Natur« und »Kultur«: Von Inbegriffen zu Reflexionsbegriffen1
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»Kultur-Zivilisation« konturiert wird, verdankt sich diese einer erst-stufigen Reflexion als<br />
Selbstvergewisserung des sich objektivierenden Geistes, der sich durch die »Sachzwänge« der<br />
notwendiger Weise ein<strong>zu</strong>setzenden Mittel eingeschränkt sieht (»Tragödie der Kultur« <strong>und</strong><br />
»Kulturpessimismus«) oder – jetzt nicht in Ansehung der Begren<strong>zu</strong>ng durch die Mittel,<br />
sondern in Berücksichtigung ihres Potenzials – sich fortlaufend weitere Bedingungen seiner<br />
Entfaltung erarbeitet (»Kulturoptimismus«). Wird das Kulturkonzept im Horizont der<br />
Leitdifferenz »Kultur-Lebenswelt« gefaßt, zeugt dies von einer höherstufigen Reflexion, die<br />
bereits auf ein Weltverhältnis als (selbstverständlicher) Lebenswelt absieht <strong>und</strong> Formen der<br />
Kulturalisierung (»Ordnung«) einer solchen Lebenswelt auf ihre Leistungen <strong>und</strong> Grenzen hin<br />
untersucht, als Verhältnis <strong>zu</strong> einem Verhältnis. Wird schließlich Kultur als »Einspruch« dem<br />
»System« gegenübergestellt, so werden – in weiterer Höherstufigkeit – funktionale<br />
Ordnungsleistungen der Kulturalisierung von Weltverhältnissen mit den – aus ihrer Sicht<br />
kontingenten – alternativen Sinnverständnissen bezüglich dessen, was »Funktion« sei,<br />
konfrontiert, also »Funktion« reflektiert. Diese Konfrontation ist ihrerseits reflektierbar in<br />
Konzepten der »Inter-« oder »Transkulturalität« etc. 7<br />
Eine analoge Stufung findet sich in einschlägigen Konzeptionen von »Natur«: Als<br />
Unmittelbarkeit einer Verfasstheit, in die wir gestellt sind <strong>und</strong> deren Wirken wir an uns selbst<br />
<strong>und</strong> an unserer Umwelt erfahren, erscheint sie als genetisches <strong>und</strong> qualitiatives Sosein ohne<br />
unser Zutun (natura naturans <strong>und</strong> natura naturata), als uns gegenüberstehendes Subjekt von<br />
Wachstums- <strong>und</strong> Entwicklungsprozessen bzw. ihren Resultaten. In höherstufiger Reflexion<br />
auf unser Verhältnis <strong>zu</strong> dieser Instanz erscheint sie als obstat, als Restriktion, die sich – als<br />
Widerfahrnis – unseren diese Natur erkennen- <strong>und</strong> gestaltenwollenden Eingriffen widersetzt,<br />
unsere Generalisierungen unterläuft, die Prognosen <strong>und</strong> unsere geplanten Eingriffe scheitern<br />
läßt (bis hin <strong>zu</strong> einer »Rache der Natur«). Eine potenzierte Reflexion hierauf, die einer<br />
solchen »Natürlichkeit« einen wenigstens negativen Wert <strong>zu</strong>sprechen will in dem Sinne, dass<br />
derart indisponible Bedingungen nicht <strong>zu</strong> tangieren sind, entdeckt schnell unsere Projektionen<br />
bei der Modellierung einer solchen »Als-ob-Natur«, die wir als ökonomisches Subjekt (»sie<br />
tut nichts umsonst«), züchtendes Subjekt einer Selektion, komplexitätssteigerndes Subjekt<br />
(Komplexität ist ein subjektives Maß des Erkenntnisaufwandes relativ <strong>zu</strong> einer<br />
paradigmatischen Erkenntnisbasis), kurz: als »Technik der Natur« begreifen. Wird diese<br />
Technomorphizität der Naturkonzepte, der die Naturwissenschaften ihre enormen Erfolge<br />
7 Zum Überblick über diese Leitdifferenzen s. Christoph Hubig, „Kulturbegriff – Abgren<strong>zu</strong>ng, Leitdifferenzen,<br />
Perspektiven“, in: Technik <strong>und</strong> Kultur. Bedingungs- <strong>und</strong> Beeinflussungsverhältnisse, hrsg. von Gerhard Bause<br />
<strong>und</strong> Armin Grunwald, Karlsruhe 2010, 55-65.<br />
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