Afrika realistisch darstellen - Konrad-Adenauer-Stiftung
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Wie würde „eine positive Beschreibung der allgemeinen Merkmale<br />
afrikanischer Religionen“ (Iv) aussehen, positiv im Sinne einer<br />
Beschreibung dessen, was war bzw. ist statt der üblichen Beschreibungen,<br />
was – tatsächlich oder angeblich – „fehlt“?<br />
Ein zentraler Aspekt ist sicher die religiöse Toleranz, die diese<br />
Religionen in <strong>Afrika</strong> auszeichnete. Denken und Glauben wurden<br />
im Allgemeinen als vom Umfeld geprägt angesehen. Einen Menschen<br />
zu missionieren machte somit keinen Sinn. Religion als<br />
Ideologie zu nutzen, um Macht und Gewalt über Fremde (!) auszuüben,<br />
konnte kaum funktionieren. Erst die Religionen mit Alleingültigkeitsanspruch<br />
konnten hierzu benutzt werden. Ein weiterer<br />
Aspekt, der in der Forschung eine wichtige Rolle spielt, ist die<br />
Durchdringung des Alltäglichen von dem entsprechenden Glaubenssystem.<br />
So erklärt sich vielleicht z.T., dass es zwar immer<br />
Namen für die einzelnen Glaubenspraktiken und Kulte gab, aber<br />
in vielen afrikanischen Sprachen keinen Begriff für die dahinter<br />
stehende „Religion“. Gerade in der sich vom Kolonialismus<br />
emanzipierenden Literatur aus <strong>Afrika</strong> wird immer wieder vom Erstaunen<br />
darüber berichtet, wie die beobachteten Europäer sonntags<br />
in der Kirche predigten, was sie in der Woche selber nicht<br />
einhielten. Der dritte lohnende Aspekt betrifft ein holistisches<br />
Weltbild, welches sicher lange dazu beitragen konnte, dass das<br />
Zusammenspiel von Mensch, Natur und den Dingen nicht aus<br />
dem Gleichgewicht geriet. Und ein vierter Aspekt, der hervorzuheben<br />
ist: Jede Generation übernimmt zwar Glaubensanschauungen<br />
und Glaubenspraktiken von den Generationen davor, doch<br />
weil es sich um kein geschlossenes dogmatisches System handelt,<br />
dessen Auslegung durch Verschriftlichung viel engere Grenzen<br />
gesetzt wären, kann jede Generation das Überlieferte den spezifischen<br />
Bedürfnissen der eigenen Epoche besser anpassen, als dies<br />
in verschriftlichten Religionen der Fall ist; der einzelne Mensch<br />
muss sich also viel weniger der Religion unterwerfen, sondern die<br />
Religion dient in größerem Maße dem Menschen.<br />
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