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10 I SPEDITION UND LOGISTIK<br />

<strong>trans</strong> <strong>aktuell</strong> 8 · 4. April <strong>2014</strong><br />

Das Kleine muss ins Große<br />

Der Trend geht zum Convenience<br />

Food, also der<br />

verzehrfertigen Lebensmittel.<br />

Davon ist Kay Schiebur,<br />

der beim Großhändler Lekkerland<br />

für die Supply Chain<br />

zuständig ist, überzeugt, wie<br />

er auf dem 20. Handelslogistik<br />

Kongress in Köln zu Protokoll<br />

gab. Daher habe das Unternehmen<br />

auch bereits reagiert. »Es<br />

gibt zunehmend Single-Haushalte<br />

und zudem auch insgesamt<br />

die Neigung, sich unterwegs<br />

etwas zu essen zu holen«,<br />

so Schiebur.<br />

Daher hat Lekkerland mittlerweile<br />

160 Mehrkammerfahrzeuge<br />

im Einsatz, um die rund<br />

61.400 Kunden in Deutschland<br />

zu beliefern. »Früher konnte<br />

es sein, dass etwa eine Tankstelle<br />

gleich mehrfach von uns<br />

angefahren wurde. Da kam<br />

der 18-Tonner mit dem Trocken-<br />

und Frischesortiment,<br />

dann der Transporter mit den<br />

Tabakwaren und schließlich<br />

noch das Tiefkühlfahrzeug<br />

mit zwölf Tonnen.« Heute ist<br />

Lekkerland zunehmend mit<br />

Mehrkammer-Citysatteln unterwegs.<br />

Der Clou: Innen gibt<br />

es gleich elf in Längs- und<br />

Querrichtung verschiebbare<br />

Wände. Damit lassen sich alle<br />

Produktbereiche – inklusive<br />

der Tabakwaren – mit einem<br />

Transport erledigen. »Für den<br />

Kunden bedeutet das eine<br />

Bestellung, eine Rechnung und<br />

eine Lieferung. Damit nimmt<br />

der administrative Aufwand<br />

ab und der Kunde hat mehr<br />

Zeit, um sich um den Verkauf<br />

zu kümmern«, erläuterte<br />

Schiebur.<br />

Auch für Lekkerland lohnt<br />

sich das Ganze – selbst wenn<br />

das Gesamtinvest für die Umstellung<br />

bei rund 28 Millionen<br />

Euro lag. »Allein bei einem<br />

unserer Kunden, dem Tankstellenbetreiber<br />

Aral, haben wir<br />

260.000 Stopps im Jahr eingespart«,<br />

sagte der Lekkerland-Logistiker.<br />

Das seien 3,4 Millionen<br />

Kilometer weniger im Jahr –<br />

rund 2.000 Tonnen CO 2 .<br />

Der erhöhte IT-Aufwand,<br />

beispielsweise in Handheld-Geräte<br />

zur elektronischen Abwicklung<br />

sowie in eine Telematik,<br />

hat aber auch erhöhte Anforderungen<br />

an die Fahrer mit sich<br />

gebracht. »Dass der Betriebsrat<br />

der Ortung der Fahrzeuge problemlos<br />

zugestimmt hat, liegt<br />

an der erhöhten Sicherheit –<br />

gerade bei Tabak<strong>trans</strong>porten«,<br />

erklärt Schiebur. Doch nicht<br />

überall funktioniert dieser<br />

logistische Ansatz. Lekkerland<br />

wollte damit auch in Osteuropa<br />

expandieren – zieht sich dort<br />

allerdings gerade wieder aus<br />

dem Markt zurück.<br />

Doch nicht nur verschiedene<br />

Produkte in eine Lieferung zusammenzufassen<br />

ist ein Trend.<br />

Das verdeutlichte Matthias<br />

Fleischer, der beim Lebensmittelkonzern<br />

Nestlé Deutschland<br />

für das Supply Chain Management<br />

zuständig ist. Er sieht darüber<br />

hinaus auch die Notwendigkeit<br />

für längere Fahrzeuge.<br />

Doch aufgrund der politischen<br />

Schwierigkeiten, die den Logistikern<br />

die Arbeit erschweren,<br />

stellt er den Lang-Lkw mittlerweile<br />

infrage.<br />

Dabei geht es Fleischer<br />

gar nicht mal um die Frage<br />

des Grenzübertritts. »Der Lebensmittelhandel<br />

ist lokal. 90<br />

Handelslogistik I: Die Lebensweise ändert sich und damit das<br />

Konsumverhalten. Als Folge bündeln die Akteure verschiedene Produkte.<br />

Gleichzeitig wird der Ruf nach größeren Fahrzeugen laut.<br />

Alles auf einmal: Mit Mehrkammer-Aufliegern spart Lekkerland 260.000 Stopps beziehungsweise 2.000 Tonnen CO 2 ein.<br />

