35 Jahre GHO auf diese Punkte gebracht: - Gustav-Heinemann ...
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Intern Nr. 3/08-09<br />
Peter John, Lehrer an der <strong>Heinemann</strong>-Schule begrüßte beim<br />
Schulklassengespräch Gail Halvorsen, seinen Neffen Dereck<br />
und Mercedes Wild, die so etwas wie die persönliche Managerin<br />
von Gail Halvorsen in Berlin geworden ist. Die Geschichte, wie<br />
das kleine Mädchen Mercedes aus Friedenau dem Candy-Piloten<br />
Halvorsen einen Brief schickte, weil sie nie einen kleinen<br />
Fallschirm ergattern konnte, ist legendär wie die Luftbrücke<br />
selbst. Halvorsen hat den Brief tatsächlich bekommen und<br />
Mercedes ein Päcken mit Schokolade nach Hause geschickt.<br />
Viele <strong>Jahre</strong> später lernten sie sich persönlich kennen und sind<br />
seitdem dicke Freunde. Wenn Halvorsen in Berlin ist, wohnt er<br />
stets im Hause von Mercedes. Ihr Mann Peter sagt: Gail ist der<br />
einzige Luftbrückenveteran, der eine eigene Wohnung in Berlin<br />
hat.<br />
Und dann beginnt die One-Man-Show des Gail Halvorsen.<br />
Gespannt lauschen die Schülerinnen und Schüler seinen Worten.<br />
Gail Halvorsen ist inzwischen 89 <strong>Jahre</strong> alt. Seine Vitalität<br />
ist ungebrochen, seine Stimme klar und deutlich. Er wird es<br />
selber nicht wissen, wie oft er <strong>diese</strong>n Vortrag in seinem Leben<br />
schon gehalten hat, es scheint ihm aber immer wieder Spaß zu<br />
machen.<br />
Mit Kinder und Jugendlichen umgehen, kann er, schließlich<br />
hat er selbst 5 Kinder, 24 Enkel und 21 Urenkel. „Die Zukunft<br />
von Deutschland sitzt in <strong>diese</strong>m Raum“, sagt er den Jugendlichen<br />
und betont, wie wichtig der Frieden ist und vor allem wie<br />
wichtig es ist, wenn sich Menschen gegenseitig helfen und teilen<br />
können. Er berichtet, wie er zum Candy-Piloten wurde. Es<br />
war wohl das beeindruckendste Schlüsselerlebnis während der<br />
Luftbrücke. Am Rande des Flughafens standen ein paar Kinder.<br />
Er ging zu ihnen und sah, dass sie sich in keinem guten<br />
Zustand befanden. Für knapp 30 Kinder hatte er nur zwei<br />
Kaugummiriegel dabei. Diese zu teilen, war so gut wie unmöglich.<br />
Aber er versprach, wieder zu kommen und aus der Luft<br />
Süßigkeiten abzuwerfen. Er tat es einfach. Seine Vorgesetzten<br />
waren anfangs skeptisch ob des Treibens ihres Piloten. Als aber<br />
dann eine Berliner Zeitung darüber berichtete, nahm die Sache<br />
ihren L<strong>auf</strong>. Gail Halvorsen bekam so viel Post, dass ein<br />
paar Mitarbeiter damit beschäftigt waren, alle Briefe zu beantworten.<br />
Anfangs fragten ihn die Kinder, wie sie ihn erkennen können,<br />
wenn er angeflogen kommt, es seien doch so viele Flugzeuge.<br />
Pressespiegel Seite 25<br />
„Ich werde mit den Flügeln wackeln.“ Und so entstand sein<br />
zweiter Spitzname „Onkel Wackelflügel“. Später taten es Gail<br />
Halvorsen auch andere Piloten gleich und die Kinder am Flughafen<br />
bekamen ihre Süßigkeiten aus der Luft. Aus einer kleinen<br />
Idee wurde eine große Aktion, die Weltgeschichte schrieb.<br />
Man muss versuchen, sich die Zeit von 1948 vorzustellen. Berlin<br />
war ein Trümmerfeld. Seit drei <strong>Jahre</strong>n war der Krieg vorbei,<br />
der Kalte Krieg hatte begonnen. In <strong>diese</strong>r Zeit machte Stalin<br />
ernst und riegelte West-Berlin ab. Er hatte wohl damit gerechnet,<br />
dass der Widerstand sehr bald in sich zusammenbrechen<br />
würde und die Sowjetunion auch über die Westhälfte Berlins<br />
verfügen könnte. Die West-Alliierten taten ihm nicht <strong>diese</strong>n<br />
Gefallen. „Schaut <strong>auf</strong> <strong>diese</strong> Stadt“, rief Bürgermeister Ernst<br />
Reuter am 9. September 1948 vor dem Reichstag in die Welt,<br />
„und ihr werdet erkennen, dass ihr <strong>diese</strong> Stadt und <strong>diese</strong>s Volk<br />
nicht preisgeben dürft und nicht preisgeben könnt.“ Ein Appell<br />
mit Wirkung. Seit drei Monaten lief nun schon die Luftbrücke,<br />
und erst acht Monate später lenke Stalin ein, er hatte<br />
den Widerstand nicht brechen können.<br />
Gail Halvorsen war zu Hause, als ihn der Anruf erreichte, sich<br />
an der Luftbrücke zu beteiligen. Drei <strong>Jahre</strong> nach Kriegsende<br />
dem Feind helfen? Das erschien ihm zuerst etwas ungeheuerlich.<br />
Und als er das erste Mal über Berlin flog und die Trümmer<br />
sah, konnte er sich nicht vorstellen, dass dort über zwei Millionen<br />
Menschen lebten.<br />
Gail Halvorsen und seine Kollegen nahmen die Herausforderung<br />
an. Das Foto zeigt die Luftbrückenveteranen am<br />
Rosinenbomber, der jetzt in Schönefeld stationiert ist.<br />
Aus Feinden wurden Freunde.<br />
Die Luftbrücke hat viel<br />
dazu beigetragen. Auch wenn<br />
das Verhältnis zwischen<br />
Deutschen und Amerikanern<br />
in den letzten sechs Jahrzehnten<br />
auch von Spannungen<br />
geprägt war, die USA sind<br />
und bleiben der wichtigste<br />
Verbündete Deutschlands<br />
weltweit, was die besonderen<br />
Beziehungen zu unseren<br />
Nachbarn Frankreich und Polen keineswegs schmälert.<br />
Bescheiden sagt Gail Halvorsen beim Eintrag ins Gästebuch<br />
der <strong>Gustav</strong>-<strong>Heinemann</strong>-Schule: „Ich bin kein Held, sondern<br />
nur ein Pilot, der seinen Job gemacht hat. Helden sind die 31<br />
amerikanischen und 39 britischen Piloten, die bei der Luftbrücke<br />
ums Leben gekommen sind.“ Der Opfer der Luftbrücke zu<br />
gedenken, wie ihr selbst und der Blockade, wird ein ewiges<br />
Vermächtnis für uns Berliner sein, weit über den Tag hinaus,<br />
wenn es nicht mehr möglich ist, Veteranen in Berlin begrüßen<br />
zu dürfen. Der Vorschlag der CDU, Gail Halvorsen zum Ehrenbürger<br />
Berlins zu ernennen, ist begrüßenswert. Man sollte<br />
sich zu <strong>diese</strong>m Schritt schnell entschließen, denn auch ein Haudegen<br />
der Lüfte wie Gail Halvorsen wird nicht ewig leben, leider.<br />
Ed Koch / Fotos: Lothar Duclos