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64 | Rechtlicher Umgang mit Demonstrationen<br />

sich Sitzblockierer_innen unter Umständen allein durch ihre Anwesenheit<br />

wegen einer Nötigung strafbar gemacht. Auch psychische Mittel fielen<br />

unter den Gewaltbegriff der Nötigung, nämlich dann, wenn sie körperliche<br />

Konsequenzen hatten. Das gewaltlose und nicht bedrohliche Hinsetzen,<br />

Hinlegen oder In-den-Weg-Stellen stellen wäre demnach eine psychische<br />

Einwirkung auf andere und damit passive Gewalt, wenn beispielsweise ein<br />

Auto dadurch an der Weiterfahrt gehindert wird. Diese Ausdehnung des<br />

Gewaltbegriffs sei nicht zulässig, so das Bundesverfassungsgericht in seiner<br />

Entscheidung. Nur die Anwendung körperlicher Mittel könne zu einer<br />

Strafbarkeit wegen Nötigung führen. Das kann der Fall sein, wenn Sitzblockierer_innen<br />

eine physische Barriere errichten – zum Beispiel durch<br />

Anketten oder aktiven Widerstand gegen das Wegtragen.<br />

Bei der Blockade insbesondere von Straßen üben die Demonstrant_innen<br />

zwar keine Gewalt gegenüber den Fahrer_innen der Autos aus, die zuerst<br />

anhalten müssen. Anders ist es aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs<br />

für die Fahrzeugführer_innen, die danach anhalten müssen<br />

(die sogenannte Zweite-Reihe-Rechtsprechung, die 2011 durch das Bundesverfassungsgericht<br />

bestätigt wurde). 26 Demnach könne die Teilnahme an<br />

einer Sitzblockade auf einer öffentlichen Straße nach § 240 StGB strafbar<br />

sein, wenn das erste aufgrund von psychischem Zwang anhaltende Auto<br />

bewusst <strong>als</strong> Werkzeug benutzt werde, um ein physisches Hindernis für die<br />

nachfolgenden Autofahrer_innen zu errichten. Unter diesen Umständen<br />

kann eine Sitzdemonstration doch wieder eine strafbare Nötigung darstellen.<br />

Das Bundesverfassungsgericht hat 2011 zugleich klargestellt, dass die<br />

Ver sammlungsfreiheit auch zum Zwecke „plakativer oder aufsehenerregender<br />

Meinungskundgabe“ in Anspruch genommen werden könne. 27<br />

Demnach sei der Schutz nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen<br />

argumentiert und gestritten wird, „sondern umfasst vielfältige Formen<br />

gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen,<br />

darunter auch Sitzblockaden“. Auch sie können <strong>als</strong>o dem kommunikativen<br />

Zweck der Meinungsbildung dienen und dadurch eine Versammlung im<br />

Sinne des Artikels 8 des Grundgesetzes darstellen. Will die Polizei eine<br />

solche Versammlung beschränken, muss sie daher nachweisen, dass dies<br />

zur Gefahrenabwehr zwingend erforderlich ist. Kann sie dies nicht, ist der<br />

Eingriff in das Versammlungsrecht der Sitzblockierer_innen verfassungswidrig.<br />

26 Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 7.3.2011, 1 BvR 388/05.<br />

27 Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 7.3.2011, 1 BvR 388/05, Rn 32.

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