Nr. 09 November 2010 Geronto-News Die Online-Fachzeitschrift für
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Benotungen <strong>für</strong> Pflegeheime in Deutschland sind rechtswidrig<br />
Eine „supergute Idee“ meinte man in Deutschland gefunden zu haben, um die Pflegequalität<br />
zu steigern: Ein bundesweites Benotungssystem <strong>für</strong> Pflegeheime sollte <strong>für</strong> Interessierte<br />
Orientierung bieten und durch Förderung des Wettbewerbes die Qualität der Einrichtungen<br />
verbessern. Jetzt hat ein Gericht entschieden: <strong>Die</strong>se Art der Bewertung ist irreführend.<br />
<strong>Die</strong> Beurteilungskriterien in den sogenannten<br />
Transparenzberichten seien "nicht geeignet,<br />
die von den Pflegeheimen erbrachten Leistungen<br />
und deren Qualität sachgerecht zu beurteilen",<br />
erläuterte ein Sprecher des Sozialgerichts<br />
Münster die Entscheidung.<br />
<strong>Die</strong> Transparenzberichte sollen Heime miteinander<br />
vergleichbar machen. Da<strong>für</strong> lag bislang<br />
ein Kriterienkatalog mit 82 Punkten vor. <strong>Die</strong><br />
Noten basieren auf Befragungen, die Tester<br />
des Medizinischen <strong>Die</strong>nstes der Krankenkassen<br />
in Pflegeheimen erheben. <strong>Die</strong> Prüfer besuchten<br />
unangekündigt Pflegeheime und analysieren<br />
sie anhand der Kriterien.<br />
<strong>Die</strong>se reichen vom Umgang mit Medikamenten<br />
über Hygiene, Sauberkeit, Lesbarkeit der<br />
Speisepläne bis hin zum Freizeitangebot des<br />
Heims. Auch die Meinung der Heimbewohner<br />
fließt in die Bewertung mit ein. Nach dem<br />
Schulnotenprinzip wurden dann die einzelnen<br />
Bereiche bewertet.<br />
Den Anstoß <strong>für</strong> das Prüfsystem hatten i. Ü<br />
Berichte über eine erschreckend hohe Zahl<br />
wundgelegener und unterernährter Heimbewohner<br />
geliefert. Daraufhin war beschlossen<br />
worden, sämtliche Heime und ambulanten<br />
Pflegedienste unangemeldet und einmal im<br />
Jahr zu prüfen und diese Ergebnisse auch zu<br />
veröffentlichen. <strong>Die</strong> Notenvergabe war seit<br />
ihrer Einführung im vergangenen Jahr allerdings<br />
stark umstritten.<br />
So bemängelte auch der bekannte Münchner<br />
Pflegekritiker Fussek das Benotungssystem als<br />
wenig hilfreich. In der Branche tummelten<br />
sich bereits zahlreiche Berater, die Heimbetreiber<br />
„darin unterweisen, wie sie <strong>für</strong><br />
schlechte Häuser gute Noten bekommen“,<br />
sagte er dem Tagesspiegel.<br />
Außerdem nütze es oft wenig, die teils schweren<br />
Mängel von Pflegeheimen zu kennen.<br />
„Viele Häuser werden nicht geschlossen, weil<br />
keiner weiß, wohin mit den Bewohnern“, sagte<br />
er. „Und viele Heime sind auch deshalb so<br />
schlecht, weil gute Pflegekräfte auf dem Arbeitsmarkt<br />
kaum noch zu finden sind.“<br />
Recht<br />
5<br />
Ein Heim im Raum Borken klagte nun gegen<br />
die Veröffentlichung des Transparenzberichtes<br />
im Internet und bekam Recht. Dass in diesem<br />
Fall die Veröffentlichung untersagt wurde, ist<br />
ein bundesweites Präzedenzurteil.<br />
Das Gericht stützte sich in seinem Urteil unter<br />
anderem auf eine wissenschaftliche Studie<br />
vom Juli <strong>2010</strong>, die ergeben hatte, dass nur<br />
zwei der 64 Einzelnoten den Maßstab der Ergebnisqualität<br />
beträfen und hält zudem die<br />
Systematik der Bewertung <strong>für</strong> misslungen.<br />
<strong>Die</strong> Darstellung der Pflegenoten im Transparenzbericht<br />
sei <strong>für</strong> den Leser nicht nachvollziehbar.<br />
Sie stelle eine Irreführung der<br />
Verbraucher dar, heißt es im Urteil.<br />
Der Spitzenverband der Pflegekassen lobte<br />
hingegen die Transparenz, die durch die Vergabe<br />
von Noten entstanden sei. "<strong>Die</strong> Pflegenoten<br />
haben erstmals Transparenz in die Pflegequalität<br />
gebracht", sagte Verbandssprecher<br />
Florian Lanz. Es wäre ein gewaltiger Rückschritt<br />
<strong>für</strong> die Verbraucherinnen und Verbraucher,<br />
wenn sich künftig schlechte Pflege wieder<br />
unter dem Mantel der Intransparenz verstecken<br />
könnte. <strong>Die</strong> Pflegenoten hätten sich<br />
grundsätzlich bewährt. "Wir sehen der weiteren<br />
rechtlichen Prüfung gelassen entgegen."<br />
Vorerst darf der Transparenzbericht nicht veröffentlicht<br />
werden. Wegen der Bedeutung des<br />
Rechtsstreits, ließ das Gericht die Revision<br />
zum Bundessozialgericht zu.<br />
Quelle: www.zeit.de