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ZEITSCHRIFT

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7. August 1924. Der französische Wirtschajtsim'perialismus. S ta h l und E isen . 949<br />

schon seit längerer Zeit zwei Richtungen: die eine<br />

eigentlich französische unter der Führung von<br />

Schneider-Creuzot und die andere lothringischluxemburgische<br />

unter de Wendel. Die eine will<br />

aus dem Ruhrgebiet Koks zwecks Ermöglichung<br />

der restlosen Ausnutzung der Leistungsfähigkeit<br />

der französischen Eisenindustrie ; im übrigen möchte<br />

sie am liebsten die ganze westdeutsche Kohlenund<br />

Eisenindustrie stillegen. Damit würde sie nicht<br />

nur von einem lästigen Wettbewerber befreit, sondern<br />

erschlösse gleichzeitig auch noch der unter<br />

französischem Einfluß stehenden polnischen und<br />

tschechischen Eisenindustrie neue Absatzgebiete<br />

im unbesetzten Deutschland. Der ändern ebenso<br />

großen Gruppe gehen diese Pläne zu weit; an sich<br />

wäre sie wohl mit der Unterdrückung einverstanden ;<br />

in diesem Falle bestände aber für sie die Gefahr,<br />

daß die lothringische Minette, von der früher 6,6Mill. t<br />

an die Ruhr gingen, in Zukunft nicht mehr absatzfähig<br />

wäre. Diese (die lothringische) Gruppe möchte<br />

zur Vermeidung eines so großen Wagnisses am liebsten<br />

mit der westdeutschen Eisenindustrie unter<br />

gleichzeitiger maßgeblicher französischer Beteiligung<br />

Lieferungsverträge zwecks Austausches von Koks<br />

und Minette schließen. Es scheint nun so, als ob die<br />

beiden bisher widerstrebenden Richtungen auf der<br />

Grundlage der Bildung eines europäischen Eisentrustes<br />

sich nähergekommen wären, ein Plan, von<br />

dessen Verwirklichung sich beide Parteien Vorteile zu<br />

versprechen scheinen. Geschlossen werden kann auf<br />

das Vorhandensein solcher Bestrebungen aus Ausführungen<br />

der der französischen Eisenindustrie<br />

sehr nahestehenden Zeitung „Journée industrielle“,<br />

die sich vor einigen Monaten ganz offen für die Bildung<br />

eines solchen zwischenstaatlichen Syndikates<br />

eingesetzt hat. Die Verwirklichung dieser Pläne<br />

würde nichts anderes bedeuten als einen Versuch<br />

zur Verewigung der Herrschaft des französischen<br />

Eisens über Europa und wenn möglich über die<br />

ganze Welt. Diese Herrschaft könnte natürlich nur<br />

ausgenutzt werden zunächst auf Kosten des deutschen<br />

und dann vor allem auch auf Kosten des englischen<br />

Eisens. Die Bedrohung des zwischenstaatlichen<br />

Eisenmarktes geht also nicht von Deutschland aus,<br />

wie Poincaré behauptet, sondern ausschließlich von<br />

Frankreich.<br />

Diese wirtschaftsimperialistischen Bestrebungen<br />

passen ausgezeichnet in den Gesamtrahmen des<br />

französischen Wirtschaftsimperialismus. Für seinen<br />

Charakter ist sehr wesentlich die Tatsache, daß die<br />

französische Wirtschaftsführung in vielen Dingen<br />

den Fortschritten der ändern Länder sich nicht angepaßt<br />

hat, sondern — z. B. in der Organisation —<br />

infolge ihrer Schwerfälligkeit nicht unerheblich<br />

zurückgeblieben ist. Diese Entwicklung war schon<br />

'or dem Kriege zu erkennen. Die Franzosen erkannten<br />

den Rückgang sehr wohl, gaben sich aber<br />

über seine Ursache keine Rechenschaft. Deshalb<br />

