Ausgabe - 10 - 2012 - Produktion
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14 · Trends & Reports · <strong>Produktion</strong> · 8. März <strong>2012</strong> · Nr. <strong>10</strong><br />
Interview<br />
Vier Fragen an drei Roboter-Experten von Kuka, Stäubli und Epson<br />
Robotersteuerung: Die Zukunft heißt ‚offen‘<br />
Annika Mentgen, <strong>Produktion</strong> Nr. <strong>10</strong>, <strong>2012</strong><br />
Wie der Roboter der Zukunft dank offener Steuerung die Sprache des<br />
Anwenders und nicht mehr die einer ‚proprietären Insel‘ sprechen?<br />
Drei Experten stehen der <strong>Produktion</strong> hier Rede und Antwort.<br />
Was sind aus Ihrer Sicht Voraber<br />
auch Nachteile einer ‚offenen<br />
Robotersteuerung‘ für den<br />
Anwender?<br />
Kuka, Franz Groll: Für den Anwender<br />
bedeutet Offenheit, ein Robotersystem<br />
maßgerecht auf seine Applikation<br />
zuzuschneiden – gültig für das<br />
eigene ‚Look and Feel‘ als auch für<br />
standardisierte Hardwareschnittstellen.<br />
Ein Nachteil von Offenheit,<br />
der immer wieder ins Feld geführt<br />
wird, ist die zunehmende Komplexität,<br />
da es gilt, unterschiedlichste<br />
Anwendungen mit einer Steuerung<br />
zu realisieren. Jedoch finden die<br />
Kunden schnell ihre eigenen Wege<br />
und damit ihre eigene Identität in<br />
der Applizierung von Lösungen.<br />
Der Mehrwert für den Systemintegrator<br />
und damit auch für die Endkunden<br />
sind individuelle, genau<br />
passende Lösungen mit Standardkomponenten<br />
von Kuka-Roboter.<br />
Stäubli, Manfred Hübschmann: Stäubli<br />
bietet hier zwei prinzipiell unterschiedliche<br />
Lösungsvarianten. Zum<br />
Einen stellt ‚LLI (Low Level Interface)‘<br />
Basisroutinen zur Roboteransteuerung<br />
zur Verfügung, über die<br />
sich der Roboter im Prinzip komplett<br />
fremdgesteuert betreiben lässt.<br />
Der Anwender hat hier alle Möglichkeiten,<br />
den Roboter unter Umgehung<br />
der Stäubli-Programmiersprache<br />
selbst zu programmieren.<br />
Diese Lösung ist sehr aufwändig<br />
und erfordert hohe Kompetenz des<br />
Anwenders, weshalb meist nur Universitäten<br />
und Forschungsinstitute<br />
darauf zurückgreifen.<br />
Wesentlicher einfacher gelingt<br />
die Fremdsteuerung unserer Roboter<br />
über die ‚ready to plug‘-Softwarelösung<br />
‚UniVal Drive‘, eine<br />
Echtzeit-Schnittstelle zur Integration<br />
der Scara- und 6-Achs-Kinematiken<br />
in Fremdsteuerungen.<br />
Der Anwender kann den Roboter<br />
in der gewohnten Programmierumgebung<br />
seines Motioncontrollers<br />
programmieren, ohne sich mit<br />
der Robotersteuerung auseinander<br />
setzen zu müssen. Für den Bediener<br />
gibt es keine Nachteile. Allerdings<br />
sind die Funktionalitäten<br />
auf die Möglichkeiten der Fremdsteuerung<br />
begrenzt.<br />
Epson, Volker Spanier: Wir definieren<br />
eine Hardware als ‚offene Steuerung‘,<br />
wenn sie neben der traditionellen<br />
Steuerung von Robotern<br />
dank offengelegter Schnittstellen<br />
Links: Steuerung KRC4<br />
Rechts: Kuka-Produktmanager<br />
