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trans aktuell 08 2014

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4 I SCHWERPUNKT FINANZIERUNG<br />

<strong>trans</strong> <strong>aktuell</strong> 8 · 4. April <strong>2014</strong><br />

»Mautspreizung ist Blödsinn«<br />

Fußgänger und Lkw sollten<br />

sich in den Innenstädten<br />

nicht ins Gehege kommen.<br />

Die Menschen sollten beim Einkaufen<br />

ihre Ruhe haben. Für die<br />

Fahrer bedeuteten diese Fahrten<br />

ebenfalls unnötigen Stress, sagt<br />

Roland Rüdinger, Geschäftsführer<br />

der Rüdinger Spedition<br />

in Krautheim, im Gespräch mit<br />

<strong>trans</strong> <strong>aktuell</strong>-Redakteur Matthias<br />

Rathmann. Ein Königsweg<br />

zwischen den Interessen beider<br />

Gruppen seien Ortsumgehungen.<br />

Der Spediteur ist bereit,<br />

Maut auf dem gesamten Straßennetz<br />

zu bezahlen, damit<br />

noch mehr solcher Umgehungen<br />

gebaut werden können.<br />

<strong>trans</strong> <strong>aktuell</strong>: Herr Rüdinger,<br />

alle warten auf Anreize für<br />

Euro-6-Lkw. Nur Sie nicht.<br />

Warum?<br />

Rüdinger: Weil sich das Thema<br />

nun erledigt hat. Eine Mautspreizung<br />

wäre zum jetzigen<br />

Zeitpunkt völliger Blödsinn. Sie<br />

würde nur zur Abwertung des<br />

Bestandsfuhrparks führen. Der<br />

Transportunternehmer kann daran<br />

kein Interesse haben.<br />

Mit dieser Aussage dürften<br />

Sie sich in der Branche aber<br />

wenig Freunde machen, oder?<br />

Ich halte meine Argumentation<br />

für stichhaltig: Eine Mautspreizung<br />

würde den Altbestand<br />

verteuern und die vorhandene<br />

Technik auf dem Gebrauchtwagenmarkt<br />

entwerten. Die<br />

einzigen, die davon profitieren<br />

würden, wären die Fahrzeugbauer.<br />

Sie sollten lieber Lkw entwickeln,<br />

die Transporteure freiwillig<br />

kaufen. Wenn man aber<br />

neue Technik nur mit staatlicher<br />

Hilfe absetzen kann, hat man etwas<br />

falsch gemacht. Der Staat<br />

hat nicht die Aufgabe, dafür<br />

zu sorgen, dass die überzogene<br />

Einnahmeerwartung des Daimler-Konzerns<br />

befriedigt wird.<br />

Aber vielleicht hat der Staat<br />

die Absicht, die Flottenerneuerung<br />

hierzulande anzustoßen?<br />

Das ist mit der Einführung<br />

von Euro-5-Fahrzeugen längst<br />

geschehen. Man kann nicht behaupten,<br />

dass das Dreckschleudern<br />

wären. Euro-5-Lkw haben<br />

massive Verbrauchsvorteile.<br />

Wir haben einen durchschnittlichen<br />

Flottenverbrauch von 28<br />

Litern, mit Ausreißern nach unten,<br />

die 25 Liter schaffen. Wobei<br />

ich ergänzen muss, dass unsere<br />

Auslastung im Schnitt nur<br />

fünf bis zehn Tonnen beträgt.<br />

Wenn Sie Mautanreize für<br />

Euro-6-Lkw ablehnen, nehmen<br />

Flotte:<br />

»Der Standard-Sattel ist ein<br />

Garant für Armut«, sagt Roland<br />

Rüdinger. Daher hat dieses<br />

Fahrzeug in seiner Flotte<br />

keine Bedeutung. Er setzt auf<br />

Spezialfahrzeuge − seien es<br />

Doppelstock-Lkw, verbreiterbare<br />

Auflieger für Maschinen<strong>trans</strong>porte<br />

unter Plane, 14,90<br />

Meter lange Auflieger oder<br />

Ultraleicht-Lkw. Die 140 eigenen<br />

Lkw sind im Regional- und<br />

Fernverkehr unterwegs. Daneben<br />

unterhält die Firma eine<br />

Bussparte mit 20 Fahrzeugen.<br />

Finanzierung: Spediteur Roland Rüdinger bietet an, auf dem<br />

