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Kindheit, Jugend, Sozialisation - ZAG der Universität Freiburg

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18 Mona Hanafi El Siofi/ Sven Kommer/ Meike Penkwitt<br />

Die Fortführung: Weibliche Subjektivität?<br />

Vor allem die Ausführungen Chodorows nahmen eine Reihe späterer gen<strong>der</strong>sensibler<br />

Autorinnen in den unterschiedlichsten Disziplinen auf. Sie rezipierten<br />

dabei oftmals in erster Linie Chodorows Hypothese einer typisch weiblichen<br />

Subjektkonstitution, die sich im Gegensatz zur männlichen nicht durch Abgrenzung<br />

definiere. Stattdessen ist für diese ein Sich-in-Beziehungen-Denken, eine<br />

beson<strong>der</strong>e ‚weibliche‘ Beziehungsfähigkeit, charakteristisch. So bezieht sich beispielsweise<br />

die Entwicklungspsychologin Carol Gilligan, <strong>der</strong>en Buch Die an<strong>der</strong>e<br />

Stimme. Lebenskonflikte und Moral <strong>der</strong> Frau (1982, deutsch 1984) am Anfang<br />

<strong>der</strong> Debatte um die Frage nach einer ‚weiblichen Moral‘ steht, auf die Ausführungen<br />

Chodorows. Und auch die Biologin Evelyne Fox-Keller (1986, deutsch<br />

1998) knüpfte bei ihrer Kritik am Objektivitätsbegriff mo<strong>der</strong>ner Wissenschaften<br />

an Chodorow an: Sie stellt frappierende Übereinstimmungen zwischen den Normen<br />

mo<strong>der</strong>ner Wissenschaft und <strong>der</strong> männlichen, an Distanz und Autonomie<br />

ausgerichteten Subjektivität fest. Im politikwissenschaftlichen Rahmen plädiert<br />

u. a. Holland-Cunz (1998) für mehr ‚weibliche‘ Bindungsorientierung – gerade<br />

auch im öffentlichen und politischen Raum.<br />

In den unterschiedlichen Fachbereichen wurde – mitunter zeitversetzt – im<br />

Rahmen einer durchaus berechtigten Kritik am androzentristischen Weltbild<br />

nach einer im besten Fall genuin ‚weiblichen Perspektive‘ gesucht. Es ging dabei<br />

um die Entlarvung des männlichen Bias <strong>der</strong> nur vermeintlich objektiven und<br />

(nicht nur geschlechts-)neutralen Wissenschaft. Der Versuch, <strong>der</strong> kritisierten<br />

männlichen Perspektive eine weibliche entgegenzusetzen, führte dabei jedoch<br />

zu einer erneuten ‚Naturalisierung‘. Die in gewissem Maße durchaus konstruktivistische<br />

und auf Subversion ausgerichtete Position Chodorows wurde<br />

dabei‚essentialisiert‘ und letztendlich affirmativ gewendet.<br />

Ruth Grossmann bringt das Phänomen prägnant und etwas polemisch auf<br />

den Punkt: Die Argumentation Chodorows sei in den unterschiedlichsten Kontexten<br />

als Subjekttheorie eingefügt worden wo Subjektivität als weibliche o<strong>der</strong><br />

männliche (1989) begründet werden sollte.<br />

Diese oft sehr selektive Rezeption führte dazu, dass <strong>der</strong> Name Chodorow und<br />

mit ihm die gesamte feministische <strong>Sozialisation</strong>sdebatte oft dem so genannten<br />

‚Differenzfeminismus‘ zugeordnet wird. Die zentrale Zielsetzung des Abbaus <strong>der</strong><br />

polaren Geschlechterordnung wird dabei allerdings übersehen.<br />

Ende und Neubeginn: Kritik und Kritik <strong>der</strong> Kritik<br />

Spätestens Anfang <strong>der</strong> 1990er-Jahre kam es zu einer zunehmenden Abkehr von<br />

sozialisationstheoretischen Erklärungsmustern: Im Rückblick wird insbeson<strong>der</strong>e<br />

immer wie<strong>der</strong> das Fragwürdigwerden o<strong>der</strong> auch die Affirmativität des Konzepts<br />

eines spezifischen ‚weiblichen Arbeitsvermögens‘ als ein entscheiden<strong>der</strong> Punkt<br />

angeführt (Maihofer 2002, Hagemann-White 2006). Ein weiterer Aspekt war die<br />

Kritik, dass die Annahme eines durch die geschlechtstypische ‚weibliche <strong>Sozialisation</strong>‘<br />

hervorgebrachten sozialen (weiblichen) Geschlechtscharakters Frau-<br />

<strong>Freiburg</strong>er GeschlechterStudien 22

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