Franz Groll: „Der<br />
Roboter der Zukunft<br />
spricht die Sprache des<br />
Anwenders.“ Bilder: Kuka<br />
beispielsweise durch Erweiterungen<br />
um zusätzliche Funktionen ergänzt<br />
werden kann. Von daher sind<br />
alle Epson-Steuerungen ‚offen‘, da<br />
Standardschnittstellen wie verschiedene<br />
Busschnittstellen oder diverse<br />
Software-Interfaces wie ‚Active-X‘<br />
und ‚DotNET‘ immer vorhanden<br />
oder optional sind. Diese offene<br />
Steuerung ist stets durch passende<br />
Parametrierung auf das jeweilige<br />
Einsatzgebiet und die jeweilige Kinematik<br />
optimal anpassbar. Zwar<br />
können immer mehr verfügbare<br />
Third-Party-Steuerungen wie beispielsweise<br />
SPS ebenfalls Roboter<br />
steuern, jedoch nur in einer generellen,<br />
auf alle Systeme passenden<br />
Form. Für die meisten realen Anwendungen<br />
sind diese Generalisten<br />
den Spezialisten unterlegen.<br />
Wenn auf einer offenen Steuerung<br />
eher einfach gehaltene Programme<br />
vorhanden sind, könnte<br />
das Sicherheitsrisiko für den Anwender<br />
steigen. Wie reagiert ein<br />
Vier Fragen an...<br />
▶▶ Franz Groll, Produktmanager<br />
bei der Kuka Roboter GmbH<br />
▶▶ Manfred Hübschmann,<br />
Geschäftsführer Stäubli Robotics<br />
Deutschland<br />
▶▶ Volker Spanier, Leiter Factory<br />
Automation, Epson Deutschland<br />
GmbH<br />
Roboterhersteller auf dieses Problem?<br />
Kuka, Franz Groll: Ein offenes Systemdesign<br />
erfordert sauber gekapselte<br />
Module in Hard- und Software mit<br />
jeweils klar definierten Schnittstellen.<br />
Ein Beispiel dafür ist das ISO/<br />
OSI-Schichtenmodell, Basis für<br />
Standard-Kommunikationssysteme:<br />
Ohne eine definierte Architektur<br />
ist Sicherheit nicht zu gewährleisten.<br />
Kuka hat im Zuge der neuen<br />
KRC4-Steuerung extrem viel Gewicht<br />
auf ein sauber modelliertes<br />
System-Design gelegt und damit<br />
die Plattform für maximale Betriebssicherheit<br />
geschaffen. Modularität<br />
ist mitnichten ein Sicherheitsrisiko,<br />
eher schon proprietäre,<br />
überbordende Programmabläufe.<br />
Die Offenheit eines Steuerungssystems<br />
lässt sich aktuell mit der Analogie<br />
zu modernen Smartphone-<br />
Betriebssystemen vergleichen.<br />
Wenn die Plattform sicher gestaltet<br />
wurde, lassen sich erfolgreich zahllose<br />
Applikationen realisieren, ohne<br />
das Gesamtsystem zu gefährden.<br />
Stäubli, Manfred Hübschmann: Die betriebssystemseitigen<br />
und hardwaretechnischen<br />
Sicherheitsfunktionen<br />
sind weiterhin aktiv. Für die<br />
Roboterkinematik und die sichere<br />
Bewegungsplanung ist im Falle<br />
UniVal allerdings der Hersteller des<br />
Motioncontrollers verantwortlich,<br />
im Falle von LLI der Programmierer<br />
selbst.<br />
Epson, Volker Spanier: Betrachten wir<br />
unsere eigenen Steuerungen unter<br />
diesem Aspekt, taucht ein solches<br />
Risiko kaum auf, da Steuerung und<br />
Roboter eine integrale Einheit bilden.<br />
Für die Steuerungen von<br />
Fremdanbietern muss dies nicht<br />
der Fall sein, da einmal gefundene<br />
