StingerSchiessen: Die Jagd nach der fliegenden Kettensäge ...
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Interview mit Oberfeldarzt Divisionär Gianpiero Lupi<br />
«Vor Ort wird die Katastrophe hautnah»<br />
Der Oberfeldarzt, Divisionär Gianpiero Lupi<br />
(Bild), war bereits acht Tage <strong>nach</strong> <strong>der</strong> Seebeben-Katastrophe<br />
vor Ort. Im Interview spricht<br />
er über seine Eindrücke, die medizinische Hilfeleistung<br />
<strong>der</strong> Schweiz und seine Lehren.<br />
Interview: Gaby Zimmer, C Komm LBA<br />
Bil<strong>der</strong>: Divisionär Gianpiero Lupi / DEZA / SRK<br />
Acht Tage <strong>nach</strong> dem Seebeben<br />
waren Sie mit dem Delegierten<br />
für humanitäre<br />
Hilfe, Toni Frisch, und dem<br />
Direktor des Schweizerischen<br />
Roten Kreuzes, Daniel<br />
Bie<strong>der</strong>mann, vor Ort.<br />
Div Gianpiero Lupi: «Zuerst drei<br />
Tage in Sri Lanka, in Colombo<br />
und dann entlang <strong>der</strong> Küste bis<br />
an die Südspitze. Dann drei Tage<br />
in Nordsumatra von Medan bis<br />
Banda Aceh.»<br />
Was haben Sie dort gemacht?<br />
«Ich habe mir ein Bild von <strong>der</strong><br />
Bevölkerung, den Schäden sowie<br />
den eingesetzten Mitteln und<br />
<strong>der</strong>en Koordination im Gesundheitsbereich<br />
gemacht. Daneben<br />
ging es darum, Kontakt aufzunehmen<br />
zu den verschiedenen<br />
Institutionen - es waren über<br />
hun<strong>der</strong>t.»<br />
VI<br />
Eine immense Zahl.<br />
«Gut, das war auch ein immenses<br />
Spektrum. Das ging von <strong>der</strong><br />
Feuerwehr von Lyon bis zu technischen<br />
Hilfswerken aus zahlreichen<br />
deutschen Städten und<br />
grossen, internationalen nichtstaatlichen<br />
und staatlichen Organisationen.»<br />
War die Dichte <strong>der</strong> Organisationen<br />
in Indien und Indonesien<br />
ähnlich?<br />
«Durchaus. Es gab aber zwei<br />
Hauptunterschiede: In Sri Lanka<br />
beschränkte sich die Verwüstung<br />
auf den Strandabschnitt, im<br />
Hinterland blieben die eigenen<br />
Strukturen unverletzt. So konnte<br />
die lokale Hilfeleistung sofort<br />
agieren. In Nordsumatra waren<br />
die Schäden ausgeprägter, im<br />
Hinterland bestanden keine<br />
Strukturen mehr. Hier mussten<br />
die externen Organisationen Hil-<br />
fe bringen. Das führte in <strong>der</strong> ersten<br />
Phase zu einem kompletten<br />
Chaos.»<br />
Welche Eindrücke werden<br />
Sie nie vergessen?<br />
«Da will ich, trotz Katastrophe,<br />
mit einem positiven Eindruck<br />
beginnen: <strong>Die</strong> betroffenen Menschen<br />
waren nicht etwa lethargisch<br />
und hilflos, son<strong>der</strong>n haben<br />
sofort den Wie<strong>der</strong>aufbau an die<br />
Hand genommen. Zum Teil mit<br />
nicht sehr wirksamen Mitteln,<br />
aber mit sehr viel Lebensmut<br />
und Elan. Mich als Europäer hat<br />
diese Einstellung beeindruckt.<br />
Traurigkeit war jedoch allgegenwärtig<br />
vor den Anschlagbrettern<br />
mit den Fotos von vermissten<br />
Angehörigen.<br />
Das Negative war das Chaos.<br />
Dass es nicht sofort gelungen<br />
ist, Ordnung und Organisation in<br />
diese Hilfeleistung hinein zu<br />
bringen. Man muss allerdings<br />
berücksichtigen, dass dieser humanitäre<br />
Einsatz <strong>der</strong> bislang<br />
grösste in <strong>der</strong> Geschichte war.»<br />
Sie haben vor dieser Reise<br />
die schrecklichen Bil<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Verwüstung in den Medien<br />
gesehen. Was ist <strong>der</strong> Unterschied,<br />
wenn man plötzlich<br />
mitten im Unglücksort<br />
steht?<br />
«<strong>Die</strong> Dimension <strong>der</strong> Katastrophe<br />
wird einem viel stärker bewusst.<br />
Man fliegt mit dem Helikopter<br />
über endlos lange vernichtete<br />
Gebiete. Ausserdem waren die<br />
Sinne direkt angesprochen: Man<br />
riecht den Leichengeruch, man<br />
spricht mit den Menschen, man<br />
sieht die Patienten und die notwendigen<br />
Eingriffe direkt. <strong>Die</strong><br />
Katastrophe wird so hautnah.»<br />
Was waren die auffälligsten<br />
medizinischen Probleme?<br />
«Es gibt mehrere Kategorien von<br />
direkt Betroffenen: solche, die<br />
sofort sterben und eine grosse<br />
Gruppe, die in den ersten Stunden<br />
ärztliche Hilfe benötiget,<br />
um zu überleben. Letztgenannte<br />
kann man aus Gründen <strong>der</strong> Menge<br />
und des fehlenden Personals<br />
kaum versorgen.<br />
In Banda Aceh ist übrigens <strong>der</strong><br />
grösste Teil <strong>der</strong> Ärzte selbst Opfer<br />
geworden. Von 300 Medizinern<br />
<strong>der</strong> Viertelmillionenstadt<br />
haben nur 30 überlebt. <strong>Die</strong> zu<br />
den eher vermögenden Schichten<br />
gehörenden Ärzte lebten<br />
nämlich in Häusern direkt am<br />
Meer. Jene Menschen, die das<br />
Unglück vorerst überlebt haben,<br />
sind in die nicht betroffenen Gebiete<br />
geflüchtet. Sie haben sich<br />
meist verletzt und ihre Wunden<br />
waren infiziert.»<br />
Was war aus medizinischer<br />
Sicht das dringendst notwendige<br />
Gut?<br />
«<strong>Die</strong> Gesamtheit <strong>der</strong> medizinischen<br />
Nothilfe: <strong>der</strong> Arzt, das<br />
Pflegepersonal, die medizinischen<br />
Ausrüstungen und die Medikamente.<br />
Nachdem in allen genannten Bereichen<br />
zu Beginn Mangel geherrscht<br />
hat, ist die medizinische<br />
Versorgung inzwischen sichergestellt.<br />
Nun geht es ja<br />
auch darum, die alltägliche medizinische<br />
Versorgung zu gewährleisten.<br />
Es gibt ja nicht nur<br />
Tote, die vielen Menschen mit<br />
Amputationen müssen Prothesen<br />
erhalten und es kommen auch<br />
weiter Kin<strong>der</strong> auf die Welt.»<br />
Welches Sanitätsmaterial<br />
hat die Schweiz hauptsächlich<br />
geliefert?<br />
«Antibiotika und Schmerzmittel,<br />
Infusionslösungen, Impfmaterial<br />
und Spitalmaterial von Operationsschürzen<br />
bis zu chirurgischen<br />
Sets und Bahren.»<br />
ARMEE aktuell 1/2005