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impact November 2013 herunterladen [PDF] - Publisuisse SA

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Interview mit David Perry<br />

Interview mit David Perry<br />

Platon sagte, Emotionen hemmten das Denken.<br />

Was halten Sie von dieser Aussage?<br />

Ich bin einverstanden, dass das Kontrollieren von Gefühlen<br />

und Emotionen essenziell für intellektuelle<br />

Aktivität ist. Emotionen sind die Filter in Evaluations-<br />

und Entscheidungsprozessen. Sie können aber<br />

auch beim klaren Denken hemmen. In der Kunst<br />

sind Emotionen unabdingbar. Die berühmtesten kreativen<br />

Menschen in der Geschichte waren extrem<br />

emotional: Sie begingen Selbstmord, schnitten sich<br />

die Ohren ab, erschossen ihre Rivalen oder starben<br />

an einer Überdosis Drogen. Beim rationalen Denken<br />

hingegen, wie es für wissenschaftliche Forschung<br />

oder das Regieren eines Landes erforderlich ist, gibt<br />

es nur wenig Spielraum für Emotionen. Denn hier<br />

können diese zum Missachten von Fakten und Details<br />

führen. Keine Frage: Ich möchte lieber keinen<br />

emotionalen Polizisten, Arzt oder Anwalt. Mir ist es<br />

lieber, wenn die von logischem und rationalem Denken<br />

geleitet werden.<br />

«Wer etwas Wichtiges<br />

zu sagen hat, braucht<br />

nicht so laut zu rufen.»<br />

Welche Rollen spielen Emotionen in der Werbung?<br />

Nach konventioneller Auffassung gibt es zwei Arten<br />

von Werbung: emotionale und rationale. Gemäss dieser<br />

Auffassung wirbt man rational, wenn man eine<br />

Geschichte zu erzählen hat: wenn ein Produkt überlegen<br />

oder billiger ist, wenn es eine innovative Verpackung<br />

hat oder schonender im Verbrauch ist. Wenn<br />

aber wie bei Modeartikeln und Soft Drinks mehrere<br />

Produkte vergleichbar sind und es keine funktionalen<br />

Argumente gibt, wählt man meist einen emotionalen<br />

Zugang. Frei nach dem Motto: Wenn du eine<br />

Story zu erzählen hast, dann tu es. Wenn nicht, setze<br />

auf Emotionen. Fachleute werden dem entgegenhalten,<br />

dass jede Werbung eine Kombination von rationalen<br />

und emotionalen Elementen ist. Mag sein –<br />

aber ein Grossteil von Werbungen setzt entweder zu<br />

90 Prozent auf Emotion oder zu 90 Prozent auf Ratio.<br />

Sind Werbeformen, die bei den Rezipienten Emotionen<br />

auslösen, wirksamer?<br />

Am wirksamsten ist Werbung, wenn die rationale<br />

und die emotionale Seite zusammenspielen. Nehmen<br />

wir zum Beispiel die Werbung des Waschmittels<br />

«Tide». Saatchi & Saatchi betreut dieses Mandat in<br />

den U<strong>SA</strong> seit vielen Jahren und baute lange auf rein<br />

rationale Argumente, indem in Konkurrenz-Demos<br />

gezeigt wurde, wie gut «Tide» Schmutz und Flecken<br />

entfernt. In den letzten Jahren war der Approach in<br />

der Werbung dann viel emotionaler, weil die Glaubwürdigkeit<br />

der Wirkung des Waschmittels etabliert<br />

ist. Ein berühmter TV-Spot an der Super Bowl 2008<br />

zeigte einen jungen Mann in einem Bewerbungsgespräch<br />

mit einem Fleck auf<br />

seinem Hemd. Der Fleck sprach immer<br />

gleichzeitig mit dem Bewerber – und<br />

übertönte ihn. Der Spot setzte nur auf<br />

Emotion: Angst, den Job nicht zu bekommen,<br />

Sympathie für den armen Kerl und<br />

Situationskomik. Die rationale Seite<br />

schwang nur mit. Das konnte man sich<br />

erlauben, weil man die überlegenen Reinigungsfähigkeiten<br />

des Produkts über<br />

Jahre etabliert hatte.<br />

Die Medien sind durch die Digitalisierung<br />

stark im Umbruch – welchen Einfluss hat das<br />

auf die Werbung?<br />

Die populäre TV-Serie «Mad Men», die ja auch auf den<br />

Sendern der SRG zu sehen ist, spielt in den sehr kreativen<br />

Sechzigerjahren in New York. Die Digitalisierung<br />

hat die Werber von «Mad Men» zu «Math Men»<br />

gemacht. Kreativität geriet gegenüber Datentracking<br />

und -analysen in den Hintergrund. Lee<br />

Clow, Aufsichtsratsvorsitzender und globaler Direktor<br />