" ar ihr Bemühen nicht darauf gerichtet, die schaffende<br />

Kraft des eigenen Landes zu heben; es beschränkte<br />

sich vielmehr darauf, die in Frankreich frei werdenden<br />

Gelder nach ändern Ländern zu leiten, um dort<br />

durch anderer Länder Arbeit für das französische<br />

Kapital Renten erarbeiten zu lassen. Besonders<br />

offenkundig wurde dieses Ziel im Versailler Vertrag,<br />

dessen wirtschaftliche Grundrichtung keine andere<br />

ist, als Deutschland für den französischen Rentnerstaat<br />

arbeiten zu lassen. Deshalb wurden auch alle<br />

Anerbieten Deutschlands, die besetzten Gebiete<br />

wieder aufzubauen, abgelehnt wegen der Befürchtung,<br />

daß das eigene Geschäft geschädigt werden könne,<br />

und daß der französischen Bevölkerung offen die<br />

Ueberlegenheit der deutschen Wirtschaft vor Augen<br />

geführt würde. Auch an der Ausführung des Versailler<br />

Vertrages läßt sich der ihm zugrunde liegende<br />

Charakter deutlich verfolgen. Schon aus der Art<br />

und Weise, wie Frankreich nach der Angliederung<br />

ehemals deutscher Gebiete mit deren Industrie verfahren<br />

ist, ergibt sich das Bestreben, die Wirtschaftspolitik<br />

mehr auf die Schwächung des Wettbewerbs<br />

anderer Länder, als auf die Hebung der<br />

eigenen Schaffenskraft einzustellen. Für die Schwerindustrie<br />

wurde das oben bereits gezeigt; für andere<br />

Industrien läßt sich Aehnliches feststellen. So z. B.<br />

wurde die elsässische Industrie dazu veranlaßt, ihr<br />

bisheriges Absatzgebiet Deutschland beizubehalten,<br />

in der Befürchtung, daß im Falle Abfließens elsässischer<br />

Webwaren nach Frankreich die französische<br />

Textilindustrie sehr bald ins Hintertreffen geraten<br />

könne. Nebenbei spielte auch noch eine große Rolle<br />

der Wunsch, durch die elsässische Industrie Erfahrungen<br />

im Auslande sammeln zu lassen, und diese<br />

dann für die eigentliche französische Industrie nutzbar<br />

zu machen, von der man glaubte, daß aus eigener<br />

Tatkraft Pionierarbeit zu leisten, ihr schwer fallen<br />

würde. In dem Ruhrunternehmen hat Frankreich<br />

seine Ziele offen enthüllt. Nachdem Elsaß-Lothringen<br />

und die Saar durch die französische Wirtschaftsführung<br />

außerordentlich zurückgekommen waren,<br />

sollte diese Tatsache verschleiert und sollten außerdem<br />

neue Bestrebungen zur Gesundung der französischen<br />

Wirtschaft gemacht werden. Jetzt, wo das<br />

Ruhrunternehmen aufgegeben werden muß, versucht<br />

Frankreich, sich seinen Verzicht auf Vertragsbruch<br />

bezahlen zu lassen mit günstigen Handelsverträgen,<br />

welche die westdeutsche Eisenindustrie dauernd als<br />

Wettbewerber Frankreichs ausschalten soll.<br />

Seine Ziele hat Frankreich in dem von ihm erhofften<br />

Umfange nicht erreicht. Immerhin bleibt<br />

auch in Zukunft sein W irtsch aftsim p erialism u s,<br />

besonders derjenig e seiner E ise n in d u strie ,<br />

für die anderen europäischen Länder (vornehmlich<br />

für Deutschland und England) g efäh rlich genug.<br />

N ich t D eu tsch lan d s E ise n in d u strie b ild et<br />

eine Quelle der B eunruhigung, sondern im<br />

G egenteil die französische. So liegen die<br />

Tatsachen, und n ich t so, wie Herr Poincaré behauptet.

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