2011-09 - lola - Das Magazin für Düsseldorf
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<strong>lola</strong> 9<br />
Gesangsstunden<br />
Ich erinnere mich<br />
Es war das erste Mal und <strong>für</strong> mich<br />
etwas ganz Besonderes. Ich <strong>für</strong>chtete<br />
mich auch ein bisschen davor. Mir war<br />
warm und ich war nervös. Die Schwüle<br />
des Sommers bei fast 30 Grad Celsius<br />
ließen mich erste Schweißtropfen auf<br />
meiner Haut bilden, während sie, von<br />
mir unbeeindruckt, durch ihr kleines<br />
Zimmer streifte und dabei fast beiläufig<br />
ihr schwarzes Klavier streichelte. Es<br />
war eindeutig: Es war nicht ihr erstes<br />
Mal.<br />
„Dann fangen wir mal an“, sagte sie<br />
plötzlich und ihre Worte ließen<br />
mich erschaudern. Sie bemerkte<br />
mein Verkrampfen und sprach<br />
folgende beruhigende Worte:<br />
„Keine Angst, beim ersten Mal<br />
muss es nicht schön werden!“<br />
Sie spielte ein G auf dem Klavier,<br />
schaute mir tief in die Augen<br />
und sang mit ihrer Sopranstimme<br />
ein sanftes und tönendes<br />
Ahhh. Ich versuchte es ihr nachzumachen<br />
und bestätigte ihr mit<br />
meinem knatternden „Ahaahahahhh“,<br />
dass sie Recht behalten<br />
hatte. Es war nicht schön.<br />
Meine erste Gesangsstunde hatte<br />
natürlich eine Vorgeschichte.<br />
Schon als Kind war einer meiner<br />
Träume, Sänger einer Band<br />
zu werden. Meine anderen<br />
Traumberufe waren der Erfinder<br />
der Zeitreise zu werden und<br />
als Pilot mit einem Raumschiff<br />
Glosse<br />
Hugo Berg<br />
hugo.berg@<strong>lola</strong>-magazin.de<br />
fremde Welten zu entdecken. Da ich<br />
keinerlei Reiseerfahrungen besaß, weder<br />
in der Zeit noch durch den Raum,<br />
ich aber schon am Lagerfeuer das eisgekühlte<br />
Bommerlunder-Lied gegrölt<br />
hatte, schien es mir naheliegend, mich<br />
als Leadsänger einer Schulband zu<br />
bewerben.<br />
Motiviert griff ich das Mikrofon, und der<br />
Schlagzeuger zählte den Takt von<br />
Queens „Don’t stop me now“<br />
an. Meine Fantasie malte mir<br />
300 Mädchen an mein geistiges<br />
Auge, die mich mit ihrer<br />
Unterwäsche bewerfen wollten.<br />
Die Band spielte und ich<br />
sang – und lernte spontan drei<br />
Dinge. Erstens, Freddy Mercury<br />
war ein genial begnadeter<br />
Sänger. Zweitens, je höher der<br />
Ton, desto weniger schön mein<br />
Gesang, denn drittens, meine<br />
noch nicht ganz abgeschlossene<br />
Pubertät hatte aus mir einen Bass<br />
gemacht. Wenn ich also jemals auf<br />
einer Bühne mit etwas beworfen werden<br />
würde, dann bestimmt nicht mit<br />
Unterwäsche.<br />
Aber man soll ja nie aufgeben, und nach<br />
nur zehn Jahren hatte ich mein Trauma<br />
schon fast vollständig verdrängt. Da<br />
bei Raum- und Zeitreisen zudem keine<br />
nennenswerten Fortschritte gemacht<br />
worden sind, hatte ich die Motivation,<br />
es noch einmal mit dem Gesang zu versuchen.<br />
Ihr werdet es hören.