Der Spitzel war immer dabei - Kath.de

Werner Kaltefleiter: Der Spitzel w ar immer dabei. Über den Kirchenkampf im Kalten Krieg
schen Sicherheitsorgane. 28 Die Agenten berichten aus Rom: „Unseren Informationen
zufolge ist man in diplomatischen Kreisen des Vatikans
über die Wahl Heinemanns 29 zum Präsidenten der BRD nicht erfreut“.
Man halte ihn zwar „nach seinen persönlichen Eigenschaften“
für einen „symphatischeren“ Menschen als Schröder 30 , sei aber der Meinung,
„dass er wegen seiner pazifistischen Ansichten und seiner Zugehörigkeit
zur protestantischen Kirche weniger für den Posten
des Präsidenten geeignet ist als Schröder.“
Heinemann sei auch gegen eine „Verschmelzung der katholischen und
protestantischen Kirche“, er gebe „der Herstellung eines Bündnisses
zwischen ihnen unter Führung der protestantischen Kirche
den Vorzug“. Die ungarischen Genossen wollen erfahren haben, dass es dem Vatikan
auch nicht gefalle, „dass Heinemann Verfechter der Trennung von Kirche
und Staat ist.“
Was sich da liest, als handele sich um Premium-Qualität aus dem vatikanischen Nähkästchen,
schätzten die geübten Analysten der MfS-Zentrale allerdings zurückhaltender
ein und kommentierten diese Mitteilung als „Information“ mit dem Zusatz: „Die
Information spiegelt nur die Meinung eines Teils der diplomatischen
Kreise des Vatikans wider, jedoch können die aufgezählten
Fakten die gegenseitigen Beziehungen zwischen dem Vatikan
und der BRD beeinflussen.“
Ungarische „Rhapsodien“
Auf die Ungarn war Verlass, das wussten schon die Experten des SD. Für die Bespitzelung
des Vatikans schienen sie geradezu die idealen Kundschafter zu sein. Wer würde
schon hinter einem Besucher aus diesem erzkatholischen Land einen falschen Fuffziger
vermuten, zumal, wenn er in Soutane erschien. Wie schon an anderer Stelle erwähnt,
„bedienten“ sie die Ostberliner Stasi-Genossen auch mit speziellen Deutschland-
Informationen, respektive: die Kirchenabteilung bat die Budapester um „brüderliche“
Hilfe bei der Aufklärung von katholischen Angelegenheiten. Diese betrafen nicht nur
innervatikanische Themen oder die vatikanische Diplomatie.
28 Vgl. Abteilung X: Information der Sicherheitsorgane der UVR. Die Meinung des Vatikans über den
neuen Präsidenten der BRD, Übersetzung aus dem Russischen, Berlin, den 30. 6. 1969.
29 Gustav Heinemann: Bundespräsident (1969-1974), „überzeugter Pazifist“. Seit 1934 Mitglied der Bekennenden
Kirche, 1949-1955 Präses der Synode der EKD, 1950 Rücktritt als Bundesinnenminister aus
dem Kabinett Adenauer aus Protest gegen die Wiederbewaffnung, 1952 Austritt aus der CDU, 1957
Wechsel zur SPD.
30 Gerhard Schröder: Bundesminister des Inneren (1953-1961), des Äußeren (1961-1966), der Verteidigung
(1966-1969). In der Außenpolitik ein „Atlantiker“ mit Anlehnung an die USA, bei der Wahl zum
Bundespräsidenten als Kandidat der CDU und CSU gegen Gustav Heinmann (SPD) im 3. Wahlgang
knapp mit 506 zu 512 Stimmen unterlegen.
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