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Überblick über die Rechtsprechung der letzten 1,5 Jahre im BetrVG

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swp magazin 39<br />

Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 <strong>BetrVG</strong> dar<strong>über</strong> zu<br />

wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in <strong>der</strong> Vorschrift<br />

genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 <strong>BetrVG</strong> enthält nicht nur ein<br />

Überwachungsgebot, son<strong>der</strong>n verbietet zugleich Vereinbarungen, durch<br />

<strong>die</strong> Arbeitnehmer aufgrund <strong>der</strong> dort aufgeführten Merkmale benachteiligt<br />

werden. Der Gesetzgeber hat <strong>die</strong> in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote<br />

in § 75 Abs. 1 <strong>BetrVG</strong> <strong>über</strong>nommen. Die unterschiedliche Behandlung<br />

<strong>der</strong> Betriebsangehörigen aus einem in § 1 AGG genannten Grund ist<br />

daher nur unter den <strong>im</strong> AGG normierten Voraussetzungen zulässig. Sind<br />

<strong>die</strong>se erfüllt, ist auch <strong>der</strong> betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz<br />

gewahrt.<br />

Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG<br />

genannten Grundes benachteiligt werden. Best<strong>im</strong>mungen in Vereinbarungen,<br />

<strong>die</strong> gegen <strong>die</strong>ses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach §<br />

7 Abs. 2 AGG unwirksam. Der Begriff <strong>der</strong> Benachteiligung best<strong>im</strong>mt sich<br />

nach § 3 AGG. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1<br />

Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten<br />

Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine an<strong>der</strong>e Person<br />

in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat o<strong>der</strong> erfahren<br />

würde. Eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung<br />

kann aber nach § 10 AGG unter den dort genannten Voraussetzungen<br />

zulässig sein. § 10 Satz 1 und 2 AGG gestatten <strong>die</strong> unterschiedliche Behandlung<br />

wegen des Alters, wenn <strong>die</strong>se objektiv und angemessen und<br />

durch ein legit<strong>im</strong>es Ziel gerechtfertigt ist und wenn <strong>die</strong> Mittel zur Erreichung<br />

<strong>die</strong>ses Ziels angemessen und erfor<strong>der</strong>lich sind.<br />

Nach § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG können <strong>die</strong> Betriebsparteien eine nach Alter<br />

o<strong>der</strong> Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung vorsehen, in <strong>der</strong><br />

sie <strong>die</strong> wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt<br />

durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar<br />

berücksichtigen, o<strong>der</strong> auch Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans<br />

ausschließen, weil <strong>die</strong>se, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld<br />

I, rentenberechtigt sind.<br />

Mit <strong>die</strong>ser Vorschrift hat <strong>der</strong> Gesetzgeber den Betriebsparteien einen Gestaltungs-<br />

und Beurteilungsspielraum eröffnet, <strong>der</strong> es ihnen unter den in<br />

<strong>der</strong> Vorschrift best<strong>im</strong>mten Voraussetzungen ermöglicht, das Lebensalter<br />

als Bemessungskriterium für <strong>die</strong> Sozialplanabfindung heranzuziehen.<br />

Die den Betriebsparteien in § 10 Satz 3 Nr. 6 2. Alt. AGG eingeräumte<br />

Möglichkeit, ältere Arbeitnehmer unter den dort genannten Voraussetzungen<br />

von Sozialplanleistungen auszuschließen, verstößt nicht gegen<br />

das Verbot <strong>der</strong> Altersdiskr<strong>im</strong>inierung <strong>im</strong> Recht <strong>der</strong> Europäischen Union.<br />

Die nationale Regelung ist iSv. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 <strong>der</strong> Richtlinie 2000/78/<br />

EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen<br />

Rahmens für <strong>die</strong> Verwirklichung <strong>der</strong> Gleichbehandlung in Beschäftigung<br />

und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) durch ein <strong>im</strong> Allgemeininteresse liegendes<br />

sozialpolitisches Ziel des deutschen Gesetzgebers gerechtfertigt.<br />

Dieser wollte es den Betriebsparteien entsprechend dem zukunftsgerichteten<br />

Entschädigungscharakter von Sozialplanleistungen ermöglichen, <strong>die</strong>se<br />

bei „rentennahen“ Arbeitnehmern stärker an den tatsächlich eintretenden<br />

wirtschaftlichen Nachteilen zu orientieren, <strong>die</strong> ihnen durch den bevorstehenden<br />

Arbeitsplatzverlust und eine darauf zurückgehende Arbeitslosigkeit<br />

drohen. Durch <strong>die</strong>se Gestaltungsmöglichkeit kann das Anwachsen <strong>der</strong><br />

Abfindungshöhe, das mit <strong>der</strong> Verwendung <strong>der</strong> Parameter Betriebszugehörigkeit<br />

und/o<strong>der</strong> Lebensalter bei <strong>der</strong> Bemessung <strong>der</strong> Abfindung zwangsläufig<br />

verbunden ist, bei abnehmen<strong>der</strong> Schutzbedürftigkeit <strong>im</strong> Interesse <strong>der</strong><br />

Verteilungsgerechtigkeit begrenzt werden.<br />

Nach <strong>der</strong> <strong>Rechtsprechung</strong> des Senats sind <strong>die</strong> zur Beurteilung <strong>der</strong> Zulässigkeit<br />

von § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG heranzuziehenden Grundsätze zum<br />

Verständnis und zur Anwendung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 <strong>der</strong> Richtlinie<br />

2000/78/EG offenkundig, jedenfalls aber durch <strong>die</strong> jüngere <strong>Rechtsprechung</strong><br />

des Europäischen Gerichtshofs geklärt, so dass ein Vorabentscheidungsersuchen<br />

nach Art. 234 Abs. 3 EGV (nunmehr: Art. 267 Abs.<br />

3 AEUV) nicht geboten ist.<br />

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