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sportFACHHANDEL 17/2014 Leseprobe

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30 | MEINUNG <strong>17</strong>.<strong>2014</strong><br />

Die Rückkehr der Gold gräber…<br />

… beobachtet Markus Huber nicht ohne Skepsis.<br />

Markus Huber ist<br />

stellv. Chefredakteur von<br />

<strong>sportFACHHANDEL</strong>. Der 42-Jährige<br />

analysiert die Branche als Journalist<br />

seit 1998, ist Mit-Verfasser mehrerer<br />

Marktstudien und berichtet seit<br />

2008 regelmäßig aus China.<br />

Kontakt:<br />

m.huber@<br />

sport-fachhandel.com<br />

Der kurzfristige<br />

Erfolg<br />

der Börsen gänge<br />

von Händlern<br />

ist noch kein<br />

hinreichender<br />

Beleg für ein<br />

tragfähiges globales<br />

Geschäftsmodell.<br />

Im letzten<br />

Jahr lag<br />

die operative<br />

Gewinnmarge von<br />

Amazon gerade mal<br />

bei einem Prozent<br />

des Netto-Umsatzes.<br />

Na, wie toll ist das denn?! Die Zeitungen sind<br />

wieder gespickt mit fulminanten Börsengängen.<br />

Besser noch: Der Blätterwald<br />

raschelt nicht wegen irgendwelcher Branchen, die<br />

sich wieder aufs Parkett trauen. Vielmehr geht es<br />

um den Triumph der mit Fleiß missachteten Mutter<br />

aller Erwerbszweige – des Einzelhandels. Da staunt<br />

der Händler, und der Ladenhüter wundert sich.<br />

In den Wirtschaftsgazetten suggeriert der märchenhafte<br />

Aufstieg von Zalando und des chinesischen<br />

Internet-Alleskönners Alibaba, dass im Einzelhandel<br />

und hier besonders im groß angelegten Internet-<br />

Geschäft jede Menge Geld steckt und dass Anleger<br />

grenzenloses Vertrauen in diese Modelle haben. Das<br />

Problem hängt hier mal wieder im Detail.<br />

Wo Zalando sein Selbstvertrauen hernimmt,<br />

steht durchaus auf dem Prüfstand. Keine Frage:<br />

Die Macher des Schuh- und Lifestyle-Händlers<br />

haben die Herzen der Konsumenten im Sturm<br />

erobert – durch guten Service, kleine Preise und<br />

vor allem durch sympathische Werbefeldzüge, die<br />

dem Zeitgeist entsprechen. Den Hut den wir ziehen,<br />

setzen wir uns aber gleich wieder auf: Im ersten<br />

Halbjahr <strong>2014</strong> konnten zwar erstmalig operative<br />

Gewinne erzielt werden. Die sind aber sehr klein.<br />

Zalando erklärt aber auch, wie das Profitlein bewerkstelligt<br />

wurde: durch Optimierung im Einkauf<br />

(das freut die Lieferanten), in der Logistik (das<br />

beschwingt die Mitarbeiter) und im Marketing („Ist<br />

das nicht diese tolle Fernsehwerbung?“). Es bleibt<br />

abzuwarten, inwieweit die tolle Stimmung erhalten<br />

bleibt, wenn diese nicht mehr befeuert wird bzw. das<br />

Marketing-Geld mühsam in neue Märkte gesteckt<br />

werden muss. Wachstum bedeutet an der Börse alles,<br />

und das muss kostenintensiv erarbeitet werden.<br />

„Alibaba und die 40 Plattformen“ lautet ein<br />

Geschäftsmodell aus China, das in der Tat profitabel<br />

ist. Seit 15 Jahren hat das Team um Gründer<br />

Jack Ma so ziemlich alles Vielversprechende aus<br />

den USA umgemodelt und an die Bedürfnisse des<br />

chinesischen Markts angepasst. Egal ob Amazon,<br />

Ebay oder PayPal – Alibaba bietet das alles einem<br />

schnell wachsenden Konsumentenmarkt nach dem<br />

Motto „von Chinesen für Chinesen“. Dieser Ansatz<br />

ist derzeit sehr erfolgreich. Die großen Wachstumssprünge<br />

der jüngeren Vergangenheit muss aber<br />

auch Alibaba erstmal wiederholen können – selbst<br />

mit den vielen Milliarden aus dem Börsengang: Der<br />

chinesische Inlandsmarkt stagniert, die Internet-<br />

Klientel könnte dort bald ausgeschöpft sein.<br />

Bedeutsamer ist aber: Die 40 Räuber haben ihr<br />

Modell darauf abgestellt, bewährte Konzepte aus<br />

dem Westen zu importieren. Soll die weitere<br />

Expansion dadurch gelingen, dass man wieder<br />

etwas zurückexportiert, was es sonstwo schon<br />

längst gibt? Eine reizvolle Aufgabe.<br />

Grundsätzlich gibt es die Tendenz zur (Selbst-)<br />

Überschätzung großer Internet-Händler. Das<br />

hängt mit ihrer oft großen Popularität unter den<br />

Verbrauchern zusammen, die nicht immer automatisch<br />

auf den Erfolg des Unternehmens selbst<br />

schließen lassen sollte. Auch die Presse entzieht sich<br />

dieser Euphorie nicht immer. Die Berichterstattung<br />

über Alibaba in diesen Tagen ist fast schon über<br />

Gebühr ausführlich und unangemessen emotional.<br />

Die Skeptiker sind leiser, aber bringen ihre grundsätzlichen<br />

Vorbehalte mit Bedacht vor. Die richten<br />

sich oft nicht gegen Alibaba als Firma, sondern<br />

gegen den Internethandel an und für sich. Man<br />

wähnt hier strukturelle Probleme und ruft dafür<br />

gerne niemanden Geringeres als Amazon selbst als<br />

Kronzeugen auf: Im letzten Jahr lag die operative<br />

Gewinnmarge gerade mal bei einem Prozent des<br />

Netto-Umsatzes. Beim Netto-Gewinn durfte man<br />

sich freuen, dass überhaupt einer da war.<br />

Börsianer beeindrucken solche Werte eigentlich<br />

genauso wenig wie den stationären Sporthändler,<br />

der oftmals deutlich bessere Zahlen vorlegen kann.<br />

Dabei liegt es auch auf der Hand, wo die strukturellen<br />

Schwächen der großen Internet-Player zu finden<br />

sind: Die Preisführerschaft und der systematische<br />

Hin- und Her-Versand von am Ende oftmals unerwünschter<br />

Ware zollt ihren Tribut. Gleichwohl zählt<br />

die schiere Masse des Umsatzes und der Marktkapitalisierung.<br />

Und die reicht zunächst aus, um kleinere,<br />

besser wirtschaftende Händler flachzulegen.<br />

Nur wenige zweifeln am kurzfristigen Erfolg der<br />

Börsengänge dieser Händler, der aber noch kein<br />

hinreichender Beleg für ein tragfähiges Geschäftsmodell<br />

ist. Also geht es eher um eine Goldgräberstimmung<br />

mit ihrer traditionellen Schwäche für<br />

ambitionierte, teils gewagte Businesspläne.<br />

Willkommen zurück im Jahr 2008 des übersteigerten<br />

Investoren-Wahns? Oder eher im Jahr<br />

2000, als die Internet-Blase platzte? Wir werden<br />

sehen, aber wir beobachten nicht ohne Sorge.

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