Kindheit, Jugend, Sozialisation - ZAG der Universität Freiburg
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24 Mona Hanafi El Siofi/ Sven Kommer/ Meike Penkwitt<br />
Meistens wird dabei eher von einer Materialität im Sinne von körperlicher Inkorporierung<br />
gesprochen. Die psychische Materialität o<strong>der</strong> Materialisierung dieser<br />
sozialen Prozesse wird nach wie vor eher ausgeklammert.<br />
Nach Maihofer ist dabei bisher we<strong>der</strong> geklärt, wie entsprechende Prozesse<br />
theoretisch zu fassen sind, noch, wie sie auf empirischer Basis beobachtet und<br />
analysiert werden können.<br />
Maihofer machte dann deutlich, dass es für sie von beson<strong>der</strong>em Interesse<br />
ist, die Verbindung von strukturellen und individuellen Prozessen zu analysieren.<br />
Es sei wichtig, nicht von zwei getrennten Prozessen – hier Struktur, da<br />
Individuum – auszugehen (wie es viele <strong>der</strong> älteren Modelle <strong>der</strong> <strong>Sozialisation</strong>sforschung<br />
tun), son<strong>der</strong>n stattdessen herauszuarbeiten, dass die Entwicklung<br />
eines geschlechtlichen Individuums ein rekursiver Prozess ist:<br />
In <strong>der</strong> Tat gibt es eine ganze Reihe von Ansätzen, die versuchen, eine Verbindung<br />
von strukturellen und individuellen Prozessen deutlich zu machen. Also eben<br />
nicht von zwei getrennten Prozessen auszugehen, hier Struktur, da Individuum,<br />
son<strong>der</strong>n eben deutlich zu machen, dass die Entwicklung eines geschlechtlichen<br />
Individuums ein Strukturprozess ist. Wir tun ja immer so als wäre das ein individueller<br />
Prozess und daneben, da drüben, woan<strong>der</strong>s sind strukturelle Prozesse. In<br />
diesen Ansätzen, die mich interessieren, wird sowohl das Inkorporierende, also die<br />
Materialisierung auf <strong>der</strong> körperlichen wie <strong>der</strong> psychischen Ebene, wie auch eine<br />
Verbindung von strukturellen und individuellen Prozessen versucht, indem deutlich<br />
gemacht wird, dass individuelle Prozesse selbst strukturelle Prozesse sind.<br />
Aus Maihofers Perspektive sind es vor allem die Ansätze von Michel Foucault,<br />
Pierre Bourdieu, Irving Goffman und Judith Butler, die eine komplexere<br />
(und damit adäquatere), theoretisch fundierte Analyse von <strong>Sozialisation</strong>sprozessen<br />
(insbeson<strong>der</strong>e mit Blick auf die Entstehung einer Geschlechtsidentität)<br />
ermöglichen. Dabei macht sie noch einmal darauf aufmerksam, dass <strong>der</strong> aktuelle<br />
Stand des Diskurses wesentlich dazu beiträgt, aus <strong>der</strong> Frage nach den <strong>Sozialisation</strong>sprozessen<br />
eine „wirklich schwierige“ Frage zu machen. Mit Blick auf den<br />
Diskurs, so Maihofer, wird klar,<br />
dass die Frage nach dem Prozess <strong>der</strong> geschlechtlichen <strong>Sozialisation</strong>, nach <strong>der</strong> Herausbildung<br />
einer männlichen o<strong>der</strong> weiblichen Geschlechtsidentität eigentlich erst<br />
dann eine wirklich schwierige Frage wird, wenn eben von einem anti-essenzialistischen<br />
o<strong>der</strong>/und dekonstruktivistischen Verständnis von Geschlecht, Geschlechtlichkeit<br />
und Geschlechterdifferenzen ausgegangen wird.<br />
Dem von Scherr eingebrachten Vorschlag, die (nach Maihofer) ‚metaphysische<br />
Trennung‘ von Struktur und Individuum, wie auch die sich aus dem<br />
dekonstruktivistischen Verständnis von Geschlecht ergebenden theoretischen<br />
und empirischen Probleme via einer Orientierung auf ‚Selbstsozialisation‘ zu<br />
<strong>Freiburg</strong>er GeschlechterStudien 22