von TBWA/Worldwide, sagte dieses Jahr in Cannes,<br />

dass die digitale Revolution bis jetzt von Technologen<br />

geprägt worden sei, dass der Lead jetzt aber an Künstler<br />

und Kreative gehen müsse. Bei der Preisvergabe in<br />

Cannes war dieses Jahr das Kriterium wichtiger, in<br />

wie vielen Vektoren eine Idee platziert werden konnte<br />

als wie kreativ die Idee tatsächlich war und wie<br />

gut sie in den einzelnen Medien funktionierte. Auf<br />

Facebook präsent zu sein, schien wichtiger als die<br />

Frage, wie man dort auftritt. Die Quantität<br />

stand über der Qualität. Aber einige<br />

brillante Ideen funktionieren nicht<br />

überall. Und wenn man sie in Vektoren<br />

prügelt, wo sie nicht hingehören, kann<br />

das die ganze Kampagne untergraben.<br />

Das Wissen, welche Botschaften und<br />

Ideen sich für welche Vektoren eignen,<br />

ist doch die Basis integrierter<br />

Kommunikation?<br />

In den U<strong>SA</strong> ist David Droga der neue<br />

Shooting Star unter den Werbern. Sein<br />

Erfolgsgeheimnis liegt nicht nur darin,<br />

dass er ein brillanter kreativer Geist<br />

ist – er weiss auch sehr genau, wie weit<br />

er mit einer Idee gehen kann und<br />

wann er stoppen muss. Alle grossen Kreativen wissen,<br />

wie weit sie mit ihrer Kunst gehen können, bevor<br />

sie sich aufzulösen beginnt. Es wäre spannend, ein<br />

paar bekannte Werbekonzepte von vor 20 Jahren zu<br />

nehmen und zu schauen, wie gut man sie in integrierte<br />

Kampagnen mit traditionellen und digitalen<br />

Medien sowie Social Media übersetzen könnte. Heutige<br />

Werbung wird oft für ganz kurze Zeiträume konzipiert.<br />

Früher dagegen sprachen wir von Markenbildung<br />

als einem langjährigen Prozess, während man<br />

eine Marke wichtig für das Leben der Konsumenten<br />

machen wollte. Wir schauten damals fünf oder zehn<br />

Jahre in die Zukunft – heute schaut man nicht weiter<br />

als bis übermorgen. Es gibt kaum mehr Langzeit-Markeninvestments<br />

wie früher. Auch das ist eine Folge<br />

der Digitalisierung.<br />

Das bewegte Bild gewinnt durch die Digitalisierung<br />

zunehmend an Bedeutung – fast überall und<br />

jederzeit sind Filmchen abrufbar: auf Smartphones,<br />

Tablets, Informations-Screens, im Internet<br />

und auf dem Fernseher. Was bedeutet das für die<br />

Werbung?<br />

Es ist eine grosse Chance. In den letzten 15 Jahren hat<br />

man mir als jemandem, der für TV-Spots verantwortlich<br />

ist, ununterbrochen erzählt, meine Zeit sei vorbei.<br />

Immer weniger Menschen würden TV schauen<br />

und Kinder erst recht nicht mehr – TV stehe vor dem<br />

«Beim Einsetzen<br />

von Emotionen in der<br />

Werbung müssen wir<br />

kreativer werden.»<br />

Niedergang. Aber der Grund dafür, dass die digitale<br />

Revolution das Medium TV nicht verdrängt hat, liegt<br />

darin, dass TV und Video emotionale Kommunikation<br />

viel besser transportieren können als die neuen<br />

Medien. Ich habe noch nie eine Website gesehen, die<br />

Emotionen in mir auslöste – ausser dem Ärger über<br />

die lange Ladezeit oder die vielen störenden Pop-ups.<br />

Ich bin noch keiner Mobile-App begegnet, die mich<br />

zu Tränen rührte. TV und Video dagegen rufen bei<br />

mir regelmässig Emotionen hervor. Genau deshalb<br />

funktioniert auch Video im Web. In Tat und Wahrheit<br />

will das Web bloss TV mit besserer Funktionalität<br />

und Portabilität sein. Was die Leute unabhängig<br />

von ihrem Aufenthaltsort und in hoher Videoqualität<br />

sehen wollen, ist noch immer TV-Content. TV ist<br />

alles andere als tot: TV ist grösser denn je. Und mit<br />

der Unterstützung der digitalen Medien sind TV und<br />

Video die Zukunft der Werbung. Aber wie Lee Clow<br />

sagte: Wenn die digitalen Medien ihr Potenzial ausschöpfen<br />

wollen, müssen sie die Künstler einbeziehen.<br />

16 <strong>impact</strong> 3 | <strong>November</strong> <strong>2013</strong> <strong>impact</strong> 3 | <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

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