GUT VERNETZT - Sparkassenzeitung
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32<br />
FINANZGRUPPE<br />
Posten für Parteigenossen: 1933 wurde<br />
der pommersche Gauleiter Franz Schwede-<br />
Coburg zum Verbandspräsident der<br />
öffentlichen Versicherer ernannt, konnte<br />
sich mit seinen fachlich unqualifizierten<br />
Plänen aber nicht durchsetzen.<br />
unpolitische Vorstände traten in die Partei<br />
ein; in öffentlichen Aufrufen betonten<br />
Versicherer und Verband ihre Nähe zu<br />
Adolf Hitler und zur nationalen Volksgemeinschaft,<br />
der sie als öffentliche Einrichtungen<br />
ohne Gewinninteressen besonders<br />
gut dienen könnten.<br />
Allerdings erfüllten sich die Hoffnungen,<br />
im NS-Regime zur dominierenden<br />
Kraft der deutschen Assekuranz<br />
zu werden, nicht. Die öffentlichen Versicherer<br />
wurden vom Regime kaum bevorzugt.<br />
1935 mussten sie sogar in der<br />
„Reichsgruppe Versicherungen“ mit<br />
den privaten Versicherern zusammenarbeiten,<br />
und zwar unter Führung eines<br />
ehemaligen Allianz-Direktors und nicht<br />
unter Schwede-Coburg, dessen Pläne für<br />
eine gigantische öffentliche „Reichsanstalt“<br />
Hirngespinste blieben.<br />
Neubeginn in Düsseldorf<br />
Das Kriegsende 1945 bedeutete für den<br />
Verband eine extreme Zäsur. Mit dem Vormarsch<br />
der Roten Armee im Osten und<br />
der Flucht der deutschen Bevölkerung<br />
nach Westen hörten die Ostanstalten auf<br />
zu existieren. In der sowjetischen Besatzungszone<br />
wurden alle Versicherer zu<br />
einer Einheitsgesellschaft zusammengefasst.<br />
Damit verlor der Verband mehr als<br />
die Hälfte seiner Mitgliedsunternehmen.<br />
Außerdem war der bisherige Standort<br />
Berlin mitten in der Sowjetzone nicht<br />
mehr zu halten: Von dort ließ sich nur<br />
schwer eine Verbindung mit den noch<br />
aktiven Gesellschaften im Westen herstellen.<br />
Im Mai 1947 erfolgte deshalb<br />
der Neustart in Düsseldorf – und zwar<br />
in äußerst bescheidenen Verhältnissen:<br />
Der Verband kam zunächst im Aktenkeller<br />
der Lebensversicherungsanstalt der<br />
Rheinprovinz unter.<br />
Eine wesentliche Herausforderung<br />
für den Verband bestand für die nächsten<br />
Jahre in der Abwicklung der Ostanstalten.<br />
Millionen Flüchtlinge aus den<br />
ehemaligen Ostgebieten hatten Ansprüche<br />
aus ihren Policen; außerdem hatten<br />
die früheren Angestellten und deren<br />
Hinterbliebene Ansprüche auf Pensionen<br />
und Hinterbliebenenbezüge. Der<br />
Verband trat für Fehlbeträge ein und<br />
übernahm die Verantwortung für die Abwicklung,<br />
die er – über einen Treuhänder<br />
im Verband – selbst organisierte. Bis zum<br />
heutigen Tag werden noch Gelder ausgezahlt<br />
– der Verband hat das Erbe seiner<br />
wechselhaften Geschichte gewissenhaft<br />
verwaltet.<br />
In den nächsten Jahrzehnten entwickelte<br />
sich Düsseldorf zum neuen<br />
Zentrum der öffentlichen Versicherung<br />
in Deutschland. Es begann eine neue<br />
Gründerzeit der öffentlichen Versicherer.<br />
Mithilfe des Verbandes wurden neue<br />
gemeinsame Unternehmen gegründet:<br />
So 1970 die „ÖRAG Rechtsschutz“ und<br />
1979 die „Union Krankenversicherung“.<br />
1984 wurden die öffentlichen Feuerversicherer<br />
unter ein gemeinsames Verbandsdach<br />
geholt. 1989 zog die „Deutsche<br />
Rück“, der nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
neu gegründete Rückversicherer der öffentlichen<br />
Feuerversicherer, von Hamburg<br />
nach Düsseldorf und bildete mit<br />
den Verbänden eine Organ- und Verwaltungsgemeinschaft.<br />
1996 erfolgte dann<br />
schließlich die endgültige Zusammenführung<br />
aller Verbandsaktivitäten als<br />
„Verband der öffentlichen Versicherer“.<br />
Damit hatte eine lange Phase der Verbandsbildung<br />
in Düsseldorf ihren endgültigen<br />
Abschluss gefunden.<br />
Seit Ende der 80er Jahre befinden sich<br />
der deutsche Versicherungsmarkt und<br />
die Landschaft der öffentlichen Versicherer<br />
in einem tiefgreifenden Transformationsprozess.<br />
Mit der Maueröffnung 1989<br />
dehnte sich das Geschäftsgebiet der Gesellschaften<br />
um ein Drittel aus. Die Rückkehr<br />
in alte Kernländer der öffentlichen<br />
Lebensversicherung gestaltete sich dabei<br />
so, wie die Versicherer traditionell geprägt<br />
sind: nicht – wie ursprünglich vorgesehen<br />
– einem zentralen Plan folgend,<br />
sondern höchst individuell. Über alte<br />
regionale Verbindungen, über Partnerschaften<br />
mit den sich ebenfalls im Osten<br />
wieder etablierenden Sparkassen wurde<br />
die Landkarte der öffentlichen Versicherer<br />
im Gebiet der ehemaligen DDR neu<br />
gezeichnet, und es entstanden neue, erfolgreiche<br />
Gesellschaften.<br />
Neues Recht, neue Eigentümer<br />
Die 90er-Jahre brachten weitere einschneidende<br />
Neuerungen für die öffentlichen<br />
Versicherer: Mit der Deregulierung<br />
des europäischen Versicherungsmarktes<br />
1994 fielen auch die Monopole in der Gebäudeversicherung,<br />
die mancherorts seit<br />
Jahrhunderten bestanden hatten. Die<br />
alten Monopoloanstalten wurden in den<br />
Wettbewerb entlassen und konnten sich<br />
erfolgreich in ihrer jeweiligen Region<br />
am Markt behaupten. Die strenge Bedingungskontrolle<br />
der Aufsicht entfiel, die<br />
neue Freiheit stellte die gesamte Branche<br />
vor erhebliche Herausforderungen. Für<br />
den Verband bedeutete das eine Erweiterung<br />
seiner Aufgaben: Er stellte nun<br />
das Know-how und die Serviceleistungen<br />
Im Zeichen des Verbunds: In einer gemeinsamen Werbeanzeige von 1957 wies der Verband<br />
öffentlicher Versicherer bereits auf seine Zusammenarbeit mit den Sparkassen hin (l.). 1976<br />
bezog der Verband mit einigen Gesellschaften ein neues Gebäude in Düsseldorf (r.).<br />
SPARKASSE NOVEMBER 2011