Ausgabe 10 (Saison 2009/2010): THW Kiel - Rhein-Neckar Löwen
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58 Champions League<br />
Medvedi Čechov<br />
Das Projekt ist gescheitert<br />
Russlands Nationalmannschaft trotz Kräftebündelung im Vorort-Klub erfolglos<br />
In der Regel werden Klubs aus kleinen Städten in große Metropolen verfrachtet, um<br />
das Zuschauerpotenzial zu maximieren. Im Falle von Medvedi Čechov war das anders.<br />
Der russische Serienmeister gründete sich 2001 aus der Handballabteilung von ZSKA<br />
Moskau. Trainer Vladimir Maximov zog also mit seiner Truppe aus der <strong>10</strong>,5-Millionen-Hauptstadt<br />
80 Kilometer südwärts in das 73.000-Einwohner-Städtchen. Projektziel:<br />
eine Konzentration der besten Spieler Russlands, damit die Nationalspieler enger<br />
zusammenwachsen und auch international wieder Erfolge einfahren. Die gerade zu<br />
Ende gegangene EM in Österreich hat jedoch zum wiederholten Mal bestätigt: Das<br />
Projekt ist gescheitert.<br />
Die „Bären“<br />
(Medvedi)<br />
hatten von ihrer<br />
Geburt an<br />
einen Schönheitsfehler.<br />
Der beste russische Handballer<br />
der jüngeren Vergangenheit,<br />
Eduard Kokšarov,<br />
gehörte nicht zum Kader. Der<br />
Linksaußen war bereits 1999<br />
zum slowenischen Top-Klub<br />
RK Celje gewechselt – und<br />
spielt noch heute dort. Dasselbe<br />
gilt für Rechtsaußen<br />
Denis Krivošľikov, der sich<br />
ebenfalls schon 1999 Ademar<br />
León anschloss. Für<br />
beide war es nie ein Thema,<br />
in die Heimat zurückzukehren,<br />
zudem Maximov – der<br />
in Personalunion auch lange<br />
Zeit Nationaltrainer war<br />
– es den beiden großzügig<br />
erlaubte, bei ihren Klubs zu<br />
bleiben.<br />
Es war also von Beginn<br />
an eine unrunde Sache. Die<br />
Dominanz in der heimischen<br />
Liga war zwar erdrückend,<br />
Medvedi gewann schließlich<br />
seit seiner Gründung jedes<br />
Jahr die Meisterschaft, doch<br />
international schlug sich die<br />
Kräftesammlung in keinster<br />
Weise nieder. Das höchste<br />
der Gefühle war bislang ein<br />
Finale im Cup der Pokalsieger<br />
2006 (Niederlage gegen<br />
Valladolid), im vergangenen<br />
Jahr reichte es immerhin zum<br />
Champions-League-Viertelfi<br />
nale, als gegen die <strong>Rhein</strong>-<br />
<strong>Neckar</strong> <strong>Löwen</strong> Endstation<br />
war. Doch die Philosophie,<br />
hauptsächlich russische Spitzenspieler<br />
zu beschäftigen,<br />
bröckelt. Das liegt zum Beispiel<br />
daran, dass Top-Leute<br />
nur mit ideologischen Motiven<br />
nicht zu halten sind. So<br />
kehrte etwa der torgefährliche<br />
Konstantin Igropulo im vergangenen<br />
Sommer Čechov<br />
den Rücken und trifft nun für<br />
den FC Barcelona. Mit dem<br />
Ex-<strong>Löwen</strong> Sergij Shelmenko<br />
verpfl ichteten die „Bären“<br />
zwar einen Mann aus dem<br />
russischen Kulturkreis, aber<br />
eben keinen Russen. Der Ukrainer<br />
brachte es in der aktuellen<br />
Königsklassen-<strong>Saison</strong><br />
immerhin schon auf 26 Treffer<br />
(in fünf Einsätzen). Die<br />
Tendenz geht aber anscheinend<br />
dahin, dass die herausragenden<br />
russischen Spieler<br />
gehen und ausländische Akteure<br />
kommen.<br />
Die Dominanz der „Bären“<br />
in der Superliga ist ungebrochen.<br />
Wieder einmal führen<br />
sie die Tabelle ungeschlagen<br />
an, die letzte Punktspielniederlage<br />
liegt Jahre zurück.<br />
Aber die Nationalmannschaft?<br />
Bei der EM in Österreich<br />
belegte sie einen miserablen<br />
zwölften Platz. Und<br />
die Jahre zuvor lief es nicht<br />
besser: 16. bei der WM <strong>2009</strong>,<br />
13. bei der EM 2008 – die beste<br />
Platzierung resultiert von<br />
der WM 2003 in Portugal, als<br />
die Sbornaja immerhin auf<br />
dem fünften Rang landete.<br />
Viel zu wenig für ein Land,<br />
das vor dem Beginn des<br />
„Bären-Projekts“ zwei Mal<br />
Weltmeister, einmal Europameister<br />
und einmal Olympiasieger<br />
wurde, die Erfolge der<br />
Sowjet-Ära nicht eingerechnet.<br />
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