Restaurator im Handwerk â Ausgabe 2/2009 - Kramp & Kramp
Restaurator im Handwerk â Ausgabe 2/2009 - Kramp & Kramp
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Bearbeitung der<br />
Bacchussaaltür<br />
des Rahmens und die Furnierbilder der Füllungen<br />
(Kreuzfuge) abgelöst, gleichmäßig gekürzt und wieder<br />
neu zusammengebaut wurden bzw. Furnier aufgerieben<br />
wurde. Die ausgewogene Optik der Türen<br />
konnte somit gut erhalten werden.<br />
Ein gesonderter Punkt war die Rekonstruktion<br />
und Wiederherstellung des historischen Windfanges<br />
<strong>im</strong> ehemaligen Eingangsbereich. Die Konstruktion<br />
als hölzerner Kasten mit Decke von ca. 3000 mm x<br />
3000 mm x 2800 mm war ursprünglich mit geprägten<br />
Leder bezogen und mit 4 zweiflügligen Pendeltüren<br />
versehen. Krieg und Nachkriegszeit hatten von der<br />
Lederbespannung nur noch Fetzen hinterlassen, die<br />
an sich solide Holzkonstruktion hatte deutlich gelitten.<br />
Neben der geplanten Rekonstruktion der Türen<br />
und Seitenteile sollte der Deckel verändert und zur<br />
Aufnahme von Antriebstechnik umgebaut werden.<br />
Mitten in der Bauphase wurde das Konzept geändert.<br />
Nun sollte der historische Deckel entfallen,<br />
dafür ein neuer bronzener Metalldeckel konstruiert<br />
und gefertigt werden, um die Revisionierbarkeit der<br />
umfangreichen Technik zu vereinfachen.<br />
Natürlich musste auch dafür von uns umfangreichste<br />
Planung erstellt, die verschiedenen Produkte<br />
der Antriebs-, Beleuchtungs- und Sicherheitstechnik<br />
auf ihre Verwendbarkeit geprüft, dann koordiniert<br />
und deren Technik an den historischen Bestand angepasst<br />
werden. Darin eingeschlossen waren natürlich<br />
auch wieder die statischen Berechnungen und Nachweise,<br />
da sich ja alles <strong>im</strong> Über-Kopfbereich abspielte.<br />
Leider konnten die Pendeltürblätter nicht erhalten<br />
werden, weil sie stark verzogen waren. Ein einwandfreies<br />
Funktionieren der automatischen Türantriebe<br />
war so nicht zu gewährleisten.<br />
Im Rahmen der Rekonstruktion ist der gesamte<br />
Kasten wieder mit gefärbten Rindsleder bezogen<br />
wurden. Zuvor konnte, unter Zuhilfenahme einer<br />
eigens dafür hergestellten Metallmatrize, in der Fur-<br />
nierpresse die historische Prägung wieder eingebracht<br />
werden. Der geschilderte Pressvorgang gelang nicht<br />
auf Anhieb, erst in einigen Versuchen ergab sich das<br />
rechte Zusammenspiel von Druck, Temperatur und<br />
Pressdauer.<br />
Mit wiedergewonnenen gereinigten sowie mit neuen<br />
Polsternägeln ist das Leder dann in mehrwöchiger<br />
Arbeit aufgebracht worden. Dabei konnte anhand der<br />
Nagellöcher das historische Nagelbild „dechiffriert“<br />
und wieder entsprechend umgesetzt werden.<br />
Resümierend bleibt zu sagen, dass die Arbeiten am<br />
Neuen Museum Berlin für uns aus vielerlei Hinsicht<br />
eine Zäsur darstellten. Da war zuerst die relativ „tief“<br />
gehende Ausschreibung, welche in der Kürze der zur<br />
Verfügung stehenden Zeit gar nicht unter Würdigung<br />
aller Darstellungen bewertet werden konnte, manches<br />
blieb einfach nur zu schätzen - sicherlich einer<br />
der Faktoren für die recht hohe Zahl von Nachträgen,<br />
welche in der Gesamtauftragssumme nicht unerheblich<br />
zu Buche schlugen. Eine weitere Herausforderung<br />
war, wie anfangs kurz angedeutet, die Anforderung an<br />
unsere Planung. Diese Maßstäbe gingen weit über das<br />
hinaus, was von handwerklich arbeitenden<br />
Betrieben normalerweise abgefordert<br />
wird, und hatten ingenieurmäßige<br />
Qualität. Nicht zuletzt auch deshalb,<br />
weil gewerkefremde Leistungen (Statik,<br />
Elektrotechnik, Antriebstechnik etc.)<br />
verstanden und vollverantwortlich eingebunden<br />
werden mussten.<br />
Wie mittlerweile bei fast jeder Baustelle<br />
üblich gab es natürlich die Überschneidungen<br />
und die offenbar unausweichliche<br />
Hektik zum Ende der<br />
Baumaßnahme.<br />
Ein echtes Hemmnis der Arbeiten<br />
stellte die geradezu überbordende Bürokratie<br />
dar, welche über die Ausführenden<br />
ungebremst hereinbrach. Sie zu bewältigen,<br />
erforderte einen extrem hohen,<br />
vorher völlig unkalkulierbaren Aufwand<br />
an Zeit, die besser zur Lösung der vielen<br />
kleinen und großen fachlichen Probleme<br />
hätte eingesetzt werden können.<br />
So gibt es zum Beispiel das Kuriosum, dass Nachträge<br />
aus dem Jahr 2006 <strong>im</strong>mer noch in der Prüfung<br />
sind, die entsprechenden Leistungen jedoch längst<br />
ausgeführt und abgenommen und für sie die Schlussrechnungen<br />
längst gestellt sind. Verwunderlich auch,<br />
dass von uns eine komplizierte und umfangreiche<br />
Produktdokumentation gefordert wurde, eine restauratorische<br />
dagegen offensichtlich niemanden interessierte.<br />
(Fotos: Dirk Meier)<br />
Dirk Meier<br />
ist Tischlermeister, geprüfter <strong>Restaurator</strong> <strong>im</strong> <strong>Handwerk</strong><br />
und Betriebswirt <strong>im</strong> <strong>Handwerk</strong>.<br />
E-Mail: d.meier@tischlerbetrieb-meier.de<br />
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<strong>Restaurator</strong> <strong>im</strong> <strong>Handwerk</strong> – <strong>Ausgabe</strong> 2/<strong>2009</strong>