trans aktuell 08 2014
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<strong>trans</strong> <strong>aktuell</strong> 8 · 4. April <strong>2014</strong> SPEDITION UND LOGISTIK I 9<br />
Der Containerflut Herr werden<br />
Hamburg: Verspätete Schiffe stören die Abläufe im Hafen.<br />
Asphaltarbeiten auf der Köhlbrandbrücke bringen weitere<br />
Beeinträchtigungen. Um den Problemen zu begegnen, sucht<br />
Spediteur Hans Stapelfeldt den Schulterschluss mit anderen.<br />
Die Containerflut im<br />
Hamburger Hafen wird<br />
wahrscheinlich nicht so<br />
schnell abfließen. Die Logistikwirtschaft<br />
geht davon aus, dass<br />
die Verzögerungen beim Abfertigen<br />
der Boxen mindestens bis<br />
Ostern anhalten. »Die Situation<br />
ist weiterhin sehr angespannt«,<br />
sagt Hans Stapelfeldt, Geschäftsführer<br />
der Containerspedition<br />
Stapelfeldt aus Hamburg.<br />
Der Firmenchef vergleicht<br />
den Containerstau im Hafen mit<br />
einem Umzug. »Beim Umzug<br />
stapeln sich die Kartons in jeder<br />
Ecke und sind überall im Weg.«<br />
Genauso verhalte es sich derzeit<br />
in den Terminals. Alle Stauzonen<br />
und Zufahrtswege seien<br />
vollgestellt. Das beeinträchtige<br />
die Abläufe und die Leistungsfähigkeit<br />
ganz erheblich.<br />
Die Schiffe seien bei den Abfahrten<br />
im Schnitt fünf bis sieben<br />
Tage im Verzug. Grund für<br />
die Verzögerungen sind die Wetterkapriolen<br />
in den vergangenen<br />
Wochen. Sie hatten zur Folge,<br />
dass Schiffe und Container<br />
liegen blieben. Die Reedereien<br />
bemühen sich, den Rückstand<br />
aufzuholen und die Fahrpläne<br />
wieder einzuhalten, indem<br />
sie ihren Schiffen ein höheres<br />
Tempo verordnen und sich vorübergehend<br />
von der Treibstoff<br />
sparenden Langsamfahrt – dem<br />
Slow steaming – lösen. Eine<br />
andere Möglichkeit sehen sie<br />
darin, Häfen auszulassen oder<br />
zusätzliche Schiffe einzusetzen,<br />
um die angestauten Container<br />
abfahren zu können.<br />
»Doch klar ist auch, dass die<br />
Reedereien dafür zusätzliches<br />
Geld sehen wollen«, sagt Stapelfeldt.<br />
Er habe aber noch keinen<br />
Kunden gefunden, der bereit sei,<br />
für eine höhere Pünktlichkeit<br />
Mehrkosten hinzunehmen. Damit<br />
sei der Handlungsspielraum<br />
der Spediteure und Containertrucker<br />
eingeschränkt. »Wir<br />
sind die Leidtragenden, die das<br />
ausbaden müssen«, sagt er.<br />
Andererseits will der Unternehmer<br />
die Verspätungen nicht<br />
einfach schlucken. »Wir appellieren<br />
an alle Akteure in der<br />
maritimen Supply Chain, sich<br />
zusammenzusetzen und Maßnahmen<br />
zu entwickeln, um in<br />
kleinen Schritten wieder zu einer<br />
Einhaltung der Fahrpläne zu<br />
kommen«, erklärt er. Stapelfeldt<br />
ist dabei guter Dinge: »Denn<br />
es gibt auch noch pünktliche<br />
Reedereien wie Hamburg-Süd<br />
und Cosco. Sie schaffen es, ihre<br />
Fahrpläne und ihre Performance<br />
weiter einzuhalten.«<br />
