Kindheit, Jugend, Sozialisation - ZAG der Universität Freiburg
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16 Mona Hanafi El Siofi/ Sven Kommer/ Meike Penkwitt<br />
Der von Christiane Olivier etwa zeitgleich verfasste Band Jokastes Kin<strong>der</strong> (1980,<br />
deutsch 1989) knüpft im Gegensatz zu den Ausführungen Chodorows lediglich<br />
vermittelt über die französischen PsychoanalytikerInnen Jacques Lacan,<br />
Hélène Cixous und Luce Irigaray, <strong>der</strong>en Denken ihre Ausführungen prägt, an<br />
die Ausführungen Sigmund Freuds an. Ihr Fokus liegt auf <strong>der</strong> Abwesenheit<br />
des Vaters, dem es eigentlich ‚zukäme‘ das kleine Mädchen zu ‚begehren‘. Dass<br />
dieses gegengeschlechtliche Begehren des Vaters dem kleinen Mädchen nicht<br />
im ausreichenden Maße zuteil wird, produziere in <strong>der</strong> heranwachsenden Frau<br />
einen Mangel, <strong>der</strong> auch noch die Erwachsene grundlegend präge, sodass diese<br />
ständig nach männlichen Bewun<strong>der</strong>ern suchen müsse.<br />
Dorothy Dinnerstein, ebenfalls Psychoanalytikerin, fokussiert vor allem<br />
darauf, dass die Mutter für das kleine Kind die Person sei, mit <strong>der</strong> dieses erste<br />
Lusterfahrungen sowie erste kindliche Frustrationen erlebe. Dadurch werde sie<br />
für das Kind zur Projektionsfläche wi<strong>der</strong>sprüchlicher Emotionen. Diese ambivalenten<br />
frühkindlichen Gefühle führten bei erwachsenen Männern und Frauen<br />
zu einem Nebeneinan<strong>der</strong> idealisieren<strong>der</strong> und negativer Emotionen, die sich aber<br />
nun auf Frauen generell beziehen. Einen weiteren für die Persistenz des „Arrangement<br />
<strong>der</strong> Geschlechter“ entscheidenden Aspekt sieht Dinnerstein darin, dass<br />
das kleine Kind die Mutter als ein Wesen mit geradezu absoluter Macht erlebt:<br />
Um sich dieser Übermacht zu entziehen, seien nicht nur Männer, son<strong>der</strong>n auch<br />
Frauen dazu bereit, sich <strong>der</strong> männlichen Autorität zu unterwerfen.<br />
Die Rolle von gleichgeschlechtlichem Begehren im Kontext Familie, <strong>der</strong> bei<br />
den eben genannten Theoretikerinnen nicht Gegenstand wird, sowie die fatalen<br />
Auswirkungen <strong>der</strong> Heteronormativität, thematisiert die ebenfalls psychoanalytisch<br />
argumentierende Oldenburger Soziologin Karin Flaake: Die heteronormative<br />
Ordnung, so Flaake, unterbinde das gleichgeschlechtliche Begehren<br />
zwischen Mutter und Tochter, indem sie dieses tabuisiere. So entstünde im<br />
heranwachsenden Mädchen ein Gefühl des Mangels, das später kein Mann mehr<br />
auszugleichen vermöge (2000).<br />
Gemeinsam ist den eben referierten Theoretikerinnen das Plädoyer für eine<br />
stärkere Einbindung von Männern in die frühe Kin<strong>der</strong>betreuung sowohl im<br />
familialen als auch im professionellen Kontext in Krippen, Kin<strong>der</strong>gärten und<br />
Grundschulen: Nur eine solche, so folgern sie aus ihren Überlegungen, würde<br />
die gesamtgesellschaftliche Situation verän<strong>der</strong>n. Sie wäre für eine Auflösung<br />
geschlechterdifferenten Verhaltens entscheidend und würde nicht zuletzt einem<br />
misogynen Frauenbild entgegenwirken.<br />
Carol Hagemann-White (1984) wendet sich gegen die simple Linearität einer<br />
geschlechtsspezifischen <strong>Sozialisation</strong>, durch die Individuen quasi zielgerichtet in<br />
die Gesellschaft eingepasst werden – dem zentralen Thema zur Gesellschaftskritik<br />
in <strong>der</strong> Frauenbewegung <strong>der</strong> 1970er-Jahre. Die von Hagemann-White<br />
gesichteten Forschungen zu u. a. geschlechtstypischen Leistungen im mathematischen<br />
und räumlichen Bereich haben erbracht, dass zum einen die Variation<br />
innerhalb <strong>der</strong> Geschlechtergruppen erheblich größer ist als zwischen ihnen und<br />
sich zum an<strong>der</strong>en Unterschiede, die sich zwischen den Geschlechtergruppen in<br />
<strong>der</strong> <strong>Kindheit</strong> zunächst kaum nachweisen lassen, in nennenswerter Form erst<br />
<strong>Freiburg</strong>er GeschlechterStudien 22