AHB 254_PDF24 - Stadtgemeinschaft Tilsit eV - Ostpreußen
AHB 254_PDF24 - Stadtgemeinschaft Tilsit eV - Ostpreußen
AHB 254_PDF24 - Stadtgemeinschaft Tilsit eV - Ostpreußen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Durch dick und dünn mit dem Landestheater<br />
Von Anneliese Molsner<br />
Theaterspielen ist keine sehr einfache<br />
Sache. Aber was sagt man zum Beispiel<br />
zu dieser Zusammenstellung:<br />
Theaterspielen und Schneeschippen?<br />
Es ist noch gar nicht so lange her,<br />
dass mir ein Schauspieler vom Landestheater<br />
sagte: „Gestern haben wir<br />
wieder einmal gewusst, wie’s draußen<br />
bei den Soldaten ist. Alle paar Meter<br />
mussten wir aus dem Omnibus steigen<br />
und die Straße frei schippen, damit<br />
er weiterfahren konnte.“ Und das<br />
war bei fast 30 Grad Kälte! Stunden<br />
und Stunden auf der Landstraße, inmitten<br />
eines eisigen Schneesturmes,<br />
der jedem die Augen mit Schnee verklebte<br />
und Hände und Füße fast erstarren<br />
ließen. Schaufeln – rasch,<br />
rasch – irgendwo warten Soldaten auf<br />
die langersehnte abendliche Theatervorstellung,<br />
die dann glücklich, wenn<br />
auch längst nach dem vorgesehenen<br />
Zeitpunkt beginnen kann. Und es wird<br />
gespielt wie immer, mit hungrigem<br />
Magen und ausgefroren, aber – es<br />
wird gespielt.<br />
Den ganzen, harten Winter hindurch<br />
wurde gespielt, wenn es nur irgend<br />
möglich war, trotz Schneestürmen,<br />
trotz eisiger Kälte draußen, in den<br />
Garderoben und auf den oft recht einfachen<br />
Bühnen, trotz aller sich dagegenstemmenden<br />
äußeren Umstände<br />
– das Landestheater Südostpreußen<br />
und seine Künstler und technischen<br />
Mitarbeiter haben alles nur Menschenmögliche<br />
getan, ihre Aufgabe zu<br />
erfüllen. Dass diese Aufgabe schwer<br />
ist, kann sich jeder denken, der sich<br />
die Mühe nimmt zu überlegen, welch<br />
körperliche, seelische und vor allem<br />
auch geistige Konzentration (sprich<br />
Kräfteverbrauch!) dazu gehört, eine<br />
Rolle (mag es eine große oder eine<br />
kleinere sein) überzeugend zu verkörpern,<br />
mit Freude zu spielen in einem<br />
Stück, das tage- und tagelang hintereinander<br />
immer wieder gegeben wird.<br />
Morgens, vormittags in Allenstein,<br />
probieren, nachmittags los: nach<br />
Rastenburg, nach Osterode, nach<br />
Preußisch-Holland, nach Angerburg,<br />
nach Lyck – in alle Himmelsrichtungen.<br />
Mitten in der Nacht zurück, und<br />
so, oft Tag für Tag, mindestens aber<br />
ein paar Mal jede Woche.<br />
Eine ausgesprochene Freude ist es<br />
nicht immer, nach stundenlangen<br />
Omnibusfahrten endlich müde auszusteigen,<br />
dann Schminken, Spielen –<br />
rein in den kalten Omnibus und zurück,<br />
und so immer dasselbe. Das<br />
bedeutet viel. Das bedeutet vor allem:<br />
beschränkte Probenmöglichkeiten für<br />
die Allensteiner Aufführungen, verkürzte<br />
Lernzeiten, wenig Gelegenheit zum<br />
Ausruhen, zum Neue-Kräfte-Sammeln,<br />
alles Voraussetzungen, ohne die<br />
der schöpferische Künstler eigentlich<br />
kaum arbeiten kann.<br />
20