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948 S tahl und E isen.<br />

Der französische Wirtschaftsimperialismus. 44. Jah rg. Nr. 32.<br />

Aber schon diese viel zu geringe Erzeugung ist<br />

der Ruhrindustrie schwer genug geworden. Sie hat<br />

sie nur dadurch bewirken können, daß sie ihre Rohstahlherstellung<br />

vom Thomas- auf das Siemens-Martin-<br />

Verfahren umstellte. Während vor dem Kriege der \ erbrauch<br />

von Schrott im Hochofen die Ausnahme war,<br />

ist sie jetzt zur Regel geworden; ein ansehnlicher Teil<br />

der deutschen Roheisenerzeugung wird unter Verwendung<br />

von Schrott erblasen. Ferner konnte sich<br />

die Ruhrindustrie nur dadurch helfen, daß sie lange<br />

Zeit hindurch um den Preis erheblicher Aufwendungen<br />

auch die minderwertigsten Brennstoffe, wie Grus,<br />

Braunkohle usw., verfeuerte, um hochwertige Kohle<br />

und Koks nach Möglichkeit zu sparen. Sie war sogar<br />

— auf eigener Kohle sitzend — lange zu dem volkswirtschaftlichen<br />

Unsinn genötigt, englische, holländische,<br />

amerikanische und Saarkohle gegen teure<br />

Devisen einzukaufen. Deutschland, das vor dem<br />

Kriege zu den größten Kohlenausfuhrländern der<br />

Welt gehörte, hat im Jahre 1922 rund 6 Mill. t<br />

fremder Kohle trotz der dadurch entstehenden<br />

Devisenbelastung eingeführt. Während schon 1922<br />

— inzwischen haben sich die Zahlen noch weiter sehr<br />

zugunsten Frankreichs verschoben — Frankreich<br />

seinen Kohlenverbrauch gegenüber 1913 durch eigene<br />

Förderung um 10 % verbessern konnte, hat sich die<br />

Deckung des deutschen Kohlenverbrauchs von<br />

116,5% vor dem Kriege auf 75,9% des durchschnittlichen<br />

Verbrauchs gegenüber dem Stand von<br />

1913 verschlechtert.<br />

Daß trotz aller Anstrengungen die deutsche Eisenerzeugung<br />

nicht zur Deckung des Bedarfs ausreichte,<br />

ergibt sich schon daraus, daß seit dem Kriege alle<br />

deutschen eisenverarbeitenden Werke in wiederholten<br />

Fällen unter schärfstem Eisenmangel gelitten<br />

haben, und daß sie sich fast alle zu mehr oder weniger<br />

langwierigen Betriebseinstellungen genötigt<br />

sahen; um aus den größten Schwierigkeiten herauszukommen,<br />

waren sie zu ständig gesteigerter Einfuhr<br />

ausländischen Roheisens und ausländischer Eisenerzeugnisse<br />

gezwungen. Während die deutsche Eisenindustrie<br />

den Inlandsbedarf nur knapp zu zwei<br />

Drittel decken konnte, hat die französische den<br />

ihrigen doppelt zu überdecken vermocht. Vor dem<br />

Kriege überstieg in Deutschland die Ausfuhr an Eisen<br />

und Stahl die Einfuhr um das Zehnfache; während<br />

der meisten Monate des Jahres 1922 (jetzt liegen die<br />

Verhältnisse vermutlich noch ungünstiger) hat die<br />

Einfuhr die Ausfuhr erheblich übertroffen. Zu derselben<br />

Zeit hat dagegen Frankreich mit Hilfe der<br />

billigen deutschen Wiederherstellungskohle die deutschen<br />

Preise andauernd unterboten und dadurch<br />

seine Eisenausfuhr auf nicht weniger als das Dreifache<br />

gesteigert, während gleichzeitig die deutsche<br />

Ausfuhr von 3,268 Mill. t im ersten Halbjahr 1912<br />

auf 1,234 Mill. t im ersten Halbjahr 1922 zurückging.<br />

Im Jahre 1913 stellte sich das Verhältnis von Einfuhr<br />

zur Ausfuhr wie 1:10, in der zweiten Hälfte 1922<br />

betrug es nur noch 1:1,2. Auch in dieser Beziehung<br />

haben sich die Verhältnisse sicher nicht gebessert.<br />

Das geht schon aus der jetzigen Lage der rheinischwestfälischen<br />

