Ausgabe 01/2013 (PDF-Datei) - Ubi Bene
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kunstsinn<br />
Aus der Mitte<br />
des Lebens<br />
Felicia Zeller gehört zu den meistgespielten jungen<br />
Autorinnen des deutschen Theaters. In dieser Spielzeit ist<br />
die gebürtige Stuttgarterin, die in Berlin-Neukölln lebt,<br />
Hausautorin am Mannheimer Nationaltheater.<br />
ZAUBERHAFT<br />
WoHnEn<br />
Stoffe erleben<br />
Vor der außergewöhnlichen Zuhörerin<br />
Felicia Zeller ist kein noch so leichtfertig<br />
dahingesagter Satz sicher. Als<br />
die Mitarbeiterin des Nationaltheaters Mannheim<br />
die derzeitige Hausautorin von einer Probe<br />
im Werkhaus zum Interview im Café des Theaters<br />
begleitet, verabschiedet sie sich mit den<br />
Worten: „Meine Kollegin führt Sie anschließend<br />
wieder zurück.“ Felicia Zeller guckt verzweifelt.<br />
„Oh Gott, schreiben Sie das bloß nicht. Frau<br />
Zeller muss geführt werden. So weit ist es gekommen.“<br />
Die 42-jährige Autorin hat ihre eigene Art, Menschen<br />
zu beobachten. „Gesichter kann ich mir<br />
nicht merken“, gibt sie zu. Dafür aber umso besser<br />
ihre Gestik, ihre Handlungen und vor allem<br />
das Gesprochene. Und was sich nicht sofort in<br />
ihr Gehirn einprägt, wird aufgeschrieben. In kleine<br />
Hefte und Büchlein, von denen sie immer eines<br />
mit sich herumträgt. Irgendwann gehen viele<br />
dieser Notizen in ihre Stücke ein, persifliert,<br />
ironisiert und überhöht. Ihre Themen sind die<br />
Themen unserer Zeit, die sich im Alltäglichen,<br />
Banalen, in der Verstörtheit oder Verzweiflung<br />
der Protagonisten spiegeln. Aus Alliterationen,<br />
eingeflochteten Reimen und Satzwiederholungen<br />
baut sie Sprachkaskaden von stakkatohaftem<br />
Rhythmus, die sie sich beim Schreiben immer<br />
wieder selbst vorliest, um ihre Wirkung zu<br />
überprüfen. Das klingt nach Komik, ist es aber<br />
nur bedingt. Klug inszeniert, entwickeln sich auf<br />
der Bühne Szenen, bei denen dem Zuschauer<br />
ein ums andere Mal das Lachen im Hals stecken<br />
bleibt. „Eigentlich habe ich gar keinen Humor“,<br />
findet Felicia Zeller. Vieles ist ironisch. Was sie<br />
schreibt, und auch, was sie sagt.<br />
Rückblende. Zur Karriere als Schriftstellerin gab<br />
es keine Alternative. „Nie.“ Als Jugendliche versucht<br />
sie sich in Liebeslyrik. „Das ist alles vernichtet.“<br />
Ihren Durchbruch als Dramatikerin feiert<br />
sie 1990 mit dem Stück „Meine Mutter war<br />
einundsiebzig und die Spätzle waren im Feuer in<br />
Haft“. Seitdem hat Felicia Zeller 17 Theaterstücke<br />
geschrieben, darunter den Publikumsrenner<br />
„Kaspar Häuser Meer“, der ihr den Publikumspreis<br />
bei den Mülheimer Theatertagen 2008<br />
bescherte, und „Gespräche mit Astronauten“,<br />
das unter der Regie von Schauspieldirektor<br />
Burkhard C. Kosminski 2<strong>01</strong>1 in Mannheim uraufgeführt<br />
wurde. Außerdem erschien der Prosaband<br />
„Einsam lehnen am Bekannten“, für den<br />
sie 2009 den Clemens Brentano Förderpreis für<br />
Literatur der Stadt Heidelberg erhielt. Nebenbei<br />
erwarb sie 1998 ihr Diplom an der Filmakademie<br />
Baden-Württemberg in Stuttgart, ehe sie<br />
nach Berlin zog, wo sie seither immer wieder<br />
auch Kurzfilme produziert.<br />
Bemerkungen,<br />
die Befehle sind<br />
Sie selbst findet dieses Pensum gar nicht so beachtlich.<br />
„Das scheint nur so. Derzeit arbeite ich<br />
nur an dem Stück für Mannheim. Auch wenn<br />
ich hoffe, dass ich auch noch ein paar andere<br />
Gedanken habe.“ Ihr Auftrag als Hausautorin<br />
am Nationaltheater ist es, ein Stück zu schreiben,<br />
das voraussichtlich im Herbst uraufgeführt<br />
werden soll. Dass sie für die aktuelle Spielzeit<br />
ausgewählt wurde, habe sicher mit der Zusammenarbeit<br />
mit Kosminski für „Gespräche mit<br />
Astronauten“ vor zwei Jahren zu tun, glaubt die<br />
Schwäbin. Es scheint für beide Seiten gepasst<br />
zu haben. „Kosminski ist ein Regisseur, der sich<br />
nicht vor Autoren fürchtet“, sagt sie. Und umgekehrt?<br />
Fürchtet sie sich vor Regisseuren? „Man<br />
kann sich Regisseure nicht immer aussuchen.<br />
Furcht ist sicher übertrieben. Hass wäre das<br />
bessere Wort.“ Ein Regisseur müsse den Motor<br />
des Textes verstehen, seine innere Sprachstruktur<br />
und Rhythmik. Sie selber habe beim Schreiben<br />
keine inszenatorischen Gedanken, daher<br />
gebe sie auch keine Regieanweisungen. „Wenn<br />
ein Regisseur das Stück versteht, braucht er sie<br />
nicht. Wenn nicht, helfen sie auch nicht.“ Dennoch<br />
stellt sie jedem Stück „Bemerkungen der<br />
Autorin“ voran. „Aber eigentlich sind das doch<br />
eher Befehle.“ Die Zusammenarbeit mit <br />
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100 UBI BENE<br />
UBI BENE 1<strong>01</strong>