gesamten Straßennetz und für alle seine Fahrzeugtypen<br />

Maut zu bezahlen. Damit könnten Ortsumfahrungen<br />

gebaut werden. Anreize für Euro-6-Lkw lehnt er ab.<br />

Sie beträchtliche Mehrkosten bei<br />

der Anschaffung hin, ohne dafür<br />

einen Ausgleich zu erhalten. Das<br />

kann doch nicht im Sinne eines<br />

Kaufmanns sein, oder?<br />

Langsam, das ist eine<br />

Milchmädchenrechnung. Die<br />

Bundesregierung bietet uns keine<br />

Mautsenkung, sondern eine<br />

Mautspreizung an. Wesen einer<br />

Mautspreizung ist, dass neue<br />

Lkw billiger und ältere teurer<br />

fahren. Das bedeutet in Summe<br />

eine deutliche Kostenerhöhung,<br />

weil der Bestandsfuhrpark größer<br />

ist, als das, was neu beschafft<br />

wird. Das ständige Drehen an<br />

der Gebührenschraube ist für<br />

uns alles andere als hilfreich. Es<br />

führt dazu, dass man Fahrzeuge<br />

nur noch kurz fahren und dann<br />

wegwerfen kann.<br />

Wie groß sollte der zeitliche<br />

Abstand bis zur nächsten<br />

Tarifänderung Ihrer Meinung<br />

nach dann sein?<br />

Je nach technischer Spezifikation<br />

kann bei Fahrzeugen<br />

eine Haltedauer von zehn bis<br />

zwölf Jahren sinnvoll sein. Wir<br />

fahren in der Regel mit Einfahrerbesetzung.<br />

Wenn man sich an<br />

die Lenk- und Ruhezeiten hält,<br />

kommt man auf etwa 100.000<br />

Kilometer im Jahr. Die Fahrzeuge<br />

können aber locker 750.000<br />

bis 900.000 Kilometer leisten.<br />

Dessen sollte man sich bei der<br />

Mautgestaltung bewusst sein.<br />

Den Wahnsinn, den wir betreiben<br />

müssen, mutet man keinem<br />

anderen Verkehrsträger zu. In<br />

der Luftfahrt beschwert man<br />

sich frühestens nach 25 Jahren,<br />

wenn das Flugzeug zu laut ist.<br />

Und wir befeuern den Wahn,<br />

dass Lkw nach zwei bis drei<br />

Jahren veraltet sind.<br />

Während Sie eine Mautspreizung<br />

zugunsten von Euro 6<br />

ablehnen, werben Sie für eine<br />

Bemautung des kompletten<br />

Straßennetzes. Warum?<br />

Weil das dem Güterverkehr<br />

helfen würde. Ich mache das am<br />

Beispiel der Kommunalwahlen<br />

fest. Immer verliert die Verkehrswirtschaft.<br />

Irgendein cleverer<br />

Kandidat sagt: Lkw raus<br />

− und trifft damit die Sympathie<br />

vieler. Ich bin der Ansicht,<br />

dass der Lkw vor Ort nur die<br />

nötige Akzeptanz erfährt, wenn<br />

er nicht nur seine Belastung<br />

hinterlässt, sondern auch Geld.<br />

DAS UNTERNEHMEN<br />

Bereiche:<br />

Spezialität des Unternehmens<br />

sind XXL-Teilladungen. Das<br />

können etwa Langgüter wie<br />

Markisen oder 2,60 Meter<br />

hohe Frontlader sein. Auf diese<br />

Sparte entfällt 40 Prozent<br />

des Umsatzes. Die Maschinen<strong>trans</strong>porte<br />

stehen für 30<br />

Prozent und Sammelgut für<br />

20 Prozent. Der Rest entfällt<br />

auf Services wie Verzollungen,<br />

Luft- und Seefracht. Die Spedition<br />

ist Mitglied bei der Stückgutkooperation<br />

Online und<br />

dem Ladungsverbund Elvis.<br />

Dann bringt der Güterverkehr<br />

einer Region einen wirtschaftlichen<br />

Vorteil und wird positiv<br />

gesehen. Wenn wir Kommunal-,<br />

Land- und Kreisstraßen bemauten,<br />

wird sich ein Straßenneubau<br />

rechnen − vor allem von<br />

Ortsumgehungen. Derzeit tut<br />

sich beim Bau von Landstraßen<br />

leider nichts − zumindest nicht<br />

im Hohenlohekreis.<br />

