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Restaurator im Handwerk – Ausgabe 2/2009 - Kramp & Kramp

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Buchbesprechung<br />

Uni v. Pr o f. Dr. In g . Jo h a n n e s Cr a m e r<br />

TU Be r l i n, Ba u - u n d St a d t b a u g e s c h i c h t e<br />

Nur wenige Bauprojekte der Nachwendezeit haben<br />

in Berlin eine so heftige und so andauernde Kontroverse<br />

ausgelöst wie die Restaurierung und der Wiederaufbau<br />

des Neuen Museums von Friedrich August<br />

Stüler (1843-1859) und nunmehr David Chipperfield<br />

(1999-<strong>2009</strong>). Der aufwändig ausgestattete und schön<br />

organisierte Band dokumentiert zwar nicht den Konflikt,<br />

liefert aber alle Unterlagen, aus denen dieser sich<br />

erklärt. Viele der zahllosen Beteiligten berichten minutiös<br />

aus dem Baugeschehen und von der Suche nach<br />

der richtigen Lösung. Architekt, Bauherr, Ingenieure<br />

und <strong>Restaurator</strong>en kommen zu Wort. Nur die <strong>Handwerk</strong>er<br />

fehlen.<br />

Stülers Aufgabe bestand darin, dem zu klein gewordenen<br />

Alten Museum von Schinkel einen modernen<br />

Erweiterungsbau anzufügen. Hier sollten in<br />

Stilräumen und einem Ambiente, welches die Exponate<br />

unterschiedlicher Epochen erklärend unterstützte,<br />

neue Funde zugänglich gemacht werden. Dazu<br />

nutzte Stüler die neueste Technik und setzte sie ein<br />

<strong>im</strong> modernsten Geschmack seiner Zeit. Der Zweite<br />

Weltkrieg hat das hochberühmte und natürlich auch<br />

veränderte Gebäude schwer beschädigt zurückgelassen;<br />

die DDR hatte nicht die Mittel und auch nicht<br />

den Willen, die Ruine nach dem Ende des Kriegs zu<br />

sichern, so dass vieles von dem, was man 1945 noch<br />

hätte retten können, 1989 unwiederbringlich verloren<br />

war. Dieses Fragment hat eine fruchtbare und heftige<br />

Diskussion um den richtigen Umgang mit Denkmälern<br />

angeregt, die gerade in Berlin besonders nötig<br />

war, weil die Rekonstrukteure des Verlorenen so<br />

scheinbar mühelos die Oberhand gewonnen haben,<br />

dass man meinen könnte, Berlin sei eine völlig rückwärts<br />

gewandte Stadt. Das Neue Museum belehrt uns<br />

eines Besseren. Im Gegensatz zu den Ewiggestrigen<br />

beruht das in einem langen, hier nicht referierten,<br />

aber <strong>im</strong> Buch nachzulesenden Entscheidungsprozess<br />

gefundene Konzept für die Wiederherstellung darauf,<br />

dass das Alte konsequent respektiert und am besten<br />

nur konserviert wird, während das Neue ganz <strong>im</strong> Sinne<br />

Stülers den Stand der technischen und gestalterischen<br />

Möglichkeiten der Zeit zeigen soll. So gehen<br />

das Historische und das Gegenwärtige eine großartige<br />

Verbindung ein. Das mag man unter Geschmacksgesichtspunkten<br />

unterschiedlich beurteilen. Unter dem<br />

Brennglas des Methodischen ist der Vorgang aber<br />

nahezu ein Wunder. Ein Architekt n<strong>im</strong>mt sich vor,<br />

das Alte zu respektieren und zum Maßstab des Neuen<br />

zu machen. Jeder Schritt wird bis in die Einzelheiten<br />

überlegt, abgest<strong>im</strong>mt, geplant und in der Ausführung<br />

überwacht. Die Aussagekraft der Werkplanungen<br />

(z. B. S. 80 und 153) ist phänomenal und die Sorgfalt,<br />

mit der angeblich defizitäre historische Bauteile auf<br />

ihre tatsächlichen Potenziale untersucht wurden, bewundernswert.<br />

Stets stellte sich hier nämlich heraus,<br />

dass die alten Baustoffe und Konstruktionen viel belastbarer<br />

sind, als das unser verunsicherter Baubetrieb<br />

für vorstellbar hielt und hält. Selbst so eigenartige Lösungen<br />

wie die flachen Deckengewölbe aus Tontöpfen<br />

konnten ihre Aufgabe noch ohne ernste Probleme<br />

erfüllen. Ein schöner Beweis für die Nachhaltigkeit<br />

der alten Baustoffe, der jedem Neubau-Liebhaber und<br />

-planer zu denken geben sollte. Doch daraus wäre sicher<br />

keine Kontroverse entstanden.<br />

Die erklärt sich aus dem Konzept des Architekten,<br />

die Ruine als Ruine zu erhalten und modern zu<br />

ergänzen. Die durch Brand und Gewalteinwirkung<br />

geschundenen Oberflächen wurden „nur“ retuschiert<br />

und bleiben uneinheitlich, bisweilen fragmentarisch<br />

(S. 117, 164, 227). Mögliche Ergänzungen unterbleiben.<br />

Das erhaltene und sichtbare Schöne wird durch<br />

das Gestörte komplementiert. Besonders heftig hat<br />

die Debatte um das völlig verlorene Treppenhaus<br />

getobt. Der eindrucksvolle Raum aus dem 19. Jahrhundert<br />

hätte wieder neu geschaffen werden müssen,<br />

um den Bau zu vervollständigen – sagen die Kritiker.<br />

Tatsächlich wurden die Grundstrukturen nachgebildet,<br />

die Oberflächen aber nüchtern und in dem Zu-<br />

Das Neue Museum Berlin<br />

Konservieren, Restaurieren, Weiterbauen <strong>im</strong> Welterbe<br />

Hrsg: Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz,<br />

Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Landesdenkmalamt Berlin;<br />

Leipzig (Seemann) <strong>2009</strong>.<br />

240 S., zahlr. farbige Photos und Zeichnungen.<br />

29,90 €,<br />

ISBN 978-3-86502-204-2<br />

48 <strong>Restaurator</strong> <strong>im</strong> <strong>Handwerk</strong> – <strong>Ausgabe</strong> 2/<strong>2009</strong>

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