AHB 254_PDF24 - Stadtgemeinschaft Tilsit eV - Ostpreußen
AHB 254_PDF24 - Stadtgemeinschaft Tilsit eV - Ostpreußen
AHB 254_PDF24 - Stadtgemeinschaft Tilsit eV - Ostpreußen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
tur. Das ermländische Domkapitel<br />
wurde im Juli 1277 neu begründet und<br />
die Stadt Braunsberg wieder aufgebaut<br />
(1284 erhielt sie ihre Handfeste).<br />
Aber mit der restlosen Bezwingung<br />
des Preußenvolkes (1283) war nicht<br />
etwa jede Gefahr beseitigt; des Öfteren<br />
störten vielmehr verheerende Einfälle<br />
der östlichen Nachbarn, der heidnischen<br />
Litauer, den Fortgang der<br />
vorzüglich organisierten Aufbau- und<br />
Siedlungsarbeit, die das früher dünn<br />
bevölkerte Preußenland mit einem<br />
dichten Netz von Städten und deutschen<br />
Dörfern überzog. Auch das<br />
Fürstbistum blieb von solchen feindlichen<br />
Überfällen nicht verschont. So<br />
drangen die Litauer z. B. im Jahre<br />
1311 bis in die Braunsberger Gegend<br />
vor, und noch heute erinnert der „Tod<br />
von Kiwten“ (Kiwitten, Kr. Heilsberg)<br />
an das Menschen mordende Treiben<br />
dieser Horden. Infolgedessen sahen<br />
sich auch die ermländischen Landesherren<br />
zur Beteiligung an den allgemeinen<br />
Abwehrmaßnahmen des<br />
Deutschordens veranlasst und erhoben<br />
wie dieser von ihren Untertanen<br />
das Schalauerkorn, eine Naturalabgabe,<br />
die zur Versorgung der Ordensburgen<br />
an der Grenze Schalauens<br />
(besonders Ragnits) diente. Andererseits<br />
deckten sie die Südseite ihres<br />
Gebietes durch die Anlage von Befestigungen<br />
in der Wildnis, den sogenannten<br />
Wildhäusern (Rössel, Bischofsburg,<br />
Allenstein, Wartenburg) und hielten eigene<br />
Späher, Wartleute genannt, in<br />
diesem fast menschenleeren Grenzland,<br />
zu deren Unterhalt wie im Ordensgebiet<br />
die Landbewohner das<br />
sogenannte Wartgeld zu entrichten<br />
hatten. Aber trotz aller Vorsichtsmaßregeln<br />
drangen die wilden Litauerscharen<br />
doch gelegentlich bis ins<br />
Ermland vor; so erschienen sie 1353<br />
vor der damals am Nordufer des<br />
Wadangsees gelegenen Wartenburg,<br />
zerstörten das Wildhaus und die<br />
gleichnamige Stadt, die in seinem<br />
Schutze etwa 1329 begründet worden<br />
war, und verbreiteten bis in die<br />
Nähe von Guttstadt und Glottau<br />
Furcht und Schrecken. Seit diesem<br />
Litauereinfall hatte das Fürstbistum<br />
für rund 60 Jahre völlige Ruhe, die<br />
ihm eine glänzende wirtschaftliche<br />
und kulturelle Entwicklung wie im übrigen<br />
Preußen ermöglichte.<br />
Das wurde erst anders, als der starke<br />
politische Gegensatz zwischen dem<br />
Deutschordensstaat und Polen zum<br />
Kriege des Jahres 1410 führte. In der<br />
verhängnisvollen Schlacht bei Tannenberg<br />
(15. Juli) wirkte auch das<br />
ermländische Aufgebot in drei Abteilungen<br />
und einer Stärke von etwa<br />
1000 Mann mit, und auch ihre Banner<br />
fielen in die Hände der siegreichen<br />
Polen. Bis auf das Allensteiner<br />
Gebiet blieb aber das Land selbst,<br />
das während der Belagerung der Marienburg<br />
durch das livländische Ordensheer<br />
geschützt wurde, von dem<br />
Einbruch der Feinde verschont. Umso<br />
schlimmer erging es dem Fürstbistum<br />
dagegen wenige Jahre später<br />
im sogenannten Hungerkrieg (im<br />
Hochsommer 1414). Da der Hochmeister<br />
diesmal den Polen den Einmarsch<br />
ins Kulmerland verlegt hatte,<br />
wandten sich diese weiter ostwärts<br />
und drangen mit ihren wilden litauischen,<br />
russischen und tatarischen<br />
Hilfsvölkern sengend und mordend<br />
von Süden her ins Ermland ein, das<br />
in fast allen seinen Teilen aufs<br />
schwerste heimgesucht wurde. Zahlreiche<br />
Städte und Dörfer gingen in<br />
Flammen auf, 26 Kirchen wurden nie-<br />
8