10.06.2014 Aufrufe

Restaurator im Handwerk – Ausgabe 2/2009 - Kramp & Kramp

Restaurator im Handwerk – Ausgabe 2/2009 - Kramp & Kramp

Restaurator im Handwerk – Ausgabe 2/2009 - Kramp & Kramp

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Bearbeitung der<br />

Bacchussaaltür<br />

des Rahmens und die Furnierbilder der Füllungen<br />

(Kreuzfuge) abgelöst, gleichmäßig gekürzt und wieder<br />

neu zusammengebaut wurden bzw. Furnier aufgerieben<br />

wurde. Die ausgewogene Optik der Türen<br />

konnte somit gut erhalten werden.<br />

Ein gesonderter Punkt war die Rekonstruktion<br />

und Wiederherstellung des historischen Windfanges<br />

<strong>im</strong> ehemaligen Eingangsbereich. Die Konstruktion<br />

als hölzerner Kasten mit Decke von ca. 3000 mm x<br />

3000 mm x 2800 mm war ursprünglich mit geprägten<br />

Leder bezogen und mit 4 zweiflügligen Pendeltüren<br />

versehen. Krieg und Nachkriegszeit hatten von der<br />

Lederbespannung nur noch Fetzen hinterlassen, die<br />

an sich solide Holzkonstruktion hatte deutlich gelitten.<br />

Neben der geplanten Rekonstruktion der Türen<br />

und Seitenteile sollte der Deckel verändert und zur<br />

Aufnahme von Antriebstechnik umgebaut werden.<br />

Mitten in der Bauphase wurde das Konzept geändert.<br />

Nun sollte der historische Deckel entfallen,<br />

dafür ein neuer bronzener Metalldeckel konstruiert<br />

und gefertigt werden, um die Revisionierbarkeit der<br />

umfangreichen Technik zu vereinfachen.<br />

Natürlich musste auch dafür von uns umfangreichste<br />

Planung erstellt, die verschiedenen Produkte<br />

der Antriebs-, Beleuchtungs- und Sicherheitstechnik<br />

auf ihre Verwendbarkeit geprüft, dann koordiniert<br />

und deren Technik an den historischen Bestand angepasst<br />

werden. Darin eingeschlossen waren natürlich<br />

auch wieder die statischen Berechnungen und Nachweise,<br />

da sich ja alles <strong>im</strong> Über-Kopfbereich abspielte.<br />

Leider konnten die Pendeltürblätter nicht erhalten<br />

werden, weil sie stark verzogen waren. Ein einwandfreies<br />

Funktionieren der automatischen Türantriebe<br />

war so nicht zu gewährleisten.<br />

Im Rahmen der Rekonstruktion ist der gesamte<br />

Kasten wieder mit gefärbten Rindsleder bezogen<br />

wurden. Zuvor konnte, unter Zuhilfenahme einer<br />

eigens dafür hergestellten Metallmatrize, in der Fur-<br />

nierpresse die historische Prägung wieder eingebracht<br />

werden. Der geschilderte Pressvorgang gelang nicht<br />

auf Anhieb, erst in einigen Versuchen ergab sich das<br />

rechte Zusammenspiel von Druck, Temperatur und<br />

Pressdauer.<br />

Mit wiedergewonnenen gereinigten sowie mit neuen<br />

Polsternägeln ist das Leder dann in mehrwöchiger<br />

Arbeit aufgebracht worden. Dabei konnte anhand der<br />

Nagellöcher das historische Nagelbild „dechiffriert“<br />

und wieder entsprechend umgesetzt werden.<br />

Resümierend bleibt zu sagen, dass die Arbeiten am<br />

Neuen Museum Berlin für uns aus vielerlei Hinsicht<br />

eine Zäsur darstellten. Da war zuerst die relativ „tief“<br />

gehende Ausschreibung, welche in der Kürze der zur<br />

Verfügung stehenden Zeit gar nicht unter Würdigung<br />

aller Darstellungen bewertet werden konnte, manches<br />

blieb einfach nur zu schätzen - sicherlich einer<br />

der Faktoren für die recht hohe Zahl von Nachträgen,<br />

welche in der Gesamtauftragssumme nicht unerheblich<br />

zu Buche schlugen. Eine weitere Herausforderung<br />

war, wie anfangs kurz angedeutet, die Anforderung an<br />

unsere Planung. Diese Maßstäbe gingen weit über das<br />

hinaus, was von handwerklich arbeitenden<br />

Betrieben normalerweise abgefordert<br />

wird, und hatten ingenieurmäßige<br />

Qualität. Nicht zuletzt auch deshalb,<br />

weil gewerkefremde Leistungen (Statik,<br />

Elektrotechnik, Antriebstechnik etc.)<br />

verstanden und vollverantwortlich eingebunden<br />

werden mussten.<br />

Wie mittlerweile bei fast jeder Baustelle<br />

üblich gab es natürlich die Überschneidungen<br />

und die offenbar unausweichliche<br />

Hektik zum Ende der<br />

Baumaßnahme.<br />

Ein echtes Hemmnis der Arbeiten<br />

stellte die geradezu überbordende Bürokratie<br />

dar, welche über die Ausführenden<br />

ungebremst hereinbrach. Sie zu bewältigen,<br />

erforderte einen extrem hohen,<br />

vorher völlig unkalkulierbaren Aufwand<br />

an Zeit, die besser zur Lösung der vielen<br />

kleinen und großen fachlichen Probleme<br />

hätte eingesetzt werden können.<br />

So gibt es zum Beispiel das Kuriosum, dass Nachträge<br />

aus dem Jahr 2006 <strong>im</strong>mer noch in der Prüfung<br />

sind, die entsprechenden Leistungen jedoch längst<br />

ausgeführt und abgenommen und für sie die Schlussrechnungen<br />

längst gestellt sind. Verwunderlich auch,<br />

dass von uns eine komplizierte und umfangreiche<br />

Produktdokumentation gefordert wurde, eine restauratorische<br />

dagegen offensichtlich niemanden interessierte.<br />

(Fotos: Dirk Meier)<br />

Dirk Meier<br />

ist Tischlermeister, geprüfter <strong>Restaurator</strong> <strong>im</strong> <strong>Handwerk</strong><br />

und Betriebswirt <strong>im</strong> <strong>Handwerk</strong>.<br />

E-Mail: d.meier@tischlerbetrieb-meier.de<br />

10<br />

<strong>Restaurator</strong> <strong>im</strong> <strong>Handwerk</strong> – <strong>Ausgabe</strong> 2/<strong>2009</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!