Dr. Georg Schreiber 2010 Medien- preis
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„EINE PILLE AM MORGEN MACHT DEN TAG<br />
AN, FEIERN, HABEN SEX, WIR TUN ALLES,<br />
ANDERS AUS. DA IST IMMER EIN TEIL, DER<br />
Dejan Begic hat<br />
die Belagerung im<br />
Tal erlebt. Allein im<br />
Häuserblock seiner<br />
Jugend starben<br />
188 Menschen.<br />
Heute erinnert eine<br />
Gedenkstätte an sie<br />
Dejan Begic* flieht. „Folgt mir“, sagt er,<br />
dann taucht er ein in die Massen.<br />
Es ist schwer, Schritt zu halten. Zielstrebig<br />
schlüpft Begic durch Lücken,<br />
die sich zwischen den drängelnden<br />
Passanten in der Fußgängerzone auftun.<br />
Links. Dann rechts, als folge er einer<br />
unsichtbaren Route. „Fast da“, sagt er<br />
ein paar Blocks weiter, „hier rein.“<br />
Durch eine <strong>Dr</strong>ehtür geht es in ein<br />
Einkaufszentrum, mit dem Fahrstuhl<br />
ins oberste Geschoss, durch Gänge hier,<br />
Gänge da, ein Treppenhaus, noch ein<br />
Gang, bis die Flucht abrupt endet.<br />
Begic steht jetzt auf dem Dach, über<br />
ihm nur der Himmel, unter ihm die<br />
Stadt, in der er groß geworden ist.<br />
Sarajevo. Er lässt sich in einen Stuhl<br />
des kleinen Cafés hier oben fallen. Es<br />
ist kalt, alle anderen Tische sind frei.<br />
„Ich mag das hier“, sagt Begic. „Ich<br />
mag keine Plätze mit vielen Menschen.“<br />
Begic ist 27, er ist Student, Stadtführer,<br />
ein Kind des Bosnienkrieges.<br />
Unter die dichten, schwarzen Haare<br />
auf seinem Kopf mischen sich die<br />
ersten grauen. Er trägt eine olivgrüne<br />
Fliegerjacke, bunte Stecker in den<br />
Ohrläppchen, Markensneaker, eine<br />
Umhängetasche. Eine riesige Spiegelsonnenbrille<br />
verdeckt wie eine<br />
schwarze Maske große Teile seines<br />
Gesichts, obwohl dichte Wolken über<br />
der Stadt hängen. Nach dem Krieg ist<br />
er weggezogen, nur noch zum Arbeiten<br />
kommt er hierher. Sarajevo sei nicht<br />
mehr seine Stadt, sagt er. Neun Jahre<br />
alt war Begic, als die Belagerung<br />
begann.<br />
Es war die längste Belagerung<br />
des 20. Jahrhunderts. 1425 Tage<br />
beschossen serbische Soldaten die