Ausgabe 01/2013 (PDF-Datei) - Ubi Bene
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kunstsinn<br />
Am 16. März findet im Bensheimer<br />
Parktheater die Preisverleihung<br />
statt. Nach dem Titel „Beste<br />
Schauspielerin des Jahres 2008“ wird Constanze<br />
Becker jetzt mit dem Eysoldt-Ring, dem bedeutendsten<br />
Theaterpreis im deutschsprachigen<br />
Raum, gewürdigt. Eine hohe Anerkennung für<br />
eine junge Schauspielerin, die sich ganz in den<br />
Dienst ihrer Figuren stellt, ohne dabei die eigene<br />
Persönlichkeit zu verleugnen. So auch in der<br />
weit und breit eindrucksvollsten Inszenierung<br />
des Jahres, in der sie mit maximaler Bühnenpräsenz<br />
und Intensität das Publikum in ihren Bann<br />
zieht. Sie hat die exklusive Fähigkeit, den Zuschauer<br />
mitleiden zu lassen. Ein Talent für Dramatik.<br />
„Eine geborene Tragödin“, überschlagen<br />
sich die Feuilletons in ganz Deutschland.<br />
Sie ist früh oben angekommen. So früh, dass<br />
die weiteren Meilen einen zwangsläufigen Abstieg<br />
vermuten lassen. Doch Constanze Becker<br />
wittert keinerlei Gefahr, konzentriert sich mit<br />
voller Wucht immer auf die nächste künstlerische<br />
Herausforderung. In ihrem Beruf vereint<br />
sie Leidenschaft und Ehrgeiz mit einer tiefen<br />
Ernsthaftigkeit, was ihr von außen regelmäßig<br />
als streng, zugeknöpft und ein bisschen düster<br />
ausgelegt wird. In diese Schublade wird sie<br />
häufig gesteckt. Doch ihre chronische Lust an<br />
fokussierter Professionalität will sie sich nicht<br />
übelnehmen lassen. Nicht in den antiken Dramen,<br />
die sie wegen ihrer elementaren Konflikte<br />
und brachialen Sprachgewalt so liebt. Und<br />
ebenso wenig in den leichteren, komischen Rollen,<br />
in die sie nicht weniger Aufwand investiert.<br />
Beklemmendes Spiel und<br />
komödiantisches Talent<br />
Als die Akademie der Darstellenden Künste<br />
mit Sitz in Bensheim die Entscheidung bekannt<br />
gibt, steht Constanze Becker abends am<br />
Frankfurter Schauspiel in der Premiere von<br />
Moritz Rinkes neuem Stück „Wir lieben und<br />
wissen nichts“ auf der Bühne. An der Seite<br />
ihres Manns Oliver Kraushaar. Als verhuschte<br />
Tiertherapeutin auf High-Heels wuchert<br />
sie mit komödiantischem Talent. Sie sei froh,<br />
kommentierte sie während der Proben, einmal<br />
nicht mit fettigen Haaren auf der Bühne herumschreien<br />
zu müssen.<br />
Am Schauspiel Frankfurt spielt Constanze Becker die Medea<br />
(oben) und den Mephisto (unten) an der Seite von<br />
Wolfgang Michael in der Inszenierung „Faust. Zweiter Teil“.<br />
Man kennt sie als blutüberströmte Klytaimnestra<br />
in Thalheimers „Orestie“ (der Durchbruch),<br />
als besessene Frau John in dessen Inszenierung<br />
von „Die Ratten“ und als verzweifelte Jelena in<br />
Jürgen Goschs „Onkel Wanja“. Während und<br />
nach ihrer Zeit am Deutschen Theater in Berlin<br />
waren die beiden Regisseure die prägenden<br />
Spielleiter ihrer Wanderjahre. Vier Mal Thalheimer,<br />
zwei Mal Gosch. Und immer wieder Figuren<br />
in tragischen Verstrickungen, Mörderinnen<br />
und Furien. In Constanze Becker fusionieren<br />
radikale Härte und schleierhafte Verletzlichkeit.<br />
„Als Medea ist sie eine offene Wunde, ein Schrei<br />
auch in der Stille, ist Schmerz und zugleich klar<br />
und stark und messerscharf“, so Baumbauer.<br />
In dieser Rolle sei sie so beklemmend, dass sie<br />
die Zuschauer in eine Anspannung versetze, die<br />
man im Theater nicht oft erleben könne.<br />
Sie leidet gern, aber nicht<br />
an Größenwahn<br />
Constanze Becker besitzt schauspielerisches<br />
Selbstbewusstsein. Sie leidet gern, aber sicher<br />
nicht an Größenwahn. Sie schätzt das Epochale,<br />
Spektakuläre, ohne das Subtile zu vernachlässigen.<br />
Sie spielt nicht für die Resonanz,<br />
sondern vor allem für die bewusste Kollision<br />
mit sich selbst. Abgründe erforschen. Um der<br />
Geschichte Willen.<br />
Ihre eigene Geschichte wird in der Langzeit-<br />
Doku „Die Spielwütigen“ hautnah begleitet.<br />
Von 1996 bis 2003 hat Andres Veiel sie und<br />
drei weitere angehende Schauspieler bei der<br />
Ausbildung an der Ernst-Busch-Hochschule<br />
beobachtet. Damals war ihr längst klar, dass es<br />
auf dem Weg ins Theater keine Umwege geben<br />
soll. Als sie mit zwölf Jahren Robert Wilsons<br />
„The Black Rider“ im Thalia sieht, steht ihre<br />
Zukunft fest. Aus der Idylle von Lübeck entfernt<br />
sie sich nach dem Abi zum Vorsprechen<br />
nach Berlin. Die Schauspielschule nimmt sie<br />
beim ersten Versuch. Die Spielwut bleibt. Über<br />
Leipzig und Düsseldorf kommt sie zurück in<br />
die Hauptstadt, bis sie vom Metropolen-Hype<br />
die Nase voll hat. Seit 2009 arbeitet sie am<br />
Main. Als ungekrönte Königin des Frankfurter<br />
Ensembles. Pah, Krone: Welcher Kopfschmuck<br />
kann es mit diesem Ring schon aufnehmen?<br />
Bronzeskulpturen von Teresa riba<br />
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