Eisenindustrie hervor. Hier liegen die<br />

Verhältnisse zurzeit so, daß auch die besten Werke<br />

Schulden in mehrfacher Höhe des monatlichen Umsatzes<br />

haben. Schon seit längerer Zeit wird die Erzeugung<br />

mit erheblichen Verlusten verkauft. Auf<br />

Stabeisen bezogen, macht der Verlust je Tonne im<br />

Durchschnitt 20—30 M aus; selbst im günstigsten<br />

Falle beträgt er 10—12 M. Bei den Erzeugnissen der<br />

Verfeinerungsindustrie sind diese Zahlen natürlich<br />

noch höher; man kann z. B. rechnen, daß der Verlust<br />

bei Draht sich auf 40—50 M je Tonne stellt. Unter<br />

diesen Umständen ist es begreiflich, daß selbst die<br />

besten Werke in den letzten Monaten hohe Millionenschulden<br />

auf sich genommen haben, wobei besonders<br />

bedenklich ist, daß diese Schulden meistenteils nur<br />

kurzfristig sind, die Möglichkeit ihrer Kündigung<br />

also außerordentlich drückend und hemmend wirkt,<br />

und daß die Verzinsung im Durchschnitt mindestens<br />

das 3—4fache des Friedens beträgt. Daß sich die<br />

Verhältnisse bessern werden, ist nicht anzunehmen.<br />

Allein die Industrieobligationen, die nach dem Sachverständigenbericht<br />

der deutschen Industrie auferlegt<br />

werden sollen, belasten das Betriebsvermögen<br />

mit mindestens 25—30 %, so daß die weitere Geldbeschaffung<br />

infolge der durch diese Vorbelastung<br />

eingetretenen Schmälerung der Kreditfähigkeit außerordentlich<br />

schwer werden wird. Dazu kommen die<br />

auf der deutschen Industrie in Gestalt von Steuern<br />

usw. ruhenden Lasten. Man kann rechnen, daß die<br />

Steuern bei der Eisenindustrie auf die Tonne Erzeugung<br />

bezogen mindestens 7—8 % des Verkaufspreises<br />

ausmachen. Die sozialen Lasten, die sich<br />

bei einem der größten Werke der Eisenindustrie im<br />

Mai 1914 an Arbeitgeberbeiträgen auf 3,95% des<br />

Lohnes beliefen, machen jetzt 5,51 % aus. Auf die<br />

Tonne Rohstahl bezogen sind sie gestiegen von<br />

1,14 M auf 2,68 Ai. Die Frachten sind gegenwärtig<br />

viel höher als vor dem Kriege; an eine Ermäßigung<br />

ist unter der neuen, unter Aufsicht der .Verbandsmächte<br />

stehenden Reichsbahngesellschaft sicher nicht<br />

zu rechnen. Während vor dem Kriege sich der<br />

Frachtenanteil am Warenpreis beim Roheisen auf<br />

6 % belief, ist er jetzt auf 8,9 % gestiegen; bei Stabeisen<br />

liegt eine Steigerung von 6 % auf 9,8 % vor.<br />

Früher kostete die Fracht für eine Tonne Erz von<br />

Siegen nach Oberhausen 3,80 .fl, jetzt 5,60 .k.<br />

Bei zwei großen Hüttenwerken eines großindustriellen<br />

Konzerns des Ruhrgebietes betragen die<br />

Frachten nicht weniger als 8,16 % des Umsatzes;<br />

allein diese beiden Werke müssen heute für ihren<br />

Bedarf an Erzen und Brennstoffen jährlich 4,2 Millionen<br />

Goldmark mehr an Frachten bezahlen als<br />

vor dem Kriege. Wie bei diesen Vorbelastungen<br />

und bei dem gleichzeitig zu beobachtenden Rückgang<br />

der Arbeitsleistung die deutsche Eisenindustrie<br />

dem Weltmarkt gefährlich werden soll, bleibt das<br />

Geheimnis des Herrn Poincaré.<br />

Trotz ihres bereits vorhandenen unzweifelhaften<br />

Uebergewichtes sind mächtige Wirtschaftsgruppen<br />

in Frankreich, denen Herr Poincaré nicht fernsteht,<br />

bestrebt, die Macht der französischen Eisenindustrie<br />

noch weiter zu stärken und auszudehnen. In<br />

der französischen Eisenindustrie bekämpfen sic

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