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<strong>uni</strong>:<strong>aktuell</strong><br />
Studierende als Gutachter gesucht<br />
Staunend stand ich vor dem Pla<strong>kat</strong>. Es scheint völlig normal, dass ProfessorInnen<br />
von der Wirtschaft oder von staatlichen Stellen als Gutachter für<br />
alles Mögliche herangezogen werden. Schließlich sind sie ausgewiesene Experten<br />
– sozusagen von Berufs wegen. Aber Studenten als Gutachter – und<br />
auch noch bezahlt? Hört sich erstmal unglaublich an.<br />
Auf dem Pla<strong>kat</strong> steht, dass es um die<br />
Begutachtung von Studiengängen anderer<br />
Hochschulen geht.<br />
Naja, denke ich – fragen kostet ja nichts.<br />
Kurz entschlossen rufe ich die angegebene<br />
Telefonnummer an und mache einen Termin<br />
mit dem zuständigen AStA-Referenten, Björn<br />
Stecher aus.<br />
In den Medien wird bereits seit Jahren über<br />
die neuen Studiengänge gesprochen. Bachelor-Programme<br />
(BA) und Master-Programme<br />
(MA) sollen bis 2010 alle Diplomstudiengänge<br />
abgelöst haben. Ziel dieses so genannten<br />
»Bologna-Prozesses« ist ein europäischer<br />
Hochschulraum. Abschlüsse und Leistungen<br />
aller europäischen Studierenden sollen vergleichbarer<br />
werden. Studiensemester, Praktika<br />
und der Berufseinstieg im europäischen<br />
Ausland sind in 10 bis 20 Jahren problemlos<br />
möglich – so die Theorie.<br />
Klingt alles nach großer Politik – was sollen<br />
jetzt Studenten als Gutachter dabei? Björn<br />
erklärt mir, dass die Umstellung auf BA/MA-<br />
Studiengänge in Deutschland mit einer großen<br />
Studienreform verbunden wurde (*gähn*<br />
- nicht schon wieder Politik)…<br />
Unsere Diplomstudiengänge sollen nicht<br />
einfach nur umbenannt werden. Verkrustete<br />
Strukturen und Prozesse bei der Organisation<br />
des Studiums sollen aufgebrochen<br />
werden und sich zu serviceorientierter<br />
Unterstützung für unser Studium wandeln.<br />
Veraltete und »überflüssige« Inhalte sollen<br />
aus den Stundenplänen gestrichen und die<br />
Lehrveranstaltungen nicht mehr input-,<br />
sondern output-orientiert geplant und<br />
durchgeführt werden. Es ist also nicht mehr<br />
wichtig, was der Professor uns überhelfen<br />
will, sondern was wir mit dem gelernten<br />
Stoff hinterher anfangen können.<br />
Klingt eigentlich super. Wie oft habe ich in<br />
der Vorlesung gesessen und wusste nicht<br />
wofür ich den Stoff eigentlich brauche oder<br />
wie und wo ich das Gehörte anwenden kann<br />
– außer in der Klausur.<br />
Außerdem sollen die »Leistungen« unserer<br />
Dozenten überprüft werden – damit sie eine<br />
Rückmeldung von uns bekommen und ihre<br />
Lehre oder die Prüfungen ggf. verbessern.<br />
»Hört sich alles megakompliziert an, ist aber eigentlich ganz einfach.«<br />
Das wäre ein Quantensprung, denke ich.<br />
Die Kultusminister der Länder haben sich<br />
vor ein paar Jahren geeinigt, alle neuen<br />
Studiengänge einer Gutachterprüfung zu unterziehen.<br />
Erfüllen die Programme bestimmte<br />
Mindestanforderungen nicht, werden sie<br />
nicht zugelassen.<br />
So gibt es in Deutschland z.Z. sechs (Akkreditierungs-)Agenturen,<br />
