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Restaurator im Handwerk – Ausgabe 2/2009 - Kramp & Kramp

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Interview<br />

Das preußische Pompeji<br />

Interview mit Eva Schad, Martin Reichert<br />

und Anke Fritzsch zum Neuen Museum<br />

Treppenhaus des<br />

Neuen Museums<br />

um 1850<br />

(Stahlstich)<br />

Eva Schad und Martin Reichert sind Architekten und<br />

directors <strong>im</strong> Büro David Chipperfield architects; sie<br />

waren als Projektleiter für das Neue Museum zuständig.<br />

Anke Fritzsch ist Architektin und associate <strong>im</strong> Büro<br />

David Chipperfiled architects, am Neuen Museum hatte<br />

sie die Teamleitung „Restaurierung“.<br />

RIH: Sie haben ein Gebäude vorgefunden, das<br />

nicht nur durch den Krieg zerstört war, sondern auch<br />

durch Umbaumaßnahmen, durch Vernachlässigung,<br />

mit einem sehr viel schichtigen Zerstörungsgrad. Wie<br />

geht man an ein solchen Bau heran, wie ent wickelt<br />

man da ein Konzept?<br />

Martin Reichert: Eine der zentralen Aussagen unseres<br />

Beitrags zum Wettbewerb war, dass der Wiederaufbau<br />

der Ruine des Neuen Museums nicht vorrangig<br />

ein Architekturprojekt sein kann, sondern zu<br />

allererst ein Denkmal pflege projekt sein sollte und dass<br />

der Umgang mit dem Denkmalbestand den Maßgaben<br />

einer seriösen Restaurierung unterliegt, ohne dass<br />

es <strong>im</strong> Detail schon ganz konkrete Überlegungen zur<br />

Wertung einzelner Denkmal schichten gegeben hätte.<br />

Es ging uns also ganz ausdrücklich nicht darum,<br />

das Über kommene als Ausgangspunkt für eine tiefgreifende<br />

Neu interpretation zu nutzen – was ja die<br />

meisten anderen Architekten <strong>im</strong> Wettbewerb getan<br />

hatten.<br />

Von Seiten des Landes denkmalamtes lag ja weder<br />

<strong>im</strong> Vorfeld des Wettbewerbs noch danach eine klassische<br />

„denkmalpflegerische Zielstellung“ vor, son dern<br />

es gab lediglich ein von Prof. Wolfgang Wolters initiiertes<br />

Gutachten, das sogenannte „Denkmal pflegerisches<br />

Plädoyer zur ergänzenden Wieder herstellung“,<br />

dessen Verbindlichkeit für die weitere Planung jedoch<br />

nicht geklärt war. In der Vor planung haben wir zusammen<br />

mit unserem Restaurierungsberater Julian<br />

Harrap mit dem „Denkmalpflegerischen Leitfaden“<br />

und der „Restaurierungsstrategie“ zwei Doku mente<br />

erarbeitet, in dem alle Bauteile Raum für Raum, die<br />

Fassaden usw., beschrieben, erfasst und in Bezug auf<br />

den Denkmalwert analysiert wurden, also das, was<br />

man üblicherweise bei einem hochrangigen Bau denkmal<br />

macht. Auf der Basis einer detaillierten Bestandsund<br />

Schadenskartierung wurden dann in der Entwurfsplanung<br />

allmäh lich die ersten Überle gungen zu<br />

konkreten pla ne rischen Maßnahmen entwickelt.<br />

Wir wollten uns nicht retrospektiv auf den bauzeitlichen<br />

Zustand beziehen, sondern haben die greif- und<br />

Treppenhaus <strong>im</strong> März <strong>2009</strong>, (Foto: Lenie Beutler)<br />

sichtbar vorhandene Sub stanz zum Ausgangspunkt all<br />

unserer Überlegungen gemacht. Das heißt nun nicht,<br />

dass wir <strong>im</strong> Ein zelfall nicht auch Korrekturen gemacht<br />

hätten. z. B. haben wir teilweise Hochbausicherungen<br />

aus den 1980er Jahren wieder zurückgebaut, weil sie<br />

nicht material- und werktechnikgerecht waren. Im<br />

Einzelfall wurden sogar Eingriffe aus Umbauphasen<br />

vor 1939 ganz revidiert oder doch stark unter drückt.<br />

Der Wiederaufbau der Apsis <strong>im</strong> Griechischen Hof<br />

ist ein solches Beispiel, weil dieser Bauteil strukturell<br />

so wichtig für die Bauzeit und die Idee des Hauses<br />

ist. Diese Entscheidungen waren stets Ergebnis eines<br />

differen zierten Abwägungsprozesses und folgten keiner<br />

schematischen Doktrin.<br />

Eva Schad: Es ist wichtig, dass es keine vorangestellten<br />

kategorischen Richtlinien gab, nach denen<br />

wir gearbeitet haben, sondern wir haben uns in<br />

einem sehr langen Planungsprozess Raum für Raum<br />

und Stufe für Stufe <strong>im</strong>mer tiefer den Fragen gestellt<br />

und die passenden Antworten gesucht. In den ersten<br />

Phasen wurden grundsätzliche Über legungen für die<br />

Räume formuliert, seien sie <strong>im</strong> Ruinenzustand oder<br />

fast vollständig erhalten. Für solche Räume mussten<br />

grund sätzlich unterschiedliche Heran gehensweisen<br />

gefunden werden. Davon ausgehend und <strong>im</strong>mer wieder<br />

vertiefend bricht sich das in den Planungsphasen<br />

runter auf die Einzel entscheidungen zu einer Basis,<br />

einer Säule, einem Kapitell. Man hätte in der ersten<br />

Pla nungsphase manche Fragen gar nicht beant worten<br />

können. Das musste erst wachsen.<br />

Martin Reichert: Diese differenzierte Herangehens<br />

weise ist sicher die stärkste konzep tionelle<br />

Aussage. Wir haben uns von Anfang an sehr bewusst<br />

dazu bekannt, dass wir raum weise entscheiden und<br />

dann diese Einzel entscheidungen und Einzelraumkonzepte<br />

<strong>im</strong>mer wieder unter dem Gesichtspunkt<br />

betrachten, inwieweit sie <strong>im</strong> Gesamt zusammen hang<br />

noch koherent sind.<br />

38<br />

<strong>Restaurator</strong> <strong>im</strong> <strong>Handwerk</strong> – <strong>Ausgabe</strong> 2/<strong>2009</strong>

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