Ausgabe 1004.pdf - Theater-Zytig
Ausgabe 1004.pdf - Theater-Zytig
Ausgabe 1004.pdf - Theater-Zytig
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Spotlicht ı Aktuelle Premieren<br />
Remise Bühni Jegenstorf<br />
Die ewig junge Geschichte einer jungen Frau<br />
pd. Kürzlich erzählte mir eine Bekannte,<br />
ihre Tochter lese gegenwärtig im Gymnasium<br />
«Effi Briest» und sei von der<br />
Lektüre begeistert. Das hat mich zuerst<br />
erstaunt und mir anderseits wieder<br />
von neuem gezeigt, was Weltliteratur<br />
ausmacht, nämlich ihre unvergängliche<br />
Aktualität. Diese lässt sich bei «Effi<br />
Briest» unter anderem daran ablesen,<br />
dass der Roman fünfmal verfilmt wurde<br />
und weiterhin zum Lesekanon deutschsprachiger<br />
Gymnasien gehört.<br />
Weshalb bleiben die einen Romane aktuell,<br />
und die meisten geraten in Vergessenheit?<br />
Eindeutig lässt sich dies wohl<br />
kaum sagen. Aber es gibt typische Merkmale<br />
der Unvergänglichkeit. Eines ist<br />
die Darstellung der Menschen und ihrer<br />
Beziehungen. Grosse Autoren stellen<br />
ihre Figuren und was ihnen geschieht so<br />
lebensecht dar, dass man immer wieder<br />
überrascht feststellt: Genau so ist es!<br />
Genau so sind wir Menschen, genau so<br />
sind wir auch vor hundert oder tausend<br />
Jahren gewesen. Da spielt es dann kaum<br />
eine Rolle, ob diese Menschen in Krinolinen,<br />
in Paradeuniformen oder in Jeans<br />
auftreten: Es sind Menschen mit ihren<br />
typischen Problemen.<br />
Das Problem von Effi sind die starren<br />
Regeln des preussischen Adels am Ende<br />
des 19. Jahrhunderts. Heiraten ist in diesen<br />
Kreisen keine Gefühlssache, sondern<br />
vor allem Karriereplanung. Aber was im<br />
Leben nicht gelebt wird, ist deswegen<br />
nicht aus der Welt geschafft. Effis Sehnsucht<br />
nach Leidenschaft und Nähe lässt<br />
sie den «Tugendpfad» verlassen, auch<br />
wenn sie hundertmal weiss, was dies für<br />
sie bedeutete, wenn es bekannt würde.<br />
Auch dieses Wissen und Gegen-die-Vernunft-Handeln<br />
ist so typisch menschlich,<br />
dass eine siebzehnjährige Gymnasiastin<br />
von heute es auf Anhieb erkennt, als<br />
einer der menschlichen Grundwidersprüche.<br />
Aber nicht nur junge Frauen, sondern<br />
auch gestandene Semester werden<br />
sich diese Saison bei den Aufführungen<br />
der «Remise-Bühni» hineinleben können<br />
in Effis tragisches Schicksal, werden lustvoll<br />
erschauern ob der vielen drohenden<br />
Fallstricke des Lebens und sich zugleich<br />
glücklich preisen, dass sie selbst diesen<br />
mehr oder weniger erfolgreich haben entgehen<br />
können.<br />
Daten siehe Inserat S. 29 und Spielplan<br />
oder remise.ch<br />
Leserbrief<br />
Anm. Red.: Der folgende Leserbrief ging<br />
bereits Ende November bei uns ein,<br />
geriet aber auf der Redaktion unters Eis.<br />
Wir entschuldigen uns für diese Panne.<br />
Leserbrief zum Foyer der <strong>Ausgabe</strong><br />
November 09<br />
Ein sehr guter Hinweis zur verbesserten<br />
Bekanntmachung des Laien-<strong>Theater</strong>wesens.<br />
Da gibt es aber noch etwas hinzuzufügen.<br />
Die meisten Veranstaltungen der Regionalverbände<br />
und des ZSV sind für <strong>Theater</strong>-Insider<br />
und werden hauptsächlich von<br />
denen besucht.<br />
Ich finde, dass das Schaffen des Laien-<br />
<strong>Theater</strong>-Wesens in den Schweizer Medien<br />
und demzufolge in der breiten Bevölkerung<br />
zu wenig Beachtung erfährt. Eine<br />
<strong>Theater</strong>-Pandemie, wie angeregt, kann<br />
nur ausbrechen, wenn für die Verbreitung<br />
eine Plattform zur Verfügung steht. Und<br />
da denke ich, sind unsere Verbände gefordert.<br />
Es müssten fixe Sendungen installiert<br />
werden, die auf die vielen <strong>Theater</strong>-<br />
Aufführungen hinweisen. Reportagen über<br />
das Ausbildungswesen, die <strong>Theater</strong>tage<br />
und die Arbeit in den Vereinen, deren<br />
Aufführungen. Das <strong>Theater</strong>wesen ist doch<br />
durch den ZSV und die Regionalverbände<br />
bestens organisiert: Der ZSV wird beim<br />
Staatlichen Radio und Fernsehen vorstellig,<br />
die Regionalverbände bei den Lokal-<br />
Medien. Wenn von uns mehr gesprochen,<br />
geschrieben und gezeigt wird, dürfte sich<br />
das Problem von heute oft fehlendem<br />
Nachwuchs und spielfreudigen Personen<br />
auch etwas entschärfen, oder?<br />
Viele Laien-Bühnen in der Schweiz bieten<br />
Produktionen, die sich locker mit denjenigen<br />
der Profi-Bühnen messen können, nur<br />
haben das die Medien-Verantwortlichen<br />
noch nicht realisiert, oder?<br />
Willi Sutter, Kloten<br />
22<br />
<strong>Theater</strong>-<strong>Zytig</strong> 1004