Oktober 2005: Inhalt - ZKM
Oktober 2005: Inhalt - ZKM
Oktober 2005: Inhalt - ZKM
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
LESERBRIEFE<br />
LESERBRIEFE<br />
Fremdsprachen an der Primarschule<br />
Ich bin Mitglied des lnitiativkomitees «Nur EINE Fremdsprache an der Primarschule»<br />
und beobachte, was alles im Bereiche des Fremdsprachunterrichts an der<br />
Volksschule abläuft. Was bei mir wieder einmal Alarmsignale ausgelöst hat, ist<br />
die vom BiD herausgebrachte DVD mit dem Titel «Exploring English. Handlungsund<br />
inhaltsorientierter Englischunterricht». Gezeigt werden Unterrichtssequenzen<br />
mit verschiedenen Schulklassen, garniert mit Zwischenkommentaren von<br />
Lehrpersonen und BiD-Verantwortlichen. Als ehemaliger Sprachlehrer auf der<br />
Sekundar- und Mittelschulstufe möchte ich mich kritisch zu dieser DVD äussern.<br />
Grundsätzliches<br />
Schon zu Buschors Zeiten hat sich die Methode des «Eintauchens», die auch<br />
unter den Bezeichnungen «Embedding», «Immersion», «CLIL», etc. segelt, als<br />
untauglich erwiesen. Es geht dabei immer um eine enge Verknüpfung des<br />
Sprach- mit dem Sachunterricht. So hiess es z.B im Tages-Anzeiger vom 17. 3. 04<br />
«Aus Lehrerkreisen wurde argumentiert, es sei lächerlich, den Frosch auf Englisch<br />
zu erklären. Zu dieser Einsicht ist offenbar auch der Bildungsrat gelangt.»<br />
Aber zu schön, um wahr zu sein! Die Lektionen auf der DVD sind genau auf dem<br />
«Frosch-Prinzip» aufgebaut, nur geht es diesmal nicht um den Frosch, sondern<br />
um andere Sachthemen. Da müht sich zum Beispiel eine Klasse mit meteorologischen<br />
Spitzfindigkeiten wie dem Unterschied zwischen Nimbostratus- und Cirruswolken<br />
ab, wohlgemerkt auf Frühenglisch! Eine andere Klasse befasst sich mit<br />
der Römerstadt Augusta Raurica. Auf die Aufforderung des Lehrers «We‘ll make<br />
(richtig wäre: «do» ) some sightseeing» beschäftigen sich die Schüler an Hand<br />
einer Karte der alten Römerstadt mit Begriffen wie «Amphitheatre» und «Forum».<br />
London wäre vielleicht etwas sinnvoller gewesen.<br />
Die theoretischen Grundlagen für solchen Unfug werden uns zwischen den<br />
Unterrichtssequenzen von Frau Fetz (BiD) und Herrn Stern (PH) erläutert. Der<br />
Spracherwerb in der Schule sei nicht Selbstzweck, sondern müsse in Verbindung<br />
mit <strong>Inhalt</strong>en stehen, die die Schüler interessieren, heisst es. Die Sprache sei lediglich<br />
ein Medium, mittels dessen neue <strong>Inhalt</strong>e gelernt würden. Damit sind wir<br />
genau wieder beim totgeglaubten Frosch angelangt. «Ist es auch Unsinn, so hat<br />
es doch Methode», wie es schon in Shakespeares «Hamlet» hiess.<br />
Diesem Unsinn möchte ich folgende Überlegungen entgegenhalten. Für den<br />
Anfängerunterricht ist die Frosch-, respektive «inhaltsorientierte» Methode fehl<br />
am Platz. Die Sprache und nicht der Frosch muss absolut im Mittelpunkt des<br />
Unterrichts stehen. Sie sollte nicht anhand von Begriffen wie Nimbostratus oder<br />
Cirrus geübt werden, sondern anhand von Situationen aus dem englischen oder<br />
amerikanischen Alltagsleben (inkl. Schule, Sport oder Geographie). Erst wenn ein<br />
solides Fundament gebaut ist, lohnt es sich, «inhaltsorientierter» zu werden.<br />
Dann aber bitte: besprecht nicht Augusta Raurica, sondern Bristol oder San Francisco<br />
oder etwas aus der Kulturgeschichte des angelsächsischen Raumes.<br />
Meinetwegen Robin Hood!<br />
Peinlich sind auch die vielen Sprachfehler, die auf der DVD zu hören sind.<br />
Ich weiss, dass im Fremdsprachunterricht jeder Lehrkraft Patzer unterlaufen können,<br />
und es geht mir keineswegs darum, mit folgenden Beispielen jemanden<br />
blossstellen zu wollen. Aber: Diese DVD trägt das Gütesiegel «BiD», und sie könnte<br />
Lehrkräfte verunsichern oder dazu verleiten, sich falsche Wendungen einzuprägen<br />
– im naiven Vertrauen auf die Profis des BiDs. Fehler von Lehrpersonen:<br />
«We’ll make some sightseeing» (Richtig: «do»)<br />
«We’re going to have a look of . . .» (Richtig: «to have a look at . . .»)<br />
«You read with your partner the text!» Zwingend: «You read the text with your<br />
Partner!»)<br />
«It’s 8 o’clock in the night» (Richtig: «at night»)<br />
Aussprache: der Bär = the bear (Nicht wie «Bier» sprechen, sondern eher wie<br />
«bäar»)<br />
Schülerfehler sind ein anderes Problem. Natürlich soll die Lehrkraft nicht ständig<br />
den Redefluss der Schüler durch Korrekturen unterbrechen. Wenn aber wiederholt<br />
Einzelsätze wie «The wind is coming from south» zu hören sind, dürfte<br />
die Lehrperson diskret «from THE south» korrigieren. Ebenso, um ein weiteres<br />
Beispiel herauszugreifen, statt «trains can make noise» «a noise». Es erfordert<br />
erfahrungsgemäss einen grossen Aufwand, eine einmal falsch gelernte Aussprache<br />
oder Konstruktion später zum Verschwinden zu bringen. Dieser Prozess wird<br />
für die Schüler und auch für den Mittelstufen- und Seklehrer zermürbend sein.<br />
Er ist auch ein Verlust kostbarer Unterrichtszeit. Bestätigt hat sich übrigens auch<br />
meine Erfahrung, dass Gruppenarbeiten im Fremdsprachunterricht nur unter<br />
bestimmten Bedingungen effizient sind. Gross ist die Gefahr, dass die Schüler,<br />
sobald ihnen die Lehrperson den Rücken kehrt, in die Mundart zurückfallen.<br />
Fazit: Im Moment kämpfen wir im Komitee in erster Linie für unsere erste Forderung,<br />
nämlich «Nur EINE Fremdsprache an der Primarschule». Wie es aussieht,<br />
werden wir auch für unsere zweite Forderung, nämlich «Diese dafür<br />
richtig» kämpfen müssen.<br />
Mit freundlichem Gruss, Eduard Crosina, 8472 Seuzach<br />
52<br />
53