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44 | Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und die Aufgaben der Polizei<br />
Innenminister Dietmar Woidke (SPD) betonte, der Polizeieinsatz sei grundsätzlich<br />
rechtmäßig und angemessen gewesen. 17 Zwar habe es sich anfangs<br />
um eine spontane, vom Versammlungsrecht gedeckte Sitzblockade gehandelt.<br />
Jedoch sei diese im weiteren Verlauf zu einer sogenannten Verhinderungsblockade<br />
geworden. Damit habe der Verdacht bestanden, dass die<br />
Blockade dem Zweck dienen könnte, eine nicht verbotene Versammlung<br />
zu verhindern. Dies wäre gemäß § 21 Versammlungsgesetz ebenso strafbar<br />
wie eine Nötigung, für die es, so Woidke, ebenfalls Anzeichen gegeben<br />
habe. Das Aktionsbündnis Neuruppin bleibt bunt und das Ak tionsbündnis<br />
gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit beharrten<br />
darauf, dass der Einsatz rechtswidrig gewesen sei. Sie verzichteten aber<br />
darauf, dies von einem Verwaltungsgericht prüfen zu lassen. Die Ermittlungsverfahren<br />
gegen über 300 Personen wurden von der Staatsanwaltschaft<br />
Neuruppin eingestellt. Weil die Neonazis zum Zeitpunkt der Sitzblockade<br />
ihre Demonstration noch gar nicht begonnen hatten, seien sie, so die<br />
Staatsanwaltschaft, weder gestört noch genötigt worden.<br />
Ohne Versammlungsfreiheit gibt es keine lebendige Demokratie<br />
Demonstrationen sind, so der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht<br />
Konrad Hesse, „ursprünglich-ungebändigte unmittelbare Demokratie“.<br />
In unserem repräsentativen politischen System wird die Macht durch<br />
Vermittlungsinstanzen ausgeübt, die durch Wahlen von den Bürger_innen<br />
damit beauftragt werden. Wenn sich Bürger_innen aber auf der Straße<br />
versammeln, üben sie ihren Einfluss direkt – ohne Parteien und Parlamente<br />
– aus. Das kann, so Hesse, „den politischen Betrieb vor Erstarrung in<br />
geschäftiger Routine bewahren“. 18 Mit anderen Worten: Demonstrationen<br />
sind lebenswichtig für die Demokratie.<br />
In der Bundesrepublik hat jeder und jede das Recht, seine oder ihre Meinung<br />
frei zu äußern und sich zu versammeln, wo, wann und wie er oder sie<br />
das möchte. Das ist die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit. Sie sind<br />
in Artikel 5 und Artikel 8 des Grundgesetzes festgeschrieben. Versammlungen<br />
unter freiem Himmel sind anmeldepflichtig. Die zuständige Behörde<br />
17 Vgl. Land Brandenburg, Ministerium des Innern: Woidke: Polizei handelte<br />
grundsätzlich rechtmäßig und angemessen. Pressemitteilung Nr. 137/11 vom<br />
20.10.2011, online unter http://www.mi.brandenburg.de/cms/detail.php/<br />
bb1.c.266603.de [7.4.2013].<br />
18 Vgl. Hesse, Konrad: Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik<br />
Deutschland. Heidelberg 1999, S. 166.