EVANGELISCHES BERATUNGSZENTRUM - EBZ München
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24<br />
2.3 Rechtsberatung in der Staatlich anerkannten Beratungsstelle für<br />
Schwangerschaftsfragen<br />
Ein Interview mit Renate Mitleger, Fachanwältin für Familienrecht, seit 20 Jahren für das ebz tätig<br />
Sabine Simon: Wie bist du eigentlich vor 20 Jahren zum<br />
ebz gekommen?<br />
Renate Mitleger: Ich glaube, dass mich die damalige Leiterin<br />
der Schwangerschaftsberatung, Ruth Cohen, angesprochen<br />
hatte. Zu der Zeit war ich neben meiner Kanzleitätigkeit in<br />
einer Frauenselbsthilfegruppe ehrenamtlich engagiert und<br />
hatte auch dort überwiegend zu familienrechtlichen Fragen<br />
beraten. Frau Cohen hatte dies wohl in Erfahrung gebracht.<br />
Sabine Simon: Renate, wie muss man sich deine Honorartätigkeit<br />
hier in der Schwangerschaftsberatungsstelle vorstellen?<br />
Renate Mitleger: Wer zu mir kommt, bestimmen die Beraterinnen<br />
und Berater. Wenn Sie meinen, dass eine juristische<br />
Beratung sinnvoll wäre und die Klärung der Fragen dringend<br />
erscheint, empfehlen sie eine Beratung bei mir. Das Sekretariat<br />
übernimmt dann die Terminvereinbarung. Oft sind die Klientinnen<br />
in einer Krise und aufgrund von unterschiedlichen<br />
Gründen nicht in der Lage sich einen Juristen zu suchen bzw.<br />
scheuen die Kosten eines Rechtsanwaltes. Daneben stehe ich<br />
den Berater/innen zur Verfügung, wenn diese fallbezogene<br />
juristische Fragen haben. Ein bis zwei Mal im Jahr komme ich<br />
auch ins Team und informiere über neue gesetzliche Bestimmungen<br />
und Verfahren.<br />
Sabine Simon: Haben sich die Themen im Laufe der Jahre<br />
verschoben oder geändert?<br />
Renate Mitleger: Ja, das Thema Geld und Geldnot wird seit<br />
einigen Jahren vermehrt angesprochen, das spielt eine wesentlich<br />
größere Rolle als vor 20 Jahren. Viele der Klientinnen<br />
sind verschuldet, kommen mit ihrem Einkommen nicht<br />
klar, haben Schwierigkeiten mit den Behörden und mit den<br />
Banken. Seit der Einführung des Sozialgesetzbuches II geht<br />
es zudem sehr häufig um die reine Existenzsicherung. Neben<br />
den Themen wie Kredite und Schulden sind der Unterhalt für<br />
das nicht eheliche Kind und der Betreuungsunterhalt für die<br />
nicht eheliche Mutter die zentralen Fragen der Frauen. Auch<br />
die Problematik zum Umgang des Kindes mit dem Kindesvater<br />
bleibt wichtig. Da sind die Befürchtungen manchmal<br />
sehr groß, wie viel Kontakt und auch finanzielle Abhängigkeit<br />
man zu einem Menschen zulassen muss, den man eigentlich<br />
komplett aus seinem Leben ausblenden möchte. Gerade in<br />
der Beratung von Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch<br />
erwägen, spielt das eine große Rolle. In jüngster Zeit<br />
gibt es auch viele Fragen nach der gemeinsamen elterlichen<br />
Sorge. Die Furcht von Frauen, die ein nicht eheliches Kind<br />
erwarten und keinen Partner (mehr) haben, womöglich das<br />
Sorgerecht automatisch ab Geburt mit dem Kindesvater teilen<br />
zu müssen, ist groß. Da besteht Aufklärungsbedarf. Eine<br />
Gesetzesänderung wird ja momentan dahingehend diskutiert.<br />
Sabine Simon: Welche<br />
familiengesetzlichen Änderungen<br />
der letzten 20<br />
Jahre hatten deiner Meinung<br />
nach große Auswirkungen<br />
auf die Belange<br />
unserer Klientinnen?<br />
Renate Mitleger: Meilensteine<br />
war mit Sicherheit<br />
die Änderungen beim<br />
Thema Nichtehelichkeit,<br />
also die Gleichstellung der<br />
nicht ehelichen Kinder mit<br />
ehelichen, die Möglichkeit<br />
der gemeinsamen elterlichen Sorge von nicht verheirateten<br />
Paaren und die Aufhebung der automatischen Pflegschaft<br />
für nicht eheliche Kinder durch das Jugendamt. Aber auch<br />
die Reform des Scheidungsrechts hat meines Erachtens überwiegend<br />
positive Auswirkungen gehabt. Gerade die gemeinsame<br />
elterliche Sorge als Regelfall nach einer Scheidung hat<br />
sich sehr bewährt, da ist viel Sprengstoff aus den Verfahren<br />
genommen worden. Ausnahmefälle, das heißt strittige und<br />
hochstrittige Fälle, wird es natürlich immer geben, aber die<br />
Regel sind sie nicht mehr. Was mit den Jahren immer komplizierter<br />
wurde und damit auch in der Beratung nie eindeutig<br />
klärbar ist, ist das Thema Ehegattenunterhalt.<br />
Sabine Simon: Erlebst du es denn auch, dass Klientinnen<br />
in einem Schwangerschaftskonflikt deine juristische Auskunft<br />
zum wesentlichen Entscheidungsaspekt für oder gegen<br />
eine Fortsetzung der Schwangerschaft machen?<br />
Renate Mitleger: Das ist in den Jahren nur ganz, ganz selten<br />
vorgekommen, Gott sei Dank. Vielleicht zwei oder drei<br />
Mal, aber in diesen Fällen war deutlich zu spüren, dass die<br />
juristische Thematik vorgeschoben war. Da stoße ich an meine<br />
Grenzen und bin dann froh, auf die Beraterin oder den<br />
Berater zur nochmaligen psychosozialen Beratung, bzw. zur<br />
psychologischen Beratung verweisen zu können.