Ausgabe 0907.pdf - Theater-Zytig
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Backstage ı Stückwahl<br />
Die Tonne Laupen<br />
Die Ein-Rappen-Story<br />
dass sie keine anderen<br />
derselben Geschichte<br />
zulassen?<br />
Kann es sein, dass sich<br />
Kurzgeschichten schwer<br />
in <strong>Theater</strong>szenen umsetzen<br />
lassen?<br />
Und trotzdem ist es<br />
richtig, dass Remund es<br />
gewagt hat, diese unterhaltsame<br />
<strong>Theater</strong>fassung<br />
zu inszenieren. Nur so<br />
kann man erkennen, wo<br />
die Probleme bei der<br />
Umsetzung eines Prosatextes<br />
in einen dramatischen<br />
liegen. In diesem<br />
Sinne war es sogar ein<br />
höchst anregender und<br />
spannender <strong>Theater</strong>besuch,<br />
der noch viel Diskussionsstoff<br />
zur besprochenen<br />
Thematik bietet.<br />
bilder:zvg<br />
Fröhlich wie an einer Privatparty beginnt<br />
die Vorstellung auf der Bühne der «Drei<br />
Eidgenossen» in Bösingen. Ein Bänkelsänger<br />
mit Gitarre sorgt für gediegene<br />
Unterhaltung und sein Hedgefonds-Blues<br />
stimmt ideal auf das Thema des Abends<br />
ein.<br />
Ich fühle mich wie ein Gast unter Geladenen<br />
und bin gespannt, wie die Party<br />
weiter verläuft.<br />
Ich kenne die Kurzgeschichte «Die<br />
Schenkung» von Franz Hohler: Administrative<br />
Verordnungen und interne Sprachregelungen<br />
verursachen ärgerliche<br />
Verwirrungen und werden von normalen<br />
Leuten nicht mehr verstanden. Pflichtbewusste<br />
Bürokraten geben den gesunden<br />
Menschenverstand an der Garderobe ab<br />
und ein geldgieriger Banker haut einen<br />
gutgläubigen Fotografen schändlich übers<br />
Ohr.<br />
Der Tanz ums Goldene Kalb ist der Stoff,<br />
aus dem seit je spannende und aufregende<br />
Geschichten geflochten werden. Das<br />
Thema ist unerschöpflich und gibt einen<br />
tiefen Einblick in die verborgenen Winkel<br />
der menschlichen Seele.<br />
Zudem ist der Stoff politisch brisant und<br />
«bringt gehörig Zug in den Kamin…»<br />
Ueli Remund ist von Hohlers Erzählung<br />
begeistert, das Thema interessiert nicht<br />
nur ihn. Er ist das Wagnis eingegangen,<br />
die Geschichte in ein <strong>Theater</strong>stück<br />
umzuschreiben. Es kommen dieselben<br />
Menschen vor, sogar deren Namen hat<br />
er weitgehend übernommen. Er hält sich<br />
sehr genau an die Vorlage, um so dem<br />
Hohlerschen Original treu zu bleiben.<br />
Bei mir als Leser erzeugte die Geschichte<br />
bunte «innere» Szenen. In meiner Fantasie<br />
litt ich mit dem Fotografen, ärgerte<br />
mich, steigerte mich in ohnmächtige Wut.<br />
Im Wechselbad der Gefühle vermischte<br />
sich Spott und Hohn, Angst und Beklemmung.<br />
Wie komme ich da möglichst ungeschoren<br />
davon? Habe ich überhaupt eine<br />
Chance?<br />
Auf der Bühne vermisse ich diese emotionalen<br />
Ausbrüche und die Ohnmacht<br />
gegenüber einer hirnverbrannten Administration,<br />
die jeden gesunden Menschenverstand<br />
missachtet. Die einzelnen<br />
Rollen wirken auf mich zu brav und zu<br />
beherrscht. Alle sind so nett – .<br />
Gegen Schluss tritt noch einmal Roger<br />
Mauerhofer mit seiner Gitarre auf und<br />
erfreut das Publikum mit seinen stimmungsvollen<br />
Chansons. Sein letztes Lied<br />
heisst. «Was mache ich falsch?»<br />
Ich stelle diese Frage mir selber: Was<br />
sehe ich falsch, dass die Aufführung bei<br />
mir eine leichte Enttäuschung auslöst?<br />
Habe ich zuviel erwartet? Sind meine<br />
inneren Bilder schuld, die so stark sind,<br />
Urs Hirschi<br />
Angaben zum Stück<br />
Die Schenkung<br />
Realsatire in 9 Szenen von Franz Hohler<br />
Bühnenfassung und Regie: Ueli Remund<br />
Spieldauer: 90 Minuten, Musik: Roger<br />
Mauerhofer, Anzahl Spielende: 6D/6H,<br />
Zeit: Gegenwart, Aufführungsrechte: Franz<br />
Hohler / Ueli Remund, Laupen<br />
Kurzbeschrieb:<br />
Ein Mann will auf der Bank einen Check<br />
über CHF 202.36 einlösen. Das erweist<br />
sich als schwierig, weil die Bank keine<br />
Rappenbeträge mehr auszahlt. Daraus entwickelt<br />
sich eine vergnüglich-hintersinnige<br />
Geschichte zwischen Krimi, Groteske und<br />
Realsatire auf die vom Geld beherrschte<br />
Gegenwart – oder kurz gesagt, eine<br />
Geschichte, wie sie nur der Fabulierer<br />
Franz Hohler ersinnen und schreiben kann.<br />
Die Erzählung «Die Schenkung» wurde<br />
publiziert im Taschenbuch «Die Torte und<br />
andere Erzählungen» von Franz Hohler,<br />
Luchterhand Literaturverlag, München<br />
2004.<br />
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<strong>Theater</strong>-<strong>Zytig</strong> 0907