Ein Zauberwort, um der<br />
Containerflut zu begegnen, lautet<br />
für Stapelfeldt Entzerrung.<br />
»Es muss gelingen, die Megapeaks<br />
besser zu verteilen«, sagt<br />
er. Solche Peaks entstünden,<br />
weil die Schiffe immer größer<br />
würden und dadurch den Hafen<br />
seltener ansteuerten. Teilweise<br />
sind die Ozeanriesen nur noch<br />
einmal pro Woche zu Gast, in<br />
dieser Zeit ballt sich dann alles.<br />
Was also tun? Stapelfeldt ist<br />
überzeugt, dass Unternehmen<br />
durch Einrichten einer zweiten<br />
Arbeitsschicht viel zur Lösung<br />
des Problems beitragen können.<br />
Der Hafen habe sich nach dem<br />
Vorstoß der Logistik-Initiative<br />
Hamburg mit dem Namen<br />
»Port 24/7« darauf eingestellt<br />
und von Montagmorgen bis<br />
Samstagmittag geöffnet. »Nun<br />
ist es unsere Aufgabe, dem Beispiel<br />
zu folgen und auch unsere<br />
Unternehmer Stapelfeldt baut<br />
auf einen Schiffsersatzverkehr.<br />
Kunden von den Vorteilen einer<br />
zweiten und dritten Schicht zu<br />
überzeugen«, sagt Stapelfeldt.<br />
Teilweise hätten Spediteure eine<br />
zweite Schicht bereits eingerichtet<br />
und disponierten Fahrzeuge<br />
in Doppelbesetzung.<br />
Den Schulterschluss mit den<br />
anderen Gliedern aus der maritimen<br />
Wirtschaft sucht Stapelfeldt<br />
auch bei einem anderen<br />
Projekt. Auch dahinter steht der<br />
Wille, Prozesse zu verbessern.<br />
Konkret geht es dem Unternehmer<br />
darum, angesichts von<br />
absehbaren Engpässen auf der<br />
Straße Verkehre auf das Binnenschiff<br />
zu verlagern. Denn dass<br />
der Verkehr ins Stocken gerät,<br />
ist nur eine Frage der Zeit: Zum<br />
einen steht ab Mai der Ausbau<br />
der A 7 an, zum anderen beginnt<br />
noch in diesem Monat die Sanierung<br />
der Köhlbrandbrücke.<br />
Die 3,6 Kilometer lange<br />
Schrägseilbrücke ist in die Jahre<br />
gekommen und soll neu asphaltiert<br />
werden. Die Operation<br />
findet am offenen Herzen statt,<br />
also bei laufendem Verkehr. So<br />
ist vorgesehen, die Bauarbeiten<br />
über drei Jahre zu ziehen. Von<br />
April von November wird dafür<br />
eine Fahrbahn pro Richtung<br />
gesperrt, sodass der Verkehr auf<br />
nur je einer Spur rollen kann.<br />
Das Bauwerk hat für den<br />
Hafen eine immense Bedeutung:<br />
Es verbindet ihn mit der<br />
A 7. Täglich rollen rund 34.000<br />
Fahrzeuge darüber, davon ein<br />
Drittel Lkw. »Im Vorgriff auf<br />
die Behinderungen wollen wir<br />
einen Köhlbrandbrücken-Ersatzverkehr<br />
organisieren«, sagt<br />
Stapelfeldt. Sinnvollerweise solle<br />
dafür das Binnenschiff zum<br />
Einsatz kommen, zum Beispiel<br />
von Terminal zu Terminal oder<br />
zwischen Terminals und Depots.<br />
Bisher hat die Wasserstraße bei<br />
diesen Kurzstreckenverkehren<br />
nur einen geringen Anteil, Stapelfeldt<br />
beziffert ihn auf unter<br />
zwei Prozent. Hier sei noch viel<br />
Luft nach oben. »Wir wollen an<br />