Warum sind Ihnen gerade<br />

Ortsumgehungen so wichtig?<br />

Sie sind der Königsweg zwischen<br />

den Interessen des Güterverkehrs<br />

und der Lärm geplagten<br />

Bevölkerung. Ich halte<br />

nichts davon, Lkw durch Dörfer<br />

oder Innenstädte zu jagen.<br />

Und trotzdem gehören sie in<br />

allen Städten zum Straßenbild.<br />

Damit tut man aber weder<br />

der Innenstadt noch dem Verkehr<br />

einen Gefallen. Die Leute<br />

sollen in Frieden in ihren Orten<br />

leben und in Ruhe einkaufen<br />

dürfen. Das ist wichtig. Wenn<br />

die Leute nicht mehr in Ruhe<br />

einkaufen dürfen, sind sie sauer,<br />

machen einen Doppelklick, und<br />

es kommen noch mehr Lieferwägen.<br />

Davon abgesehen, dass<br />

es ökologisch nicht besonders<br />

sinnvoll ist, einen Lkw durch die<br />

Innenstadt zu schicken. Die Anfahrvorgänge<br />

kosten unnötigen<br />

Treibstoff. Auch ist es eine erhöhte<br />

Belastung für den Fahrer.<br />

Mal abgesehen von den fehlenden<br />

Ortsumgehungen − wie<br />

ist es generell um den Zustand<br />

der Straßen im nachgeordneten<br />

Netz bestellt?<br />

Ganz schlecht, hier muss<br />

dringend etwas passieren. Die<br />

Kreisstraßen bei uns sind in einem<br />

schlimmen Zustand, aber<br />

noch in einem besseren als die<br />

Landstraßen. Auf der L 515 aus<br />

Soziales:<br />

Bemerkenswert sind vor allem<br />

zwei Zahlen: Mehr als 20<br />

Prozent der Mitarbeiter sind<br />

Azubis, insgesamt sind es 60<br />

junge Menschen über alle drei<br />

Lehrjahre und Ausbildungsberufe<br />

hinweg. 45 Prozent der<br />

Mitarbeiter sind Migranten,<br />

vor allem Russlanddeutsche.<br />

Zahlen:<br />

Das Unternehmen beschäftigt<br />

etwa 250 Mitarbeiter und verfügt<br />

in seinen Lagerhallen über<br />

20.000 Meter Logistikfläche.<br />

Krautheim rauszukommen<br />

ist eine<br />

Katastrophe. Es<br />

passieren ständig<br />

Unfälle im<br />

Begegnungsverkehr.<br />

Doch<br />

das kostet nicht<br />

das Land Geld,<br />

sondern uns. Der<br />

Ausbau ist nötig,<br />

damit unsere<br />

Fahrer sicher auf<br />

die 18 Kilometer<br />

entfernte Autobahn<br />

kommen.<br />

ZUR PERSON<br />

Warum ist<br />

nicht schon längst<br />

etwas in Richtung<br />

Ausbau passiert?<br />

Weil unser<br />

grüner Landesverkehrsminister<br />

Winfried Hermann<br />

erst eine<br />

bestimmte Fahrzeugzahl<br />

auf der<br />

Straße sehen will,<br />

früher passiert nichts. Die Parameter<br />

sind so hoch gesetzt,<br />

dass es in dieser Legislaturperiode<br />

auf keiner Landstraße<br />

im Hohenlohekreis vorangeht.<br />

Diese Tatenlosigkeit ist charakteristisch<br />

für den Minister.<br />

Wie meinen Sie das?<br />

Ich meine, dass sein Konzept<br />

zum Güterverkehr und<br />

Roland Rüdinger (51) lenkt seit 1988 die Geschicke der Rüdinger<br />

Spedition im baden-württembergischen Krautheim (Hohenlohe -<br />

kreis). Die Geschäftsführung teilt er sich mit seiner Frau Anja.<br />

Das Paar steht für die dritte Generation des 1930 von Franz<br />

Rüdinger gegründeten Familienunternehmens. Im Ehrenamt ist<br />

Roland Rüdinger Präsidiumsmitglied des Verbands Spedition<br />

und Logistik Baden-Württemberg sowie Vorsitzender der Landverkehrssparte.<br />

Vor Ort engagiert sich der Unternehmer als Vorsitzender<br />

des Verkehrsausschusses der IHK Heilbronn-Franken.<br />

Straßenbau schlecht für uns ist.<br />