DER KONGRESS<br />

Prozent der in Deutschland<br />

gekauften Produkte kommen<br />

aus Deutschland«, berichtete<br />

er. Dennoch stellt er drei<br />

Trends in der Handelslogistik<br />

fest: Zum einen investieren<br />

Großhändler immer mehr in<br />

eigene Verteilzentren. Das bedeute<br />

zwar weniger Lieferstellen<br />

– dafür aber auch größere<br />

Mengen. Auf der anderen Seite<br />

gibt es kleine Händler, die ein<br />

breites Sortiment wollen und<br />

daher eine gebündelte Lieferung<br />

benötigen.<br />

Zu guter Letzt gibt es den<br />

Endkunden, der seine Ware als<br />

Paket nach Hause bekommen<br />

möchte. In Deutschland seien<br />

das zwar bislang gerade einmal<br />

vier Prozent der Konsumenten,<br />

in anderen Ländern nutze diesen<br />

Service aber bereits jeder fünfte<br />

Endverbraucher.<br />

Für Nestlé Deutschland bedeutet<br />

dies eine Neuausrichtung<br />

der Logistik. Diese reicht von<br />

Hinter dem Handelslogistik Kongress, kurz Log, stehen drei<br />

Veranstalter: das EHI Retail Institute, ein wissenschaftliches<br />

Institut des Handels, GS1 Germany, die Organisation für globale<br />

Standards zur Verbesserung von Wertschöpfungsketten,<br />

sowie der Markenverband, der die Interessen der markenorientierten<br />

Wirtschaft in Deutschland vertritt. Bereits zum<br />

20. Mal ging es darum,wie man Logistikprozesse effizienter<br />

und marktgerechter gestaltet, um einen Wettbewerbsvorsprung<br />

zu erreichen oder zu verteidigen.<br />

dem automatisierten Anbinden<br />

von Distributionszentren über<br />

Anpassungen an den Standorten<br />

bis hin zu neuen Ladehilfsmitteln<br />

– etwa der Halbpalette.<br />

Weitere Herausforderungen in<br />

der Zukunft sind etwa temperaturgeführte<br />

Lieferungen an<br />

Endkunden oder aber eine Automatisierung,<br />

die bis hin zum<br />

Verladen auf den Lkw reicht.<br />

Aber auch eine verbesserte<br />

Planungssicherheit mittels statistischer<br />

Auswertungen ist laut<br />

Fleischer ein Thema.<br />

Was aber tun, wenn sich der<br />

Lang-Lkw nicht durchsetzen<br />

lässt, aber innovative Transportlösungen<br />

gefragt sind? Prof.<br />

Dietrich Stein, Geschäftsführer<br />

von Cargocab, will die Ladung<br />

kurzerhand unter die Erde bringen.<br />

Beim Cargocab handelt es<br />

sich um kleine, elektrisch betriebene<br />

Fahrzeuge, die in Röhren<br />

von zwei Meter Durchmesser<br />

je zwei Europaletten befördern<br />

sollen. »Das Ganze ist<br />

natürlich kein Thema für den<br />

Fernverkehr. Es ist aber die Lösung<br />

für die Innenstädte, insbesondere<br />

in verkehrsgeplagten<br />

Metropolregionen«, sagte<br />

Stein. Eine fächerübergreifende<br />

Forschungsgruppe habe nachgewiesen,<br />

dass der Betrieb nicht<br />

nur technisch, sondern vor<br />

allem auch betriebswirtschaftlich<br />

machbar sei.<br />

Die benötigten Röhren<br />

würden im sogenannten Rohrvortrieb<br />

in etwa acht Meter<br />

Tiefe verlegt. Das bedeute, dass<br />

die Anwohner nichts davon<br />

mitbekommen. Rund 3,2 Millionen<br />

Euro kostet ein Kilometer<br />

Rohrstrecke, die auf<br />

Kombinierter Verkehr mal anders: Mit dem Cargocab könnte es<br />

staufrei in die Innenstadt gehen.<br />

diese Weise verlegt wird. »Das<br />

ist weitaus günstiger, als neue<br />

Straßen zu bauen«, sagte Stein.<br />

