gastgeber Im Reich der süSSen Dinge Grenzen waren für Daniel Rebert schon immer zum Überwinden da. Längst gehört der reiselustige Elsässer zu den besten Chocolatiers Frankreichs, der Ruf seiner süSSen Köstlichkeiten reicht nicht nur bis Mannheim, sondern auch nach Japan. Ein Besuch im Allerheiligsten – den Backstuben an der Place du Marché aux Coux in Wissembourg. 70 UBI BENE UBI BENE 71
gastgeber Die Mittagszeit ist gerade vorüber, die drei Teesalons hinter der hübschen Barockfassade haben sich geleert, doch die ersten Nachmittagsgäste sind schon im Anmarsch. Vier Damen in Wanderkluft haben sich eine Belohnung verdient und der Blick, mit dem sie die Auslagen in den gläsernen Vitrinen betrachten, signalisiert: Der Höhepunkt des gemeinsamen Ausflugs steht unmittelbar bevor. Die Wahl fällt nicht leicht. Ein Stück Apfelkuchen oder lieber eins von diesen zarten Éclairs? Ein Obsttörtchen probieren oder doch ein paar Macarons? Hinter dieser Bühne der Genüsse wird schon am Nachschub gearbeitet. Ein Konditormeister ist tief versunken. Mit der leichten Hand des Routiners spritzt er aus einer Tülle cremige Verzierungen auf kleine Sahneschnitten, eine sieht aus wie die andere. Er lässt sich nicht stören, weder von neugierigen Beobachtern noch vom Kollegen, der aus dem mannshohen Backofen Bleche voller Macaron-Hälften holt. Daniel Rebert ist in seinem Element. „Riechen Sie“, fordert er auf und hebt den Deckel eines großen Plastikeimers. Haselmüsse verströmen einen betörenden Duft. „Aus dem Piemont“, verrät er. „Das sind die besten.“ Ein Praktikum in Paris wird zur Offenbarung Heimatstadt Wissembourg nach Paris zu einem Praktikum beim Papst der Pâtissiers, Gaston Lenôtre. Bis heute schwärmt er von dieser ersten Begegnung, die für ihn „ein Schock, ein Anstoß, totales Glück, eine Offenbarung“ war. Und ein Karrieresprungbrett. „Lenôtre hat damals schon wie kein anderer auf die Qualität der Zutaten, Geruch, Geschmack und Textur und auch auf die ästhetische Präsentation der Produkte geachtet“, erzählt er. Dem jungen Pâtissier, der seine Lehre in Haguenau als „bester Lehrling des Elsass“ abgeschlossen hatte, eröffnete der Meister eine neue Sicht auf den Beruf, eine Ahnung vom Potenzial, das in ihm steckte. Fortan steig er ein- bis zweimal pro Jahr in den Käfer und tuckerte in die Hauptstadt, um dazuzulernen. Denn: „In der Pâtisserie ist es wie in der Musik oder der Malerei: Man muss erst lernen, kopieren, die Grundlagen beherrschen, ehe man selbst erschaffen kann.“ Nicht alle waren begeistert, als er begann, die elterliche, vom protestantischen Arbeitsethos geprägte Bäckerei-Konditorei, die der Vater 1960 in Wissembourg gegründet hatte, umzukrempeln und bis dahin unbekannte Kreationen zu servieren. Doch als sich kurz vor Weihnachten erstmals eine Menschenschlange vor dem damals noch kleineren Betrieb bildete, war er sicher, auf dem richtigen Weg zu sein. Eine Alternative kam ohnehin nicht infrage. „Als Kinder haben wir nach der Schule immer beim Putzen der Bleche geholfen“, blickt er zurück. „Ich habe schon früh angefangen, eigene Produkte zu kreieren.“ Während Bruder und Schwester studieren gingen, entschied er sich für das Handwerk. Angesichts der Leidenschaft, mit der er bis heute, mehr als 30 Jahre später, seinen Beruf ausübt, könnte man meinen, die Pâtisserie sei sein Leben. Doch weit gefehlt. Diesen Satz wird er noch einige Male sagen. Als er Vanilleschoten, dick wie Bleistifte, präsentiert. „Aus Tahiti.“ Oder als er zum Verkosten von kandierten Orangenstäbchen einlädt. „Die lasse ich aus Korsika liefern. Ein ganz spezielles Verfahren. Nicht so süß und zuckrig.“ Oder als er das Geheimnis seiner Butter lüftet: „Aus Échiré in der Charente. Sehr trocken und nussig im Geschmack.“ Das Beste ist gerade gut genug für den Pâtissier aus dem Elsass, daran lässt er keinen Zweifel, denn: „Aus Schlechtem kann nichts Gutes entstehen.“ Seit 1977 hat er diesen Satz verinnerlicht. Damals fuhr der junge Konditormeister zum ersten Mal in seinem alten grünen Käfer aus seiner Aus Schlechtem kann nichts Gutes entstehen. Daher verwendet Daniel Rebert nur die besten Zutaten für seine Leckereien wie mit Schokolade überzogene Ingwerstäbchen oder die sehr französischen Macarons. 72 UBI BENE UBI BENE 73