Paar- und Familienstruktur bei Klinikaufnahme
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386 Carola Hiedl<br />
Von nun an widmete sie sich mit aller Energie dem Ziel, diesen Hof zu übernehmen:<br />
sie prozessierte mit den drei Tanten, ar<strong>bei</strong>tete für die Bezahlung der Rechtsanwälte.<br />
Schließlich gab sie das Studium auf <strong>und</strong> bezog ihren eigenen Hof. Immer wieder<br />
war sie von dem Motiv beseelt: ,,Euch zeig ich’s schon!“ Sie verkaufte den verfallenen<br />
Hof einem Dorfmuseum, baute mit eigenen Händen den ersten Kuhstall,<br />
wohnte auf dieser Baustelle, indem sie Jahr für Jahr ein Zimmer nach dem anderen<br />
r<strong>und</strong> um sich herum aufbaute. Dann holte sie die inzwischen pflegebedürftige Mutter<br />
zu sich: ,,Mit 24 Jahren hatte ich Ar<strong>bei</strong>t <strong>und</strong> Schulden wie ein Stabsoffizier,<br />
während andere in die Disco gingen!“ Sie habe ihre Ziele durchgesetzt, sei allerdings<br />
dafür nicht geliebt, sondern respektiert worden.<br />
Nach dem Unfall sei sie völlig aus dieser Bahn geworfen worden, weil sie nicht mehr<br />
die Kraft <strong>und</strong> Konzentrationsfähigkeit zur Aufrechterhaltung ihrer finanziellen <strong>und</strong><br />
persönlichen Autonomie gehabt habe.<br />
Die biographischen Angaben lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: ,,Die<br />
Persönlichkeitsentwicklung von Frau F. ist durch den Umstand, daß sie unehelich<br />
geboren <strong>und</strong> aufgewachsen ist, stark geprägt worden. Sie hat eine Position der<br />
Selbstverteidigung, der offensiven, sozusagen männlich orientierten Selbstbehauptung<br />
entwickelt. Ihr Bild von Frauen ist geprägt durch die alleinstehenden, ,,autonomen“<br />
Frauen auf den <strong>bei</strong>den elterlichen Höfen, die ihr alle kein Modell für<br />
Beziehungsverhalten zu männlichen Partnern boten. Männer erscheinen in der Person<br />
des behinderten Onkels <strong>und</strong> des von seinen Schwestern abhängigen Vaters als<br />
schwächlich. Die zweite wichtige Prägung ihres Lebensweges kann aus der tiefen<br />
Geb<strong>und</strong>enheit der Familienverbände an das jeweilige Hoferbe abgeleitet werden.<br />
Dem Ziel des eigenen Hofes werden andere persönliche Wünsche z.T. mit enormen<br />
Verzichtleistungen untergeordnet. Frau F. hat also ein Selbstbild entwickelt, mit<br />
dem sie als starke, mit männlichen Verhaltensweisen durchsetzungsfähige ,,Gutsherrin“<br />
ihren Platz im Leben erobert hat, wodurch der Makel ihrer unehelichen Geburt<br />
überstrahlt werden soll. Die objektive Schwächung ihrer Energien durch die<br />
neuropsychologischen Funktionsstörungen haben Frau F. im Zentrum ihres Selbstwertgefühls<br />
getroffen, so daß sich eine depressive Anpassungsstörung entwickelt<br />
hat.“<br />
Neuropsychologische Diagnostik<br />
Zur Begutachtung möglicher neuropsychologischer Defizite <strong>und</strong> ebenfalls möglicher<br />
psychisch bedingter Leistungshemmungen wählte ich Testverfahren aus, die<br />
neben der intellektuellen Leistungsfähigkeit (IST-70, WMS, LGT-3) besonders<br />
konzentrative <strong>und</strong> frontalhirngesteuerte Funktionen erfassen sollten (WRG, WDG,<br />
ZVT, d2-Test, MCST, FWIT, Büro-Test), sowie Instrumente zur Persönlichkeitsdiagnostik<br />
(MMPI-K, FPI-R).<br />
Die (neuro-)psychologische Untersuchung ergab folgendes Bild: Im IST-70 löst Frau<br />
F. 3 von 4 Aufgaben zum sprachlichen Denken unterdurchschnittlich, Formanalysen