Auch die Cabs, also die kleinen<br />

Elektrofahrzeuge, seien so gut<br />

wie fertig entwickelt. Gerade<br />

einmal 0,11 kWh pro Tonnenkilometer<br />

brauchen die Cabs,<br />

die mit einer Geschwindigkeit<br />

von 36 km/h unterwegs sind.<br />

RFID-Transponder sorgen per<br />

Funksignal dafür, dass sie an<br />

der richtigen Stelle abbiegen.<br />

Da es sich bei den Röhren<br />

um Einbahnstraßen handelt,<br />

kann es auch zu keinen Unfällen<br />

kommen. Auch die Wartung<br />

soll dank einer berührungslosen<br />

Stromabnahme auf ein<br />

Minimum beschränkt sein.<br />

»Wenn, dann betrifft es nur die<br />

Cabs und die können wir problemlos<br />

rausziehen«, erklärte<br />

der Cargocab-Geschäftsführer.<br />

Für Prof. Stein ist Cargocab<br />

die neue Dimension des Kombinierten<br />

Verkehrs – hier allerdings<br />

auf Palettenbasis.<br />

Damit würden sich dann<br />

innerstädtische Händler rund<br />

um die Uhr ansteuern lassen.<br />

»Denken Sie noch einen Schritt<br />

weiter. Zukünftig könnten<br />

dann über kleinere Röhren<br />

und Cabs sogar Haushalte angebunden<br />

werden«, skizzierte<br />

er seine Vision. Damit ließen<br />

sich unter Umständen dann<br />

sogar die eingangs genannten<br />

Convenience-Produkte direkt<br />

nach Hause liefern.<br />

Carsten Nallinger<br />

Fotos: Lekkerland/Obenaus, Cargocab<br />

Neue Wege zum Kunden finden<br />

In der Logistik sind im<br />

übertragenen Sinne fleißige<br />

Bienen gefragt. Doch<br />

hinter dem Namen »Bring<br />

Bee« verbirgt sich nicht etwa<br />

eine Personalvermittlung fürs<br />

Gewerbe. Vielmehr handelt<br />

es sich dabei um eine Online-<br />

Plattform, die »Crowdsourced<br />

Logistics« anbietet. Hinter diesem<br />

Begriff verbirgt sich eine<br />

Art Heimbring-Service im Stil<br />

der Nachbarschaftshilfe. Allerdings<br />

kostet diese logistische<br />

Dienstleistung Geld und wird<br />

von Menschen erbracht, die<br />

Logistische<br />

Software<br />

CarLo ® inAPP<br />

<br />

<br />

<br />

aus dem Hause Soloplan:<br />

DEM Softwarehaus der Logistikbranche!<br />

soloplan.de<br />

man unter Umständen noch nie<br />

gesehen hat.<br />

Dreh- und Angelpunkt ist dabei<br />

die Internetseite bringbee.ch.<br />

Das Schweizer Start-up-Unternehmen<br />

konnte in nur einem<br />

Jahr bereits mehr als 1.500<br />

Eidgenossen dazu bewegen,<br />

die Einkäufe aus der eigenen<br />

Hand zu geben – oder eben die<br />

für Fremde zu erledigen.<br />

»Bislang beschränken wir<br />

uns auf große Städte. natürlich<br />

würde das Ganze aber auch vor<br />

allem in ländlichen Gebieten<br />

gut funktionieren«, sagt Stella<br />

Schieffer, die Geschäftsführerin<br />

von Polyport, dem Unternehmen,<br />

das hinter Bring Bee steht.<br />

Noch seien die größeren Entfernungen<br />

– und vielleicht auch<br />

die geringere Technikbegeisterung<br />

– Gründe dafür, dass es<br />

außerhalb der Ballungszentren<br />

bislang kaum Resonanz gibt.<br />

Und so funktioniert‘s:<br />

Interessierte können sich auf<br />

bringbee.ch anmelden und dann<br />

entweder einen Einkaufszettel<br />

schreiben oder aber einen Mitbringjob<br />

finden. Die Einkaufslisten<br />

enthalten alle Angaben<br />

zum Empfänger und den Produkten<br />

bis hin zur gewünschten<br />

Lieferzeit und Lieferort.<br />

