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46 | Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und die Aufgaben der Polizei<br />
Um dieser Neutralitätspflicht gerecht zu werden, gilt bei Demonstrationen<br />
das sogenannte Erstanmelderprivileg. Die zuerst angemeldete<br />
Versammlung erhält demnach den Vorzug. Ohne dieses Prinzip müsste<br />
die Versammlungsbehörde bei konkurrierenden Versammlungen nach<br />
anderen Kriterien entscheiden; etwa danach, welche Demonstration die<br />
politisch oder moralisch Wichtigere ist. Dann wäre sie nicht mehr neutral.<br />
Allerdings erhält, wer eine Demonstration zuerst angemeldet hat, nicht<br />
automatisch den Vorzug. So wurde der NPD am 8. Mai 2005 – dem<br />
60. Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht<br />
im Zweiten Weltkrieg – eine Demonstration am Brandenburger<br />
Tor in Berlin untersagt. Das Bundesverfassungsgericht entschied dam<strong>als</strong>,<br />
dass die besondere Bedeutung des Orts und des Zeitpunkts eine solche<br />
Auflage rechtfertigen könne. Die Demonstration wurde nicht verboten,<br />
sondern durfte nicht zu dieser Zeit an diesem Ort stattfinden – im Gegensatz<br />
zu einer vom Berliner Senat initiierten Veranstaltung mit dem Motto<br />
„Tag für Demokratie“.<br />
Auch wenn es nicht um die Frage der Erstanmeldung geht, ist das Erteilen<br />
von Auflagen eine gängige Praxis der Versammlungsbehörden. Als milderes<br />
Mittel, das heißt <strong>als</strong> eine geringere Beschränkung der Versammlungsfreiheit,<br />
müssen Auflagen einem Verbot vorgezogen werden. Auflagen<br />
können nicht nur Ort und Zeit der Versammlung betreffen, sondern auch<br />
ihre Form. Übliche Auflagen bei extrem rechten Demonstrationen beziehen<br />
sich zum Beispiel auf den Lautstärkepegel des Lautsprechers, die Anzahl<br />
der Ordner_innen, die Kleidung (Springerstiefel in Kombination mit<br />
Bomberjacken), eine zeitliche Begrenzung der Musikbeiträge, auf Embleme<br />
oder Tätowierungen, die in Verbindung mit dem Nation<strong>als</strong>ozialismus<br />
stehen, oder auf verschiedene Parolen („Wir kriegen euch alle“, „Hier marschiert<br />
der Nationale Widerstand“). Einige der von der Polizei häuft erteilten<br />
Auflagen sind allerdings rechtlich umstritten. Das betrifft zum Beispiel<br />
die Maße von Fahnen, Transparenten, Trageschildern und Tragestangen,<br />
das Mitführen von Fackeln, den Gebrauch von Trommeln, eine zu große<br />
Anzahl von Fahnen oder das Fortbewegen in marschartigen Formationen.<br />
Das Verbot einer Versammlung ist selten. Viele Verbotsverfügungen von<br />
Versammlungsbehörden scheiterten vor den Verwaltungsgerichten. Verboten<br />
werden kann ein Aufmarsch jedoch, wenn es sich zum Beispiel um<br />
eine Versammlung einer verbotenen Organisation handelt. Im September<br />
2011 war dies bei einer Demonstration des White Prisoner and Supporter<br />
Day in Frankfurt (Oder) der Fall. Dabei handelte es sich um eine Gedenkveranstaltung<br />
für den verstorbenen Gründer von Blood and Honour („Blut<br />
und Ehre“). Diese neonazistische Organisation ist in Deutschland seit dem<br />
Jahr 2000 verboten.