Rund um die Jugendhilfe - Landschaftsverband Rheinland
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jhr_rund <strong>um</strong> <strong>die</strong> <strong>Jugendhilfe</strong><br />
– Kooperation von <strong>Jugendhilfe</strong> und<br />
Schule. Hier sollten Politik und Planungsinstanzen<br />
einbezogen sein. Es<br />
müssen gerechte, verbindliche und<br />
verpflichtende Zuständigkeits- und<br />
Kooperationsvereinbarungen entwickelt<br />
werden <strong>um</strong> deren Nachhaltigkeit<br />
zu sichern. Diese können in<br />
Schulverweigererprojekte in und<br />
außerhalb von Schule münden.<br />
Schulverweigererprojekte<br />
Die Zusammenarbeit von Schule und<br />
<strong>Jugendhilfe</strong> ist notwendig, da Schule<br />
ihren Integrationsauftrag für einen Teil<br />
der SchülerInnen nicht in jedem Fall<br />
wahrnehmen kann. Die Erfüllung besonderer<br />
Erziehungsbedarfe und am<br />
Einzelfall orientierte Vorgehensweisen<br />
sind für Schule nur bedingt möglich.<br />
Schule hat konzeptionelle und strukturelle<br />
Grenzen. Intensivpädagogische<br />
Konzepte der <strong>Jugendhilfe</strong> will und<br />
kann sie nicht übernehmen.<br />
Es ist jedoch das Bildungssystem<br />
selbst, das „phantasievolle Nebenwege<br />
für SorgenschülerInnen und Sorgenstadtteile<br />
benötigt und bereitstellen<br />
muss“ (Warzecha 2001, S.12.) Eine<br />
zentrale Leistung des Bildungssystems<br />
sollte- mehr den je – auch darin liegen,<br />
jene zu erreichen, <strong>die</strong> wenig mitbringen.<br />
Integration bleibt also der Königsweg,<br />
Ausgliederung der<br />
Notausgang.<br />
Inzwischen ist bewiesen, dass viele<br />
SchulverweigerInnen an nichtschulischen<br />
und pädagogisch besonderen<br />
Lernorten Lust auf Leben und Lust auf<br />
Lernen gewinnen können. Für eine<br />
Schulmüden Projekt „Zündstoff“ des Sozial<strong>die</strong>nstes<br />
Katholischer Frauen und Männer e.V. in Erkrath<br />
Grundsätzlich ist <strong>die</strong> Betreuung der Jugendlichen durch drei Schwerpunkte<br />
geprägt:<br />
• Schulbezogenes Lernen im Unterricht<br />
• Berufsorientiertes Lernen in der Schreinerwerkstatt<br />
• Sozialpädagogische Begleitung<br />
Der Tag beginnt für <strong>die</strong> SchülerInnen mit einem gemeinsamen Frühstück<br />
<strong>um</strong> 8.30h. Das Frühstück endet <strong>um</strong> 9.00h; <strong>um</strong> 9.10h beginnt<br />
der Unterricht oder <strong>die</strong> Werkstattarbeit, <strong>die</strong> sich wochenweise abwechseln.<br />
Der Unterricht oder <strong>die</strong> Werkstattarbeit enden <strong>um</strong> 13.00h.<br />
Anschließend nehmen <strong>die</strong> SchülerInnen und MitarbeiterInnen in den<br />
Projekträ<strong>um</strong>en ein gemeinsames Mittagessen ein. Danach endet mit<br />
dem Küchen<strong>die</strong>nst der verpflichtende Tagesplan für <strong>die</strong> Jugendlichen.<br />
Parallel z<strong>um</strong> Unterricht werden <strong>die</strong> Schüler in der Werkstatt von einem<br />
Schreiner angeleitet. Hier werden kleinere Werkstücke hergestellt,<br />
wie z.B. ein Damespielbrett, Marionetten oder ein CD-Ständer. Auch<br />
eigene Ideen der Jugendlichen werden, soweit sie in der Praxis <strong>um</strong>setzbar<br />
sind, aufgenommen und realisiert. Hier steht besonders das<br />
Erleben des Sinnzusammenhanges von Theorie und Praxis im Vordergrund.<br />