Mit diesem Konzept ist man in<br />

Baden-Württemberg auf dem<br />

falschen Platz. Wenn Minister<br />

Hermann dann noch verkündet,<br />

dass er keine Spatenstichpolitik<br />

macht, verzichtet er außerdem<br />

leichtfertig auf wichtiges Geld.<br />

Die Konzentration auf durchfinanzierte<br />

Projekte hat dazu geführt,<br />

dass Baden-Württemberg<br />

sechs Millionen Euro zurückgeben<br />

musste, weil wir sie nicht<br />

verbauen konnten. Weitere 70<br />

Millionen Euro von anderen<br />

Bundesländern konnten wir<br />

nicht annehmen. Der ländliche<br />

Raum ist bitter enttäuscht. Wir<br />

wissen nun, was wir bekommen,<br />

wenn Grün eine Wahl gewinnt.<br />

Um auf Ihr Angebot zurückzukommen,<br />

freiwillig auf dem<br />

nachgeordneten Straßennetz<br />

Maut zu bezahlen: Glauben<br />

Sie, dass die Logistikbranche<br />

mitspielen würde?<br />

Warum nicht? Wir haben ein<br />

Wirtschaftssystem, in dem der<br />

Kunde bezahlt. Wenn bei einem<br />

Wohnungsneubau erhöhte Isolationsmaßnahmen<br />

anfallen, ist<br />

Gute Miene zu schlechten Straßen: Spediteur Rüdinger ist von<br />

der Verkehrspolitik in Baden-Württemberg bitter enttäuscht.<br />

es völlig normal, dass anschließend<br />

die Miete erhöht wird.<br />

Der Vermieter kann vielleicht<br />

den Mieter zur Kasse<br />

bitten. Sie können Ihre Kunden<br />

aber nicht noch stärker in die<br />

Pflicht nehmen, oder?<br />

Gehen wir davon aus, dass<br />

die Maut 12 bis 15 Prozent der<br />

Gesamtkosten ausmacht, dann<br />

dürfte klar sein, dass das kein<br />

Transportunternehmer aus seinem<br />

Gewinn finanzieren kann.<br />

Da beantwortet sich die Frage,<br />

wer die Maut bezahlt, von allein:<br />

der Kunde. Ich persönlich<br />

verkaufe lieber teure Leistungen<br />

als billige. Ich warne auch davor,<br />

dass wir uns vor die Industrie<br />

stellen und sagen: Wir müssen<br />

euch vor der Maut schützen.<br />

Diesen Kampf muss die Industrie<br />

führen. Eines muss auch<br />

die Gesellschaft begreifen: dass<br />

mein Leben teurer wird, wenn<br />

ich eine höhere Maut will.<br />

Apropos höhere Maut: Was<br />

zahlen Sie monatlich an Maut?<br />

Rund 80.000 Euro im Monat.<br />

Wir hatten aber auch schon<br />

Phasen, wo es etwa 100.000<br />

Euro waren. Der Autobahnanteil<br />

liegt bei etwa zwei Dritteln.<br />

Das lässt erahnen, was auf<br />

Sie zukäme, wenn alle Straßen<br />

mautpflichtig wären.<br />

Wobei die Frage ist, ob die<br />

Landstraße gleich teuer sein<br />

muss wie die Autobahn. Die<br />

Frage dahinter ist, was man<br />

beabsichtigt. Will man die Ausländer<br />

belasten? Dann muss<br />

man die Autobahnmaut erhöhen.<br />

Will man das ganze Netz<br />

belasten? Dann trifft es auch<br />

den Rübenbauer.<br />

Und Sie wären auch bereit,<br />

für alle Fahrzeugklassen Maut<br />

zu bezahlen?<br />

Wir würden unseren Beitrag<br />

für alle Klassen leisten. Denn<br />

eines ist auch klar: Es ist völlig<br />

illusorisch zu denken, dass mit<br />

Einführung einer Pkw-Vignette<br />

die Klassen darüber unbemautet<br />

bleiben.<br />

Fotos: Rathmann<br />

Lkw frei: Die Spedition disponiert vor allem Spezial<strong>trans</strong>porte. Wichtigste Sparte sind XXL-Teilladungen. Das Gelände in Krautheim liegt an der Jagst und ist von Naturschutzgebiet umgeben.

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