die die neuen Studiengänge<br />
prüfen, d.h. akkreditieren sollen.<br />
Diese Agenturen stellen für jeden Studiengang<br />
eine Gutachtergruppe zusammen.<br />
Bis vor kurzem mussten nur Professoren und<br />
Personalchefs aus der Wirtschaft dabei sein.<br />
Nun hat der Akkreditierungsrat im Dezember<br />
beschlossen, das auch jeweils ein Student<br />
dabei sein muss – als Experte für Studierbarkeit<br />
des Studiums, die Organisation und<br />
Verwaltungsprozesse sowie die Qualitätssicherung<br />
(Evaluation u.a.).<br />
Aber wie komme ich als Student in so eine<br />
Gutachtergruppe und woher bekomme ich das<br />
nötige »Expertenwissen«?<br />
Dafür gibt es den studentischen Akkreditierungspool.<br />
Das ist quasi eine Datenbank,<br />
die die Namen und Adressen geschulter<br />
Studierender enthält. Wenn die Agenturen<br />
also ein Gutachter-Verfahren an irgendeiner<br />
deutschen Hochschule beginnen wollen,<br />
fragen sie die Pool-Verwaltung nach einem<br />
geeigneten Studierenden (Fachrichtung).<br />
Diese schickt die Anfrage dann per Email<br />
an alle Studenten, die auf der Liste stehen.<br />
Wer Zeit und Lust hat, ein Verfahren als<br />
Gutachter zu begleiten meldet sich einfach<br />
zurück. Nur einige studentische Organisationen<br />
können Studierende in den »Pool«<br />
entsenden. Dazu gehören die fachlich<br />
zuständigen Bundesfachschaftentagungen<br />
(BuFaTa), die Landesastenkonferenzen<br />
(LAK) oder der Freie Zusammenschluss der<br />
Studierendenschaften (fzs).<br />
Hört sich alles megakompliziert an, ist aber<br />
eigentlich ganz einfach.<br />
Die politisch völlig unabhängige »Pool«-<br />
Verwaltung führt regelmäßig Schulungsseminare<br />
durch. Jede/r Studi kann sich dafür<br />
anmelden. Auch die BuFaTa treffen sich<br />
i.d.R. einmal im Semester und schulen die<br />
interessierten Teilnehmer der Tagungen.<br />
Zusätzlich finden an einigen Hochschulen<br />
– z.B. auch an der FHTW – regelmäßig<br />
Treffen statt, in denen die »Poolmitglieder«<br />
aus unserer Hochschule Erfahrungen<br />
austauschen.<br />
Super, denke ich. Würde ich ja gerne mitmachen,<br />
aber bin ich dann verpflichtet mitzumachen,<br />
wie viel Zeit kostet das Ganze und<br />
gibt es einen finanziellen »Bonus«?<br />
Pflicht für alle ist natürlich die kostenlose<br />
Schulung auf einem Seminarwochenende<br />
des »Pools« oder auf einer BuFaTa. Übrigens<br />
sehr intensiv und gut! Wenn man dann in<br />
der Liste des Pools steht, kann man selbst<br />
entscheiden ob man bei einem Verfahren<br />
mitmachen will oder nicht – die Infos gehen<br />
immer per Email an alle Studis im »Pool«<br />
rum.<br />
Ein Verfahren funktioniert so: Man meldet<br />
beim Pool per Email die Übernahme eines<br />
der ausgeschriebenen Verfahren an. Einige<br />
Wochen vor der Begehung bekommt man die<br />
Daten der anderen drei bis fünf Gutachter<br />
und die Unterlagen der Hochschule – meistens<br />
so 300 Seiten stark. Einige Teile, z.B.<br />
Forschungsvorhaben etc., muss man sich als<br />
Student aber nicht unbedingt antun. Für das<br />
Durcharbeiten braucht man anfangs etwa 15<br />
bis 20 Stunden – mit der Erfahrung wird es<br />
später weniger.