martin grubinger - Tonhalle-Orchester Zürich
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di Napoli …»<br />
eine bestimmte Floskel als Verzierung gemeint ist, oder ob man<br />
sie rhythmisch genau in den Musikverlauf einzupassen hat. Bei<br />
meinem Neapel-Projekt gibt es zudem nur wenige kontrapunktische<br />
Bezifferungen. Das heisst, die Harmonisierung der Musik<br />
muss ich selber sozusagen «herauslesen».<br />
Eine Menge Arbeit also, bevor Sie überhaupt zur Blockflöte<br />
greifen …<br />
Fast möchte ich sagen, in seinem solchen Projekt ist das Blockflötenspiel<br />
noch das Wenigste. Obwohl es natürlich ein anspruchsvolles<br />
Programm ist, da wir ausschliesslich – und dies<br />
im Unterschied zu meiner CD – in kammermusikalischer Besetzung<br />
und zum Teil sogar solistisch spielen. Zudem kommen<br />
sehr spezielle Instrumente wie zum Beispiel ein Psalterium,<br />
eine Theorbe oder ein Violoncello piccolo um Einsatz.<br />
Ihr Konzertprogramm «Una follia di Napoli» beginnt<br />
nicht in Neapel, sondern – mit Francesco Maria Veracini –<br />
in Florenz.<br />
Genau deshalb heisst es im Untertitel: «Eine musikalische Reise<br />
in den Süden Italiens». Wir starten in Florenz mit Veracini, dem<br />
Begründer einer noblen, berühmten Geigenschule. Mit Tarquinio<br />
Merula sind wir dann bereits im Veneto. Und mit der anschliessenden<br />
«Tarantella» von Andrea Falconiero definitiv in<br />
Neapel – das klingt sozusagen wie Spaghetti Napoli.<br />
«Wenn wir die ‹Follia› spielen, gleicht<br />
keine Aufführung der anderen.»<br />
maurice steger<br />
© Marco Borggreve<br />
Besonders brisant – man kennt es von Ihrer CD-Einspielung<br />
her – zum Schluss die Improvisationen über «Follia di<br />
Spagna» von Alessandro Scarlatti. Musik mit einem unwiderstehlichen<br />
Groove … Wie viel künstlerische Freiheit ist von<br />
den Musikern hier beim Improvisieren gewünscht resp.<br />
erlaubt?<br />
Ich gebe den Rahmen vor und lasse mich dabei von anderen<br />
musikalischen Quellen, die mir bekannt sind, leiten. Nicht jeder<br />
Musiker darf sozusagen einfach seine momentane private<br />
Befindlichkeit einbringen. Ein Rahmen muss sein, und zwar<br />
aufgrund der Architektur des Werks und seiner jeweiligen taktischen<br />
Einheiten. Im Jazz ist das letztlich nicht anders. Improvisieren<br />
ist eine spontanere Form des Komponierens, hält sich<br />
aber wie das Komponieren an Regeln. Dennoch, wenn wir die<br />
«Follia» spielen, gleicht keine Aufführung der anderen. Neulich<br />
in einem Konzert verloren wir sogar alle den Faden und fielen<br />
raus. Ich sagte dann zum Publikum: «Sehen Sie, das ist Improvisation.<br />
Wem so etwas nie passiert, der schummelt.»<br />
Werner Pfister<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013 23