BA Deckblatt; Inhaltsverzeichnis doc - Proraer Bausoldaten
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2.3 Bedarf eines Ersatzdienstes nach Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht<br />
Im März 1962 fanden die Musterungen der ersten Wehrpflichtigenjahrgänge zum Dienst in<br />
der Nationalen Volksarmee statt. Völlig unerwartet für die militärische Führung verweigerten<br />
einige der gemusterten Wehrpflichtigen ihren Wehrdienst. Das Wehrpflichtgesetz beinhaltete<br />
eine solche Möglichkeit gar nicht, nur das gleichzeitig erlassene Militärstrafgesetz sah für die<br />
Weigerung der Ableistung des Wehrdienstes eine (nicht näher definierte) Gefängnisstrafe<br />
vor. 31<br />
Am 13.04.1962 trat daraufhin die Leitung des Ministeriums für Nationale Verteidigung<br />
(MfNV) zu einer Lagebesprechung zusammen. Man bekam dort die Mitteilung über 60<br />
Verweigerungen hinsichtlich des Ablegen des Eides. Über die Hintergründe weiterer<br />
Verweigerungen bezüglich religiöser Motive bestand Unklarheit. Ohne genauen Überblick<br />
über die Lage beschloss man zunächst die Verweigerer zu inhaftieren. 32 Auf einer zweiten<br />
Lagebesprechung am 25.05.1962 standen die genauen Zahlen fest: 231 Personen hatten bei<br />
der Musterung angegeben ihrer Wehrpflicht nicht nach zu kommen. Von diesen wollten dies<br />
152 Personen unter Angabe religiöser Gründe tun. Die Militärleitungen waren nicht<br />
vorbereitet, was mit den Verweigerern tatsächlich geschehen sollte. Um größeres Aufsehen zu<br />
vermeiden erhielten, von den 231 Verweigern zunächst nur 42 einen Einberufungsbefehl. Von<br />
diesen leisteten anschließend acht dem Befehl Folge, vier begingen Republikflucht und 22<br />
wurden zugeführt. 33 Mit der größeren Zahl der Verweigerer verfuhr man stillschweigend und<br />
stellte sie zunächst vom Wehrdienst zurück – indem sie einfach keinen Einberufungsbescheid<br />
erhielten.<br />
Zur zweiten Musterung im September 1962 verweigerten 287 Wehrpflichtige ihren Dienst.<br />
Nun wurde im Auftrag des MfNV eine genauere Liste der Gründe erstellt: Von den 287<br />
Wehrpflichtigen verweigerten 253 aus religiösen Gründen, 17 waren bereits<br />
Wehrdienstverweigerer in Westdeutschland, fünf gaben pazifistische Gründe an, drei gaben an<br />
nicht auf Menschen schießen zu wollen, dreien war die Besoldung als Soldat zu gering, einer<br />
war bereits in der Bundesmarine gewesen, einer war Übersiedler aus Westdeutschland, einer<br />
sah im Militärdienst mögliche Nachteile für seinen Beruf, einer wollte nicht als<br />
Kriegsverbrecher verurteilt werden können und einer gab an die DDR nicht verteidigen zu<br />
wollen. 34 Großteile der Verweigerer waren entweder evangelische Christen oder Zeugen<br />
Jehovas. Mitglieder der Zeugen Jehovas waren diejenigen unter den Wehrdienstverweigerern,<br />
31 Vgl.: § 7 Militärstrafgesetz, 24.01.62; Auszug in: Koch/Eschler, Dokument 2.<br />
32 Vgl.: Schicketanz, Entstehungsgeschichte, S. 25.<br />
33 Was mit restlichen acht Verweigerern geschehen ist, konnte bisher nicht geklärt werden.<br />
34 <strong>BA</strong>-MA VA – 01/19096 bl. 162, in: Schicketanz, Entstehungsgeschichte, S. 26.<br />
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