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Kindheit, Jugend, Sozialisation - ZAG der Universität Freiburg

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28 Mona Hanafi El Siofi/ Sven Kommer/ Meike Penkwitt<br />

Als Beispiele eines solchen Ansatzes referiert Hagemann-White zwei empirische<br />

Studien zum geschlechtstypischen Verhalten von Kin<strong>der</strong>n:<br />

Julia A. Sherman beschreibt die Herausbildung unterschiedlicher kognitiver<br />

Fähigkeiten ausgehend von zunächst geringfügigen Unterschieden in <strong>der</strong> Entwicklung:<br />

einer geringfügigen Tendenz von Mädchen früher zu sprechen stünde<br />

ein Vorsprung von Jungen im grobmotorischen Bereich gegenüber. Mädchen<br />

würden sich in <strong>der</strong> Folge bei <strong>der</strong> Problemlösung stärker auf ihre sprachliche<br />

Kompetenz verlassen, eine Strategie die zu einer entsprechenden Spezialisierung<br />

im Gehirn (höhere Sprachkompetenz) führe. Infolgedessen würden sie deshalb<br />

womöglich auch dazu neigen, mathematische Probleme zunächst sprachlich<br />

anzugehen – sofern sie es nicht an<strong>der</strong>s beigebracht bekämen o<strong>der</strong> selbst darauf<br />

stießen, dass sich manche mathematischen Probleme auf diese Weise langsamer<br />

o<strong>der</strong> auch weniger gut lösen lassen.<br />

Jungen dagegen seien geneigt, bei <strong>der</strong> Problemlösung ‚räumliche Strategien‘<br />

anzuwenden. Entsprechend dieser Neigung würden sie Streit handfest austragen,<br />

ohne mühsam nach den richtigen Worten suchen zu müssen. Sie würden<br />

so ihre Muskeln trainieren und auch die entsprechenden Muster im Gehirn<br />

entwickeln, bis sie dann irgendwann doch noch darauf stießen, dass mit einer<br />

differenzierten Sprache manche zwischenmenschlichen Probleme befriedigen<strong>der</strong><br />

zu lösen sind. Vielleicht hätten diese Jungen aber trotzdem bei allem, was<br />

sich unmittelbar mit räumlichem Vorstellungsvermögen und experimentellem<br />

Handeln angehen lasse ohne in Sprache gefasst zu werden, einen gewissen Vorsprung<br />

und damit auch in einigen Teilen <strong>der</strong> Mathematik.<br />

Wenn die Schule, so Hagemann-White, in keiner Weise die jeweiligen Stärken<br />

und Schwächen ausgleicht und diese einfach als geschlechtstypisch akzeptiert,<br />

komme es zu einer weiteren Verstärkung.<br />

Im zweiten von Hagemann-White angeführten Beispiel geht es um die Entwicklung<br />

unterschiedlicher Spielstile in gleichgeschlechtlichen Gruppen, ausgehend<br />

von den oben angeführten geringfügigen Entwicklungsunterschieden.<br />

Einmal vorhanden, verstärken sie sich weiter – und tragen darüberhinaus zur<br />

Abgrenzung gegenüber dem jeweils ‚an<strong>der</strong>en‘ Geschlecht bei:<br />

Die Mädchen erscheinen den Jungen als überempfindlich und zickig, die Jungen<br />

den Mädchen dagegen rücksichtslos und unreif. Sie haben jeweils Spielstile in <strong>der</strong><br />

gleichgeschlechtlichen Gruppe eingeübt, die nicht zueinan<strong>der</strong> passen. Hier könnte<br />

man eingreifen und die Kin<strong>der</strong> dazu ermutigen gewisse Dinge zusammen zu machen.<br />

Wenn diese Stile jedoch statt dessen verstärkt und verfeinert werden, kann<br />

das allmählich zu einem Bild von Eigenschaften führen, die konstruiert werden<br />

um ‚dazuzugehören‘: Mädchen, die eigentlich gerne beim Fußball mitspielen möchten,<br />

schreiben sich dann gewissermaßen selbst vor, zu sagen: „Iih, das find ich gar<br />

nicht schön und ich möchte lieber Gummitwist spielen!“. Und Jungen, die zuhause<br />

gerne beim Gummitwist mitmachen, sagen auf dem Schulhof plötzlich: „Igitt, ein<br />

Mädchenspiel!“ So entsteht ein Kreislauf, <strong>der</strong> zur Konstruktion und Verstärkung<br />

von Eigenschaften führt. Diese müssen jedoch nicht unbedingt dauerhaft und<br />

<strong>Freiburg</strong>er GeschlechterStudien 22

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