Schwachstellen natürlich auch bei<br />
jedem anderen System existieren,<br />
die diese Steuerung einsetzen. Epson-Steuerungen<br />
hingegen besitzen<br />
eine sehr transparente, robuste<br />
Struktur und ermöglichen daher<br />
auch ein einfaches Korrigieren<br />
möglicherweise vorhandener<br />
Schwachstellen.<br />
Links: Epson-Steuerung<br />
RC 180<br />
Rechts: Volker Spanier,<br />
Leiter Factory Automation,<br />
Epson Deutschland<br />
GmbH: „Die Verwendung<br />
fremder Steuerungen<br />
wird durch<br />
Epson zur Zeit nicht unterstützt.“<br />
Bilder: Epson<br />
Für welche Art von Roboterapplikationen<br />
sind offene Steuerungen<br />
sinnvoll, für welche nicht?<br />
Kuka, Franz Groll: Für spezifische Applikationen,<br />
die nur wenig Kommunikation<br />
brauchen, also beispielsweise<br />
spezialisierte Serviceroboter<br />
wie Rasenmäher oder Staubsauger,<br />
sind in sich geschlossene Steuerungen<br />
der Standard. Selbst für wiederkehrende,<br />
multiplizierbar nahezu<br />
identische Anwendungen in der<br />
Automobilindustrie sind in sich geschlossene<br />
Steuerungen einsetzbar.<br />
Anders hingegen verhält es sich für<br />
spezielle Robotersysteme, deren<br />
Rahmenbedingungen oder Parameter<br />
sich aufgrund diverser Anpassungen<br />
ständig verändern. Hier<br />
sind flexible, offene Systeme klar im<br />
Vorteil.<br />
Eine flexible Fertigung, verlangt<br />
auch vom Roboter ein Höchstmaß<br />
an Flexibilität. Er erhält mit der Integration<br />
von Vision-Systemen und<br />
SPS-Steuerungen die Augen und<br />
das Gehirn, um selbständig handeln<br />
und interagieren zu können.<br />
Ein geschlossenes System ist hierbei<br />
sicher viel schwerer in eine Umgebung<br />
zu integrieren, die vielfältig<br />
und variabel ist. Dem Trend folgend<br />
geht die Industrierobotik immer<br />
mehr den Weg in Richtung Bearbeitung.<br />
Wenn nicht die hohe Präzision<br />
von Werkzeugmaschinen gefordert<br />
ist, kann ein Roboter bei Beherrschung<br />
der Bearbeitungssprache<br />
‚G-Code‘ durchaus die Aufgaben<br />
einer effizienten, kostengünstigen<br />
Werkzeugmaschine übernehmen<br />
mit dem Vorteil eines sehr<br />
großen Arbeitsbereichs. Der Roboter<br />
der Zukunft spricht die Sprache<br />
des Anwenders und nicht die einer<br />
proprietären Insel.<br />
Stäubli, Manfred Hübschmann: Während<br />
die LLI-Alternative aufgrund<br />
ihrer Komplexität nur für Applikationen<br />
in Frage kommt, die sich mit<br />
der robotereigenen Steuerung nicht<br />
darstellen lassen, bietet UniVal insbesondere<br />
für OEMs, die bereits<br />
Motionsteuerungen einsetzen und<br />
den Roboter voll in ihre Maschine<br />
integrieren wollen, eine interessante<br />
Alternative. Nicht sinnvoll ist der<br />
Einsatz im klassischen Sondermaschinenbau,<br />
da dort die speziellen<br />
Fähigkeiten der Programmiersprache<br />
der Robotersteuerung benötigt<br />
und genutzt werden.<br />
Epson, Volker Spanier: Die ‚offene‘ Robotersteuerung<br />
eignet sich sicherlich<br />
für fast alle existierenden Anwendungen,<br />
sofern entsprechende<br />
