Dr. Georg Schreiber 2010 Medien- preis
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40<br />
Auf einen Bunker hat sich<br />
Andreas Wutz sein<br />
Dachapartment gebaut<br />
PENTHOUSE. HAMBURG.<br />
TEXT DIANA AUST FOTOS THOMAS KLINGER<br />
Wenn Herr Wutz fernsehen will,<br />
schaut er vom Dach. Er blickt auf das<br />
Häusermeer unter sich, den Hamburger<br />
Michel, die Innenstadt, die Kräne am<br />
Hafen. Er braucht keinen Fernseher,<br />
um zu wissen, ob der FC St. Pauli ein<br />
Tor geschossen hat. Er hört die Jubelschreie.<br />
Seit zehn Jahren schaut er<br />
von seinem Hochbunker in Hamburg<br />
Eimsbüttel in die Ferne. Er lebt da,<br />
wo viele gerne wohnen würden: auf<br />
dem Dach.<br />
„Ich werde oft gefragt, ob das Gefühl,<br />
das man auf dem Dach hat, nicht<br />
irgendwann nachlässt“, sagt Andreas<br />
Xaver Wutz, der aussieht wie eine Mischung<br />
aus Götz <strong>Georg</strong>e und Mickey<br />
Rourke: stechende blaue Augen, zerfurchtes<br />
Gesicht, mehr als schulterlange<br />
braune Haare mit grauen Strähnen.<br />
„Ich antworte immer: Nein, das<br />
»DAS GEFÜHL LÄSST NICHT<br />
NACH. DAS IST JEDEN TAG<br />
WIE FERNSEHEN GUCKEN.«<br />
lässt nicht nach! Das ist jeden Tag wie<br />
Fernsehen gucken.“ Manchmal ist es<br />
auch wie großes Hollywood-Kino. Wutz<br />
geht hinüber zu einem kleinen Vorsprung<br />
auf seiner Dachterrasse, den<br />
er eigens hat bauen lassen. Der<br />
„Titanic-Balkon“, wie er ihn nennt,<br />
ragt wie ein Schiffsrumpf ins luftige<br />
Nirgendwo. „Damit ich eine bessere<br />
Sicht auf die Straße unter mir habe“,<br />
sagt Wutz und lehnt sich an das Geländer<br />
seiner Eimsbütteler Titanic.<br />
Untergehen wird die so schnell<br />
nicht, denn sie steht auf Tausenden<br />
Tonnen Stahl und Beton. In seiner<br />
ersten Nacht im Bunker hatte Wutz<br />
Angst, nicht einschlafen zu können.<br />
Damals sind hier Bomben niedergegangen,<br />
Menschen umgekommen.<br />
Heute leuchtet das neongelbe Schild<br />
„Elektro Wutz“ an den wuchtigen<br />
Mauern. Wutz hat seine Firma im<br />
Erdgeschoss einquartiert, eine Glasfassade<br />
einbauen lassen. Fußgänger<br />
können direkt in sein Büro gucken.<br />
Darüber sind Lagerräume, in denen<br />
auch Musikbands proben. Außerdem<br />
gibt hier eine Saxophonistin Unterricht.<br />
Auf dem Dach des Betonklotzes<br />
prangt ein zweistöckiges Gebäude. In<br />
der ersten Etage sind drei Wohnungen<br />
– Wutz hat das Penthouse im zweiten<br />
Stock für sich allein. „Hier ist viel los.<br />
Für mich ist das kein Bunker mehr. Es<br />
ist ein Wohngebäude geworden.“<br />
Er weiß viel über Bunker und genauso<br />
viel über Sonnenuntergänge.<br />
Im Sommer sind sie knallrot. Aber im<br />
Februar und Oktober sind sie besonders<br />
schön, sagt Wutz, wenn sich zu<br />
dem Rot auch noch Türkis mischt. Auf<br />
dem Dach ticken die Uhren anders.<br />
Man blickt in die Weite, niemand ist<br />
über einem, es herrscht Ruhe. „Hier<br />
ist mein liebster Ort.“ Wutz steht in<br />
seinem Penthouse und reißt die Arme<br />
auseinander. Er liebt die Größe, die<br />
Weite. In seine 90 Quadratmeter große<br />
Wohnküche auf dem Dach lädt er oft<br />
Freunde ein. Zur Fußball-WM 2006<br />
waren es 90, „und es war immer noch<br />
genug Platz“, erzählt er von seiner<br />
„Wutz-WM“.<br />
Wenn das Wetter gut ist, verbringt<br />
er jede freie Minute auf der Dachterrasse.<br />
Wutz sieht alles, was um ihn<br />
herum geschieht. Abends leuchten die<br />
Lichtkuppeln in den Treppenhäusern,<br />
gehen an und wieder aus. Und wenn<br />
Hamburg feiert, gibt es ein Feuerwerk<br />
gratis und direkt vor seinen Augen.<br />
Die Tage, das Wetter, die Jahreszeiten<br />
– alles ist intensiver. „Manchmal ist<br />
der Anblick überwältigend, manchmal<br />
fühlt man sich ganz klein hier oben,<br />
manchmal denkt man auch an gar<br />
nichts oder spielt einfach nur Fußball<br />
auf dem Dach“, sagt Wutz. „Das Dach“,<br />
fügt er hinzu, „ist alles“.<br />
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360°-Blick vom Penthouse