Gleichzeitig kann es für <strong>die</strong> Jugendlichen aber auch ein erster<br />
Schritt auf den Arbeitsmarkt sein, da Motivationen geweckt und durch<br />
Praktika in Betrieben verstärkt werden können.<br />
Von großer Bedeutung ist beim normalen Tagesablauf <strong>die</strong> sozialpädagogische<br />
Begleitung der SchülerInnen. So nimmt <strong>die</strong> Pädagogin je<br />
nach Bedarf am Unterricht teil oder unterstützt den Anleiter in der<br />
Werksatt. Dabei steht sie in enger Beziehung zu den Jugendlichen und<br />
versucht ihr Vertrauen zu gewinnen. Nur so ist es möglich mit den<br />
SchülerInnen eine eigenverantwortliche Lebensführung einzuüben und<br />
sozialintegrative Kompetenzen zu entwickeln. Darüber hinaus ist <strong>die</strong><br />
Pädagogin Ansprechpartnerin für <strong>die</strong> Jugendlichen in Einzelgesprächen<br />
und auch in Krisensituationen zur Stelle. Sie steht in engen Kontakt<br />
zu den Eltern oder Betreuungspersonen der SchülerInnen, <strong>um</strong><br />
auch dort notwendige Rückkoppelungen zu erhalten und zu geben.<br />
Beschulung an einem anderen Ort sollten<br />
als Vorraussetzungen gelten:<br />
– Die Verweigerung ist weit überdurchschnittlich<br />
massiv und intensiv<br />
ausgeprägt<br />
und<br />
– Pädagogische und maßregelnde Interventionen<br />
erbrachten keine nachhaltige<br />
Wirkung.<br />
Im Blick sollte bleiben, dass eine<br />
Nischenbildung für Schulpflichtige <strong>die</strong><br />
Gefahr trägt, dass Regelanforderungen<br />
in den Hintergrund geraten.<br />
Nebenstehend wird beispielhaft ein<br />
typischer Wochenablauf in einem<br />
Schulmüdenprojekt dargestellt.<br />
Auch wenn Schule ein zentraler Stellenwert<br />
zukommt, reicht Bildung jedoch<br />
weit über Schule hinaus. Gelingende<br />
Lebensführung und soziale<br />
Integration basiert auf den unterschiedlichen<br />
Bildungsprozessen in Familie,<br />
Kitas, Jugendarbeit und Beruf.<br />
Das gilt für alle SchülerInnen, auch<br />
wenn <strong>die</strong> Problematischen besonders<br />
im Blick sein sollten.<br />
Den Bildung ist der <strong>um</strong>fassende Prozess<br />
der Entwicklung, Förderung und<br />
Entfaltung derjenigen Fähigkeiten, <strong>die</strong><br />
Menschen in <strong>die</strong> Lage versetzen, zu<br />
lernen, Leistungspotentiale zu entwickeln,<br />
wirkungsvoll zu handeln, Probleme<br />
zu lösen und Beziehungen zu<br />
gestalten.<br />
Insofern sollten <strong>Jugendhilfe</strong> und<br />
Schule unter Wahrung ihrer Funktionen,<br />
Fachlichkeiten und gesetzlichen<br />
Aufgaben <strong>die</strong> Verantwortung für SchulverweigerInnen<br />
– und natürlich auch<br />
der „anderen“ SchülerInnen – in einer<br />
Kultur des Miteinanders der Professionen<br />
bewältigen. Dies schließt <strong>die</strong> Bereitschaft<br />
ein, innerhalb der verschiedenen<br />
Systeme flexibel zu sein und<br />
gemeinsam auch in den fachpolitischen<br />
Ra<strong>um</strong> zu wirken.<br />
Hartmut Braun, Fachberater,<br />
Landesjugendamt <strong>Rheinland</strong><br />
1<br />
Die im Folgenden vorgestellten Bedingungsbereiche<br />
sowie Handlungsmöglichkeiten<br />
sind teilweise in Anlehnung an Karlheinz<br />
Thimm, Aufsatz in Soziale Arbeit,<br />
1.2002, dargestellt.<br />
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