Kinematiken verfügbar sind. Es ist<br />
zwar möglich, dass einzelne hochspezielle<br />
Aufgaben mit Hilfe externer<br />
Lösungen ebenfalls gut adressierbar<br />
sind, eine Kombination verschiedener,<br />
nicht zueinander passender<br />
Systeme ist jedoch selbst eine<br />
potenzielle Schwachstelle und<br />
daher empfehlen wir auch in diesem<br />
Fall die Herstellerlösung der<br />
Links: Stäubli-Steuerung CS8C<br />
Rechts: Manfred Hübschmann,<br />
Geschäftsführer<br />
Stäubli Robotics Deutschland.<br />
Bilder: Stäubli<br />
Kinematik zu nutzen. Eine weitere<br />
Möglichkeit bietet die Verwendung<br />
spezieller Middleware wie beispielsweise<br />
‚LabView‘, um sehr spezielle<br />
Anforderungen mit einem<br />
Roboter angehen zu können. Hier<br />
wird für Epson-Roboter in Kürze eine<br />
Möglichkeit vorliegen.<br />
Bislang sind die hauseigenen<br />
Steuerungen eines der wichtigsten<br />
Unterscheidungsmerkmale<br />
der Roboterhersteller untereinander.<br />
Wenn die Steuerungen<br />
offengelegt werden: Wie wirkt<br />
sich das auf das künftige Geschäft<br />
und die Strategie Ihres<br />
Hauses aus?<br />
Kuka, Franz Groll: Offen gelegt werden<br />
stets nur Hard- und Softwareschnittstellen<br />
und nicht die eigentliche<br />
Implementierung, in der das<br />
Firmen Know-how und die Qualität<br />
verankert ist. Standardisierte Programmiersprachen<br />
wie die<br />
IEC61131 für die SPS oder der G-<br />
Code nach DIN/ISO bei Werkzeugmaschinen<br />
sind über Jahrzehnte<br />
gewachsen und stellen somit einen<br />
sehr umfangreichen und gebrauchstüchtigen<br />
Sprachschatz dar.<br />
Die Tendenz zum übergreifenden<br />
Sprachgebrauch auch in der Roboterprogrammierung<br />
ist durchaus<br />
ersichtlich. Wer hier als Roboterhersteller<br />
den Weg zu mehr Offenheit<br />
sucht, wird meines Erachtens<br />
zukünftig wegbestimmend sein. Im<br />
Gegensatz dazu wird proprietärer<br />
Sprachgebrauch immer mehr ein<br />
Inseldasein führen! Branchen- und<br />
applikationsübergreifend gibt es für<br />
mich nur den offenen Weg, den Robotersteuerungen<br />
in der Zukunft<br />
gehen müssen.<br />
Stäubli, Manfred Hübschmann: UniVal<br />
ist als Erleichterung der Einsatzmöglichkeiten<br />
eines Robotersystems<br />
für den Maschinenbauer zu<br />
betrachten und stellt für den Bediener<br />
eine deutliche Vereinfachung<br />
im Umgang mit der Maschine dar.<br />
Damit wird auf beiden Seiten die<br />
Hemmschwelle für den Einsatz eines<br />
Industrieroboters heruntergesetzt,<br />
wodurch wir uns eine zusätzliche<br />
positive Auswirkung auf<br />
unser Geschäft erwarten. LLI ist<br />
als Erweiterung der Möglichkeiten<br />
für den Einsatz eines Robotersystemes<br />
zu betrachten und wirkt<br />
sich aufgrund der Komplexität<br />
kaum auf unser Geschäft und die<br />
Strategie aus.<br />
Epson, Volker Spanier: Die offene<br />
Herstellersteuerung ist für uns unabdingbar,<br />
da sie den besten Nutzen<br />
für unsere Kunden bietet. Die<br />
Verwendung fremder Steuerungen<br />
wird durch Epson zur Zeit nicht<br />
unterstützt.