Nadelöhr: Die Köhlbrandbrücke ist fortan nur noch einspurig in jede Richtung befahrbar.<br />
einem flexiblen Modell arbeiten<br />
und können uns vorstellen, zum<br />
Beispiel mit 2.000 Containern<br />
pro Woche zu starten«, sagt er.<br />
Mit einigen Hafen- und Logistikverantwortlichen<br />
habe er<br />
schon gesprochen. »Das Interesse<br />
ist groß.« Die Reedereien,<br />
die Behörde für Wirtschaft, Verkehr<br />
und Innovation, die Hamburg<br />
Port Authority sowie die<br />
Terminalbetreiber HHLA und<br />
Eurogate seien bereits die ersten<br />
Gesprächspartner. Eng müssten<br />
sich die Macher eines solchen<br />
Ersatzverkehrs dann mit der<br />
Feeder-Logistik-Zentrale (FLZ)<br />
abstimmen. Aufgabe der FLZ ist<br />
es, die Abfertigung von Zubringerschiffen<br />
zu beschleunigen.<br />
Von deren Erfahrungen könnten<br />
die Verantwortlichen des Ersatzverkehrs<br />
profitieren. Ziel sei es,<br />
der Logistikwirtschaft bereits zu<br />
Beginn der Bauarbeiten einen alternativen<br />
Transportweg anzubieten.<br />
Und natürlich die Brücke<br />
zu entlasten, die dann – so steht<br />
zu befürchten – ein Stauproblem<br />
haben wird. So wie derzeit der<br />
Hamburger Hafen wegen der<br />
verzögerten Schiffsabfahrten.<br />
Matthias Rathmann<br />
Fotos: Rathmann<br />
MIT HÖHERER SCHLAGKRAFT<br />
Zusammenarbeit mit Spedition Walter Lauk:<br />
»Hilfe, wir brauchen Asyl.« Mit diesem Notruf wandte sich Spediteur<br />
Hans Stapelfeldt im Oktober an seine Geschäftsfreunde.<br />
Infolge eines Wasserschadens waren seine Büros unbrauchbar.<br />
Jörn Lauk, Chef der Containerspedition Walter Lauk, bot Stapelfeldt<br />
und seinen Leuten ein Quartier bei sich im Gebäude<br />
auf dem Gelände des früheren Freihafens an. »Aus der Not haben<br />
wir eine Tugend gemacht«, sagt Stapelfeldt. Beide Gesellschaften<br />
arbeiten heute erfolgreich unter einem Dach – rechtlich<br />
selbstständig, aber bei der Disposition um Synergien bemüht.<br />
So helfen sich die Firmen gegenseitig, ihre Fahrzeuge auszulasten.<br />
Damit nicht genug: Jörn Lauk war ohnehin dabei, seine<br />
Firma personell neu aufzustellen und bot Stapelfeldt einen Posten<br />
in der Geschäftsführung an. Den bekleidet Stapelfeldt seit<br />
Januar zusätzlich zu seiner Funktion im eigenen Unternehmen.<br />
Die Unternehmen<br />
Die beiden Firmen ergänzten sich ideal, heißt es. Stapelfeldt beschäftigt<br />
25 Mitarbeiter und setzt rund 20 eigene Lkw vor allem<br />
im Nahverkehr ein. Schwerpunkt sind Transporte mit Mehrwert<br />
für die Kunden, etwa weil sie zeitkritisch oder mit Verzollungen<br />
verbunden sind. Dabei konzentriert sich das Unternehmen auf<br />
Loco-Ware, also auf Güter, die im Umfeld der Metropolregion<br />
hergestellt oder konsumiert werden. Walter Lauk organisiert<br />
Nah-, Fern- und Werkverkehre sowie intermodale Transporte<br />
auf Schiene und Wasserstraße, teils mit eigenen Schiffen.<br />
Walter Lauk setzt mit Subunternehmern rund 80 Lkw ein.