Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
46 PANORAMA Donnerstag, 23. Oktober 2014<br />
Pharma-Expertenfordern<br />
Paracetamol nur<br />
noch auf Rezept!<br />
Foto:mangpor2004 -Fotolia<br />
Beliebtes Schmerz-Medikament hat noch gefährlichereNebenwirkungen als bisher schonbekannt<br />
Berlin – Viele werfen die Pillen<br />
wie Bonbons ein. Paracetamol<br />
ist eines der beliebtesten<br />
Schmerzmittel.<br />
Günstig, rezeptfrei und es<br />
darf während der Schwangerschaft<br />
genommen werden.<br />
Doch neue Studien zeigen,<br />
dass die Nebenwirkungen<br />
noch gefährlicher und<br />
umfangreicher sind. Experten<br />
fordern jetzt: Paracetamol<br />
nur noch auf Rezept!<br />
Dassdas Medikament bei zu<br />
hohen Dosen zu Leberversagenführen<br />
kann oder das Risiko<br />
für Magengeschwüre,<br />
Herzinfarkt und Schlaganfall<br />
erhöht, ist bekannt. Deshalb<br />
wurden vor fünf Jahren die<br />
Packungen verkleinert.<br />
Aber: „Selbst bei erlaubter<br />
Dosierung kann die Leber<br />
nachhaltig geschädigt werden“,<br />
sagte der Pharmakologe<br />
KayBrune (Uni Erlangen-<br />
Nürnberg) zur MOPO.<br />
Noch bedenklicher: „Gerade<br />
zur Wirkung auf Kinder<br />
bei schwangeren Frauen<br />
sind jetzt entscheidende Studien<br />
herausgekommen. Sie<br />
zeigen, dass die physische<br />
wie auch psychische Entwicklung<br />
dieser Kinder eingeschränkt<br />
ist. Die Gefahr,<br />
an Asthma zu erkranken und<br />
nur eine eingeschränkteFertilität<br />
zu haben, ist erhöht.<br />
Diese Kinder leiden auch<br />
häufiger an ADHS.“<br />
Der Pharmakologe beruft<br />
sich dabei auf eine neue Statistik<br />
mit 64322 dänischen<br />
Müttern und ihren zwischen<br />
1996 und 2002 geborenen<br />
Kindern. Etwadie Hälfte der<br />
Mütter gab an, während der<br />
Schwangerschaft Paracetamol<br />
eingenommen zu haben.<br />
Ihre Kinder hatten ein rund<br />
37 Prozent höheres Risiko,<br />
an ADS oder ADHS zu erkranken.<br />
Eine norwegische<br />
Studie aus dem Vorjahr<br />
brachteähnliche Ergebnisse.<br />
Brune fordert: „Paracetamol<br />
sollteesinZukunftnur noch<br />
auf Rezept geben.“ Dieses<br />
Medikament würde heute<br />
generell nicht mehr zugelassen<br />
werden.<br />
Eine generelle Rezeptpflicht<br />
für Paracetamol hat<br />
auch das ostdeutsche Giftinformationszentrum<br />
in Erfurt<br />
gefordert. „Dieser Schritt ist<br />
längst überfällig, da eine<br />
Überdosierung schwere Nebenwirkungen<br />
verursacht“,<br />
so Leiter HelmutHentschel.<br />
Das Bundesinstitut für<br />
Arzneimittel und Medikamente<br />
(BfArM) drängt<br />
schon länger auf Beschränkungen<br />
vonSchmerzmitteln.<br />
Prof. Walter Schwerdtfeger,<br />
bis Juli Behörden-Chef,<br />
mahnt, dassvielen Patienten<br />
die Risiken nicht bewusst<br />
seien: „Deshalb erscheint<br />
uns eine Begrenzung der Packungsgrößen<br />
ein sinnvolles<br />
Instrument, um das Risikobewusstsein<br />
zu schärfen.<br />
Künftig würden dann ohne<br />
Rezept nur noch solche Packungsgrößen<br />
erhältlich<br />
sein, die eine Vier-Tages-Dosis<br />
nicht überschreiten.“ Die<br />
Entscheidung fällt in der Politik.<br />
Falls es für Paracetamol<br />
neue Erkenntnisse zu ernsthaften<br />
Nebenwirkungen gebe,<br />
soCDU-Gesundheitsexperte<br />
Jens Spahn, sollte „zumindest<br />
die Packungsgröße“<br />
beschränkt werden.<br />
Als Alternativen zuParacetamol<br />
empfiehlt Brune<br />
Ibuprofen, Diclofenac, Naproxen.<br />
„Auch wenn diese<br />
Arzneien keine unbedenklichen<br />
Heilsbringer sind.“<br />
„Gorch Fock“ Herbe Niederlage<br />
für Eltern der totenKadettin<br />
Aachener Verwaltungsgericht schmettert Entschädigungszahlung in Höhe von40000 Euroab<br />
Aachen – Sechs Jahre nach<br />
dem Todder Kadettin Jenny<br />
Böken (✝18) auf einer Ausbildungsfahrt<br />
des Segelschulschiffs„Gorch<br />
Fock“ verhandelte<br />
das Aachener Verwaltungsgericht<br />
über die Entschädigungsklage<br />
der Eltern<br />
auf 40 000 Euro. Geld bekommen<br />
Marlis und UweBöken<br />
nicht –doch das war ihnen<br />
nach eigener Aussage gar<br />
nicht wichtig...<br />
Marlis und Uwe Böken (o.) wollen die Umstände von Jennys (o.r.)<br />
Tod klären. Im Gericht begegneten sie dem früheren Gorch-Fock-<br />
Kapitän Michael Brühn (r.).<br />
Nach dem Soldatenversorgungsgesetz<br />
hätte Jennys Eltern<br />
eine Entschädigung zugestanden,<br />
wenn die Kadettin<br />
bei der Dienstausübung unter<br />
besonderer Lebensgefahr gestorben<br />
wäre. Die 18-Jährige<br />
aus Geilenkirchen war nach<br />
einem Sturz <strong>vom</strong> Segelschulschiff<br />
inder Nordsee ertrunken.<br />
Die Todesumstände sind<br />
bisher nicht geklärt.<br />
Jennys Eltern zweifeln an<br />
der Version, es sei ein tragischer<br />
Unfall gewesen. Nach<br />
ihren Recherchen herrschte<br />
bei jener Nachtwache am 3.<br />
September 2008 schwere See.<br />
Ihre Tochter habe keine<br />
Schwimmwestegetragen und<br />
ungesichert ganz vorne auf<br />
dem Postenausguck des Schiffes<br />
gestanden. Als man sie<br />
fand, trug Jenny keine Stiefel,<br />
laut Obduktion gab es kein<br />
Wasser in der Lunge. Auch<br />
vongesundheitlichen Problemen<br />
der 18-Jährigen war immer<br />
wieder die Rede.<br />
Doch das Gericht stellte<br />
Fotos: dpa<br />
jetzt im Urteil fest, dass für<br />
Jenny während des Wachdienstes<br />
keine besondere Lebensgefahr<br />
bestand. Es sei<br />
nicht wahrscheinlich, bei diesem<br />
Dienst zu sterben, begründete<br />
Richter Markus<br />
Lehmler das Nein zu einer<br />
Entschädigungszahlung. „Wir<br />
sind enttäuscht“, sagteJennys<br />
Vater Uwe Böken. Die Eltern<br />
wollen prüfen, ob sie Rechtsmittel<br />
einlegen. „Solange die<br />
Gesundheit das zulässt, werden<br />
wir keine Ruhe geben, bis<br />
wir wissen, waspassiert ist.“