</strong>erns« verbleibt auf beiden Seiten der Aporie: Der<br />

Konstruktivist, der, mit Kant gesprochen, der Natur ihre Gesetze vorschreibt, muß, mit Kant,<br />

»bew<strong>und</strong>ern« 8 , daß sein von ihm gestaltetes theoretisches <strong>und</strong> praktisches Naturverhältnis<br />

erfolgreich ist; der Realist hat sich darüber <strong>zu</strong> w<strong>und</strong>ern, daß die Natur vorgesehen hat, daß wir<br />

sie adäquat erkennen können. Erklärungsversuche dieser W<strong>und</strong>er (oder W<strong>und</strong>erlichkeiten)<br />

finden sich auf weltanschaulicher Ebene, will man nicht zirkulär argumentieren in dem Sinne:<br />

»Die Natur hat diejenigen kulturellen Bestrebungen selektiert, die das Natürliche als<br />

deterministischen Selektionsprozeß begreifen <strong>und</strong> sich entsprechend anpassen« oder: »Die<br />

Kultur ist die Gesamtheit der gegenstands-konstitutiven Konstruktionsschemata, die in einer<br />

Kultur als Schemata anerkannt sind«.<br />

Da solche existentiellen Bekenntnisse oder zirkelhafte Ausgangsprämissen nicht Sache der<br />

Philosophie sein sollten, stehen die nachfolgenden Überlegungen unter bescheideneren<br />

Ansprüchen: Ich gehe davon aus, daß die unter den großen Titeln »Kultur/Kulturalismus« <strong>und</strong><br />

»Natur/Naturalismus« diskutierten Konzepte von Weltverhältnissen theoretischer <strong>und</strong><br />

praktischer Art (Konstruktivismus/Realismus, Libertarismus/Determinismus bzw.<br />

»evolutionäre Ethik«) elementar dem Interesse einer – handlungs- <strong>und</strong><br />

planungsermöglichenden – Sicherung, einer Stabilisierung unserer Weltbezüge geschuldet<br />

sind. Diese Sicherung müssen wir erbringen, weil wir sie nicht vorfinden mangels gegebener<br />

Orientierung <strong>und</strong> angetroffener Ausstattung.<br />

Wir müssen uns orientieren <strong>und</strong> unsere Lebensbedingungen selbst erarbeiten. Hierfür steht<br />

<strong>zu</strong>nächst einmal elementar die Technik im weitesten Sinne, also als Intellektual-, Sozial- <strong>und</strong><br />

Realtechnik, als deren Erfinderin im mythischen Kontext die »Kopfgeburt« Athene steht.<br />

Solcherlei Technik kann auf die äußere <strong>und</strong> innere Natur (»Selbsttechnik«) des Menschen<br />

bezogen sein <strong>und</strong> bestimmt <strong>zu</strong>gleich die Herkunft elementarer Kulturkonzepte als<br />

Cultura/Ackerbau oder cultura animi.<br />

Entsprechend will ich versuchen, »Natur« <strong>und</strong> »Kultur« <strong>zu</strong>nächst einmal von »Technik« her<br />

<strong>zu</strong> beleuchten, nicht in der Absicht, technomorphe Natur- oder Kulturkonzepte geltend <strong>zu</strong><br />

machen, sondern das Interesse an »Sicherung« in seine Verästelungen <strong>zu</strong> verfolgen. Dieser<br />

Zugriff erscheint angemessen, weil sowohl auf naturalistischer Seite die Bef<strong>und</strong>e <strong>und</strong> ihre<br />

8 Immanuel Kant, „Erste Fassung der Einleitung <strong>zu</strong>r Kritik der Urteilskraft“, in: Werke in 6 Bänden, hrsg. von<br />

Wilhelm Weischedel, Bd. 5, Darmstadt 1964, 193, 197.<br />

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