Handelslogistik II: Normale Bürger<br />

gehen für andere einkaufen – und das<br />

auf Bestellung. Coca-Cola wiederum<br />

versucht Händler und Gastrononomen<br />

unter einen Hut zu bringen.<br />

Service: Bei der Online-Plattform »Bring Bee« übernehmen andere<br />

das Einkaufen – inklusive Kommissionieren und Transport.<br />

»In den Städten findet sich<br />

meist jemand aus der Nähe,<br />

der ohnehin einkaufen geht.<br />

Derjenige übernimmt sozusagen<br />

das Kommissionieren und<br />

den Transport«, sagt Schieffer.<br />

Wobei dann natürlich auch der<br />

Grundgedanke der Nachhaltigkeit<br />

eine Rolle spiele. Der Einkäufer<br />

streckt den Betrag vor<br />

und Polyport überweist dann<br />

die Summe plus Zuschlag für<br />

den erbrachten Service. Für<br />

den Besteller fällt außerdem<br />

noch eine Vermittlungsgebühr<br />

an. Dafür sorgt Bring Bee aber<br />

Foto: Rewe<br />

auch für den reibungslosen Ablauf<br />

sowie eine entsprechende<br />

Versicherung.<br />

Es kann natürlich sein,<br />

dass dort auch mal ein Kasten<br />

Coca-Cola auf der Einkaufsliste<br />

steht. Doch Dr. Stefan Seiss,<br />

der unter anderem die Logistik<br />

beim Erfrischungsgetränke-Hersteller<br />

Coca-Cola Deutschland<br />

verantwortet, steht bei der<br />

Frage, wie die Produkte zu den<br />

Kunden kommen, vor ganz<br />

anderen Herausforderungen.<br />

Denn die rund 38 Millionen<br />

Hektoliter an Cola, Fanta &<br />

Co. gehen an denkbar unterschiedliche<br />

Adressen mit jeweils<br />

anderen Anforderungen.<br />

Das ist auch der Grund,<br />

warum der eigene Fuhrpark,<br />

der mehr als 1.000 Lkw sowie<br />

über 700 Transporter umfasst,<br />

alles andere als einheitlich daherkommt.<br />

»One fits all«, also<br />

einer für alles, gehe leider nicht.<br />

Die Palette der Cola-Kunden<br />

reicht von Großhändlern über<br />

große Supermärkte und Discounter<br />

bis hin zu kleineren<br />

Läden und sogar Automaten an<br />

Bahnhöfen, die es zu befüllen<br />

gilt. Nicht zu vergessen natürlich<br />

auch die Gastronomie, die<br />

nochmals ganz andere Wünsche<br />

an die Logistik hat. Allen<br />

ist jedoch eines gemein: Die<br />

Belieferung unterliegt enormen<br />

Schwankungen.<br />

»Auf den Monat gesehen<br />

ist das mit 30 Prozent noch<br />

relativ moderat. Mit Blick auf<br />

die Woche sind wir schon bei<br />

50 Prozent. Und betrachten<br />

wir einzelne Tage, liegt die<br />

Schwankung bei 100 Prozent«,<br />

sagt Seiss. Um das zu<br />

stemmen, hilft der LEO Logistics<br />

Execution Optimizer von<br />

Ortec bei der Optimierung<br />

von logistischen Prozessen in<br />

der ERP-Software SAP. Das<br />

Programm hilft laut Seiss sowohl<br />

bei der Auftrags- und der<br />

Lagerverwaltung als auch bei<br />

der Tourenplanung und der<br />

Laderaumoptimierung.<br />

Welche zentrale Rolle die Logistik<br />

bei Coca-Cola Deutschland<br />

spielt, wird aber anhand<br />

einer Zahl offenkundig: Das<br />

Unternehmen investiert jedes<br />

Jahr rund 100 Millionen Euro<br />

in die Supply Chain. Denn die<br />

Herausforderungen werden<br />

nicht weniger. Da tut es dem<br />

Getränkehersteller sicher auch<br />

nicht weh, wenn ein anderer die<br />

Zustellung in Privathaushalte<br />

organisiert.<br />

Carsten Nallinger

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