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streifzuege_47 Kopie - Streifzüge

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Auslauf<br />

von Andreas Exner<br />

Starke Fragen<br />

Es tut sich was. Studierende besetzen<br />

Unis. Gewerkschaften erklären sich<br />

solidarisch. Pensionisten finden’s auch gut.<br />

Eine Debatte ist entbrannt. Mehr Geld für<br />

die Unis ist ihr kleinster Nenner. Freie Bildung<br />

ohne Zugangsbeschränkungen ist beinahe<br />

Konsens. Einige wollen Ausbeutung<br />

abschaffen, andere ein Grundeinkommen<br />

durchsetzen. Was tut sich da?<br />

Komisch eigentlich: Die Studierenden<br />

als Studierende sind recht besehen machtlos.<br />

Anders als ein Streik in einer Fabrik<br />

tut die Besetzung des Audimax niemandem<br />

weh. Warum entfalten sie dennoch<br />

Wirkung? Unmittelbar treibt sie die Wut<br />

über miese Studienbedingungen. Der<br />

Bologna-Prozess empört sie, sie sind<br />

frustriert von Gängelung. Doch dies ist<br />

nur die eine Seite. Der Kontext ist die andere:<br />

das Gefühl der Perspektivlosigkeit,<br />

ja der Bedrohlichkeit der gesellschaftlichen<br />

Entwicklung.<br />

Roter Punkt am Adressenetikett:<br />

bitte Abo einzahlen!<br />

Die breite Öffentlichkeit nimmt diese<br />

Koppelung von unmittelbarem Motiv und<br />

mittelbarem Rahmen nur unterschwellig<br />

wahr. Kommentare in den Massenmedien<br />

zeigen sich in dieser Hinsicht zum Großteil<br />

ignorant. Unter den Studierenden ist<br />

die Problemsicht gespalten. Während einige<br />

klar im Auge haben, dass der Zustand<br />

der Universität Teil gesellschaftlicher<br />

Zwangsstrukturen ist, frönen viele andere<br />

der Illusion, man könne das Anliegen<br />

als eines „der Universität“ irgendwie isolieren.<br />

Sie klagen nur die eigene Konkurrenzfähigkeit<br />

ein. Man führt Beschwerde<br />

über fehlende Mittel, weil man sich fit für<br />

den Arbeitsmarkt machen will, das heißt:<br />

für das Kapital und seinen Staat.<br />

Schon immer war es eine Illusion,<br />

durch den vermeintlichen Nachweis der<br />

eigenen verwertungskonformen „Nützlichkeit“<br />

wesentliche Verbesserungen zu<br />

erreichen. Das kann nur scheitern. Oder<br />

mündet darin, die Selektion in Verwertbare<br />

und Wertlose zu verhärten. Eine kapitalismuskritische<br />

Position gegen Lohnarbeit,<br />

Markt und Staat einzunehmen ist<br />

für die Studierendenbewegung, anders als<br />

für Lohnkämpfe, geradezu lebenswichtig.<br />

Denn sie bezieht ihre Attraktivität und<br />

ihre symbolische Macht gerade daraus, dass<br />

sie ein zwar diffuses, jedoch verbreitetes<br />

Unbehagen am Kapitalismus artikuliert.<br />

Ihr oft zaghafter, zeitweise jedoch durchaus<br />

bestimmter Versuch, die herrschenden<br />

Normen von gesellschaftlicher Entwicklung<br />

grundsätzlich zu hinterfragen,<br />

ermutigt viele, die am neoliberalen Paradigma<br />

zu zweifeln begonnen haben.<br />

Wo der universitäre Unmut Menschen<br />

in anderen gesellschaftlichen Sphären ansteckt,<br />

die von der kapitalistischen Entwicklung<br />

nachhaltig verunsichert sind,<br />

dort kann Bewegung in die vielfachen<br />

Risse der Herrschaft des Sachzwangs kommen.<br />

Solche Resonanzböden für die Bewegung<br />

an den Universitäten gibt es in<br />

einem gewissen Maß. Man kann den<br />

Kontext der Proteste erweitern und bereichern,<br />

indem man diese Böden in<br />

Schwingung bringt.<br />

Soziale Kämpfe kommen auf dem<br />

Terrain des Gegners nicht voran. Dort<br />

müssen sie scheitern. „Finanzierbarkeit“,<br />

„Wettbewerbsfähigkeit“, die Selektion<br />

der „Leistungswilligen“ bilden das Terrain<br />

des Gegners. Wer sich darauf einlässt,<br />

hat verloren.<br />

Die Potenz der Bewegung liegt darin,<br />

das Terrain der Debatten zu verändern:<br />

Schuften für Profit oder ein gutes<br />

Leben leben? Auf Finanzierung hoffen<br />

oder das, was stofflich-konkret machbar<br />

ist, auch machen? Sich für den Konkurrenzkampf<br />

zurichten oder in Solidarität<br />

kooperieren?<br />

Der kapitalistische Kanon von Profit,<br />

Finanzierbarkeit und Konkurrenz ist<br />

Nonsens. Eine „Solidarische Universität“,<br />

die Schluss damit macht, ist nötig.<br />

Die Fragen stellen wir.<br />

www.<strong>streifzuege</strong>.org

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