Kindheit, Jugend, Sozialisation - ZAG der Universität Freiburg
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32 Mona Hanafi El Siofi/ Sven Kommer/ Meike Penkwitt<br />
Sozialistionsdiskussion(en) außerhalb des Gen<strong>der</strong>-Kontextes<br />
Die obige Darstellung <strong>der</strong> Traditionslinie von Debatten um ‚<strong>Sozialisation</strong>‘, wie<br />
auch um die verschiedenen Varianten eines ‚<strong>Sozialisation</strong>stheorems‘ innerhalb des<br />
Gen<strong>der</strong>-Kontextes zeigt streckenweise eine deutlich an<strong>der</strong>e Schwerpunktsetzung,<br />
als sie beispielsweise im Kontext <strong>der</strong> bundesrepublikanischen ‚<strong>Jugend</strong>forschung‘<br />
o<strong>der</strong> auch einer ‚jugendsoziologischen‘ <strong>Sozialisation</strong>stheorie (vgl. Hoffmann/<br />
Merkens (2004)) zu beobachten ist. Während sich <strong>der</strong> Gen<strong>der</strong>-Diskurs<br />
(mit Ausnahme von Hageman-White) zunächst einmal sehr stark an den<br />
psychoanalytisch grundierten Texten von Chodorow und Nachfolgerinnen<br />
orientiert, um dann poststrukturalistische Konzepte in den Vor<strong>der</strong>grund zu<br />
stellen, orientiert sich die jüngere bundesrepublikanische <strong>Jugend</strong>forschung<br />
stärker an im engeren Sinne ‚soziologischen‘ Konzepten. Dass es hier nicht immer<br />
ganz einfach ist, eine ‚Anschlussfähigkeit‘ (insbeson<strong>der</strong>e zu systemtheoretisch<br />
inspirierten Konzepten) herzustellen, wurde nicht zuletzt auch in den Debatten<br />
im Rahmen des <strong>Freiburg</strong>er Symposiums deutlich.<br />
Einigkeit besteht allerdings bei <strong>der</strong> Bestimmung des historischen Ausgangspunktes:<br />
Émile Durkheims Schrift Regeln <strong>der</strong> soziologischen Methode gilt als<br />
erste grundlegende Formulierung einer ‚Theorie <strong>der</strong> <strong>Sozialisation</strong>‘. Die unter<br />
dem Eindruck eines weitreichenden gesellschaftlichen Wandels – <strong>der</strong> Etablierung<br />
einer arbeitsteiligen Gesellschaft (vgl. Baumgart 2008) – entwickelte<br />
These, Gesellschaft<br />
werde nicht primär durch äußeren Zwang, durch Gesetze und polizeiliche Maßnahmen<br />
o<strong>der</strong> durch ein an den Tauschprinzipien des Marktes orientiertes Nützlichkeitsdenken<br />
<strong>der</strong> Individuen zusammengehalten. (Baumgart 2008, 32)<br />
Die Individuen „müßten vielmehr die überlebensnotwendigen Regeln <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
durch Erziehung und <strong>Sozialisation</strong> als zweite Natur verinnerlicht haben,<br />
wenn das gesellschaftliche Zusammenleben funktionieren soll“ (Baumgart 2008,<br />
32).<br />
Diese aus heutiger Sicht unterkomplex und zu eindimensional (schließlich<br />
läuft es hier auf ‚Anpassung‘ <strong>der</strong> überwiegenden Mehrheit <strong>der</strong> Individuen an ‚die<br />
Gesellschaft‘ hinaus) angelegte Perspektive spielt spätestens seit den 1970er-<br />
Jahren eigentlich keine Rolle mehr – sieht man einmal davon ab, dass sie (wie<br />
auch das <strong>Freiburg</strong>er Symposium zeigte) gelegentlich (neben Parsons) als ‚Pappkamerad‘<br />
im Sinne von Hageman-White (s.o.) dienen muss.<br />
Anfang <strong>der</strong> 1970er-Jahre beginnt dann endgültig die bis heute nicht abgeschlossene<br />
Ausdifferenzierung des Diskurses, die – wie (nicht nur) <strong>der</strong> Blick in<br />
einschlägige ‚Einführungen‘ zeigt (Baumgart 2008; Zimmermann 2003; Hurrelmann<br />
2002) – von einer bisweilen kaum mehr zu überblickenden Gleichzeitigkeit<br />
in <strong>der</strong> Ungleichzeitigkeit, von unverbundenen Parallelismen wie auch<br />
von Rezeptionssperren und oft sehr verkürzten Leseweisen konkurrieren<strong>der</strong><br />
Theorieangebote geprägt sind.<br />
<strong>Freiburg</strong>er GeschlechterStudien 22