01.11.2012 Aufrufe

Paar- und Familienstruktur bei Klinikaufnahme

Paar- und Familienstruktur bei Klinikaufnahme

Paar- und Familienstruktur bei Klinikaufnahme

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

388 Carola Hiedl<br />

gehen aber, wenn man die jetzt deutlich meßbaren Funktionseinschränkungen in<br />

Betracht zieht, über das Maß einer rein subjektiven Gewichtung hinaus. Als unmittelbare<br />

Folge der feststellbaren kognitiven Leistungseinschränkungen sind die emotionalen<br />

Reaktionen von Frau F. anzusehen: Die Persönlichkeit von Frau F. ist durch<br />

die Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit zentral erschüttert worden.<br />

Frau F. hat darauf depressiv reagiert <strong>und</strong> noch keine effektiven Bewältigungsstrategien<br />

entwickelt.<br />

Als therapeutische Intervention ist in diesem Fall mein Votum im Gutachten anzusehen,<br />

mit dem ich den Wunsch von Frau F. voll unterstützen konnte, einen höheren<br />

Grad der Behinderung zugesprochen zu bekommen: Gemäß den Anhaltspunkten<br />

für die ärztliche Gutachtertätigkeit (B<strong>und</strong>esminister für Ar<strong>bei</strong>t <strong>und</strong> Sozialordnung,<br />

1983) müssen die geistigen Leistungsbeeinträchtigungen als Folgen einer ,,Hirnschädigung<br />

mit mittelschweren Leistungsbeeinträchtigungen“ eingestuft werden<br />

<strong>und</strong> damit einem GdB von 50 bis 60 % zugeordnet werden. Die reaktive psychische<br />

Entwicklung ist nicht so schwerwiegend in ihren Behinderungsfolgen <strong>und</strong> kann mit<br />

20 % eingestuft werden, die nicht zusätzlich addiert werden müssen.<br />

Schlußfolgerungen<br />

Ich habe die Lebens- <strong>und</strong> Leidensgeschichte der Frau F. dargestellt, um zu zeigen,<br />

wie verkürzt diagnostische Aussagen geraten, wenn sie nicht auf dem Hintergr<strong>und</strong><br />

der Gesamtpersönlichkeit eingeordnet werden. Die dargestellten Bef<strong>und</strong>e aus den<br />

Rehabilitationskliniken zeigen diese Begrenzung auf die Darstellung der reinen<br />

Testbef<strong>und</strong>e <strong>und</strong> werden m. E. Frau F.’s Problematik nicht gerecht (Wurzer, 1992).<br />

Ob nun meine Schlußfolgerungen, die den neuropsychologischen Funktionsstörungen<br />

einen eigenständigen Stellenwert im Ensemble der Psyche einräumen, die aber<br />

ihre Relevanz auf dem Boden der Persönlichkeit gewinnen, der untersuchten Frau<br />

F. gerechter werden als frühere Begutachtungen, sollte jeder Leser auf dem Hintergr<strong>und</strong><br />

seiner Erfahrungen kritisch bewerten.<br />

Darüber hinaus wollte ich darauf hinweisen, daß wir uns auch mit den neuropsychologischen<br />

Testinstrumentarien nicht zu sicher im Besitz der objektiven Wahrheit<br />

wähnen sollten. Zur Analogie habe ich deshalb auch die Unsicherheit im medizinischen<br />

Feld angeführt, wo sich gezeigt hat, daß die Interpretation der doch als objektiv<br />

geltenden Kernspintomographie-Bilder große Schwierigkeiten bereitet hat.<br />

Aus heutiger Sicht kann noch ergänzt werden, daß die neuropsychologischen Bef<strong>und</strong>e<br />

die Annahmen über die Lokalisation bestimmter kognitiver Funktionen stützen.<br />

Frau F. zeigte als Rechtshänderin mit einer linksfrontalen cerebralen Läsion<br />

die auffälligsten Störungen im Reaktionstempo <strong>und</strong> dem sprachlichen Denken.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!